40. Todestag von Elvis PresleySechs große Songs des King of Rock 'n' Roll
(Marie's the Name) His Latest Flame
Es gibt viele Elvis-Presley-Songs, die ich sehr gerne höre: „Can't Help Falling In Love“ oder „Suspicious Minds“. Ich mag die Stimme, die Präsenz. Doch die beste Laune macht mir „(Marie’s The Name) His Latest Flame“. Und das ist eigentlich erstaunlich. Denn in dem von Doc Pomus and Mort Shuman komponierten Song besingt Elvis eine echte Tragödie. Ein sehr guter Freund kommt zu ihm und schwärmt von seiner neuesten Eroberung. Und er erkennt, dass er eben genau die Marie beschreibt, die ihm selbst am Tag zuvor noch ewige Liebe geschworen hatte. Weil das Ganze aber so beschwingt und leicht daherkommt, fällt das beim ersten Hören gar nicht auf. Mich erinnert das immer daran, als ich mit 17 oder 18 in einen Mitschüler verliebt war und dieser mich anrief, nur um die Nummer meiner besten Freundin zu erfragen – mit der er dann auch zusammen kam. Damals habe ich viele furchtbar traurige Liebeskummer-Lieder gehört, denn mit solcher Leichtigkeit über Herzschmerz wie Elvis können eben nur ganz wenige singen.
Anne Burgmer
Always on my mind
Zu dem aktuellen Sommerhit 2017, „Despacito“ von Luis Fonsi, gibt es ein wunderbar verhohnepipelndes Filmchen auf Youtube. Drei Jungs lästern, wie schrecklich der Song ist, der da aus dem Autoradio sprudelt. Sie lästern laut und ausgiebig, bis der Refrain einsetzt. Und dann singen sie mit. So ist das mit den Schnulzen von Elvis. Eigentlich ganz schön kitschig. Und dieser Typ und wie der aussah! Und dann war der Song ja auch nur eine Coverfassung von Willie Nelson. Und überhaupt. Und dann singt er. Traurig, herzergreifend traurig, gut: kitschig auch, aber eben traurig. Und dann ist er doch always on my mind. Und dann singe ich natürlich spätestens ab dem Refrain mit.
Simone Enseling
Suspicious Minds
1969 hat Elvis nach fast einer Dekade mit zumeist zweitklassigen Kinofilmen von Hollywood die Nase voll und strebt zurück auf die Konzertbühne. „Suspicious Minds“ ist von seinen Comeback-Songs aus dieser Karrierephase der größte und schönste, angeschoben von den „Memphis Horns“ und einem jubilierenden Gospelchor. Elvis schmachtet so verführerisch wie in seinen Glanzzeiten vor dem Wehrdienst und das Mantra des Songs ist zeitlos gültig, weit über Presleys Ableben hinaus: Misstrauen und Verdächtigungen sind ein Gift, das auch der größten Liebe den Garaus macht.
Thorsten Keller
Jailhouse Rock
„Ein perfektes Wunschbild verkommener Jugend, vom Besuch wird abgeraten“ – die katholische Filmkritik wusste schon immer, wie man das Publikum ins Kino treibt, und in diesem Fall hatte sie offenbar auch verstanden, dass Presleys unaufhaltsamer Aufstieg ein Phänomen der Massenmedien Film und Fernsehen war. Wurde der Hüften schwingende Elvis im TV nur von der Gürtellinie aufwärts gezeigt, gab es im Kino den ganzen Kerl zu sehen: 1957 spielte Elvis in „Jailhouse Rock“ einen Totschläger, dessen wahres Talent erst im Gefängnis richtig zur Geltung kommt; die Musicalnummer zum Titelsong wurde rückblickend zur Geburtsstunde des Musikvideos verklärt. Damals war Elvis die Zukunft, ein Zwitter aus Musik und TV. Als er in den 70er Jahren zur Vergangenheit gehörte, machte er sich angeblich einen Spaß daraus, auf Fernseher zu schießen. In Graceland soll es einen TV-Friedhof gegeben haben, lange bevor Elvis selbst dort begraben wurde.
Michael Kohler
Are You Lonesome Tonight
Ein Frühwerk? Ein Alterswerk? Die Entscheidung fällt schwerer als bei jeder Bundestagswahl. Da greifen wird doch einfach zu einem Hauptwerk. Ein Schmachtsong der Extraklasse: „Are You Lonesome Tonight“. Es gibt die vom lachenden Elvis wunderbar dekonstruierte Liveversion (mit Whitney Houstons Mutter Cissy als Background-Sängerin). Aber die seriöse Variante ist doch unschlagbar. Sie liefert all den Schmelz und Schmerz, den er zu geben vermochte. Die Originalversion des Songs von Roy Turk und Lou Handman aus dem Jahre 1926 hat Elvis zuweilen abgewandelt. So sagt er, offenbar Shakespeares „As You Like It“ zitierend, es habe mal einer erklärt, dass die Welt eine Bühne sei und jeder eine Rolle zu spielen habe. Die Rolle, die Presley auf dieser Bühne spielte, war klar – die des King. Und selbst Shakespeare wäre sicher damit einverstanden gewesen.
Martin Oehlen
For the Good Times
Sie kannten sich, sie mochten sich, sie machten gemeinsam Musik: Die US-Musikerlegenden Johnny Cash und Elvis Presley spielten die Hits des jeweils anderen und manchmal auch denselben Song, den andere komponiert hatten. An „For The Good Times“ – geschrieben von Kris Kristofferson – kann man hören, was Elvis ausmachte. Vor allem, wenn man seine Version mit der von Cash vergleicht. Der nahm das Lied über das Ende einer Liebe für seine American-Recordings-Alben in den 1990er nochmal auf. Heraus kam ein musikalisch nüchterner Blick auf eine gescheiterte Beziehung. Ganz anders Elvis: Er legt seine überbordende Trauer, seinen tiefen Schmerz und seine große Leidenschaft in die Stimme. Der Hörer kann nicht anders, er muss mitleiden. Mancher mag das für Kitsch halten, aber das ist Elvis in ganz großer Form.
Wolfgang Wagner