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„Endles Summer Vacation“ von Miley CyrusUmmantelt von weiblicher Selbstbestimmung

Lesezeit 5 Minuten
Miley Cyrus liegt zwischen Glühbirnen auf dem Boden, stützt sich auf ihren Armen ab und schaut lüstern in die Kamera. Es ist eine Szene aus dem Musikvideo zu ihrer neuen Single „River“.

Im Musikvideo von ihrer neuen Single „River“, dem siebten Song auf ihrem neuen Album „Endless Summer Vacation“ zeigt Miley Cyrus, wie sexuelle Freiheit aussehen kann.

Miley Cyrus legt mit „Endless Summer Vacation“ ihr neues Album vor und schreibt über die vielen Arten von weiblicher Selbstbestimmung.

Süßes Pop-Sternchen mit unschuldigem Lächeln und Mähne, trotzige Party-Pop-Göre mit herausgestreckter Zunge und Kurzhaarfrisur, verträumte Country-Sängerin mit sanftem Lächeln und natürlichen Wellen oder hochnäsige Rock-Ikone mit lüsternem Blick und Vokuhila – Miley Cyrus erfindet sich immer wieder neu. Jedes Album, jede Ära, trägt eine andere Farbe, physisch als auch musikalisch, und jede Miley trägt eine andere Frisur, eine andere Attitüde – authentisch ist sie dabei immer, verändert ihren Kern, ihre Eigenart für niemanden außer sich selbst. Sie nimmt kein Blatt vor den Mund, nimmt das Leben nicht zu ernst und hat zu so ziemlich allem etwas zu sagen.

Ihre neueste Verpuppung leitete Cyrus Anfang des Jahres erst mit ihrer Silvester-Party „Neues Jahr, neue Miley“ wortwörtlich und Mitte Januar dann mit der Nummer-1-Single „Flowers“ ein. Der optimistische Pop-Song, der Hörerinnen und Hörer musikalisch in die 80er Jahre zurückversetzt, handelt von Selbstliebe und weiblicher Selbstbestimmung: „Ich kann mir selbst Blumen kaufen“, singt die 30-Jährige mit kehliger Stimme, tanzt im Musikvideo wild mit sich selbst.

Miley Cyrus Single „Flowers“ ging in den USA direkt auf Platz 1 der Charts

„Ich kann mich selbst besser lieben, als du es kannst“, wiederholt die Sängerin immer wieder im Auftakt zu ihrem neuen und achten Studio-Album „Endless Summer Vacation“ ein, das am Freitag erschienen ist. Der Song setzt thematisch einen Schwerpunkt der Platte, auf der Cyrus sehr verletzlich, mal offensichtlich, mal subtil über Weiblichkeit, Selbstreflexion und sexuelle Selbstbestimmung singt. Zwischenzeitlich geht es natürlich auch um Liebe und Herzschmerz.

Cover des Albums „Endless Summer Vacation“ von Miley Cyrus. Die Sängerin hängt an einer Trapezstange in der Luft.

„Endless Summer Vacation“ ist Miley Cyrus achtes Studio-Album.

Das bräuchte es gar nicht unbedingt, sie hat auch so genug zu sagen, aber der Popstar nutzt die in ihrer Musik typischerweise von persönlichen Erfahrungen inspirierte Romantik oder das Fehlen derselben, um immer wieder zum gleichen Ergebnis zu kommen. „Ich kann mich selbst besser lieben“ – sowohl im romantischen, introspektiven Sinne als auch auf sexueller Ebene. Diese Zweiteilung benennt die US-Sängerin als AM- und PM-Teil. Angelehnt an die zeitliche Einteilung im Englischen stehe die erste Hälfte für „den Morgen, an dem es ein Summen, eine Energie und ein Potenzial neuer Möglichkeiten gibt“.

So reflektiert sie Ex-Beziehungen, erinnert sich, wie gut es ist, dass sie geendet haben. Weil beide Personen sich gegenseitig abstumpften („Jaded“) und die Trennung ihr Raum für Reflexion und Wachstum gibt, ihre Stärke zeigt: „Ich habe den Verstand verloren, aber trotzdem bleibe ich dran wie ein rollender Stein, tausend Meilen von allem entfernt“, singt sie in „Thousand Miles“ herrlich sanft im Duett mit Brandi Carlile.

„Endless Summer Vacation“: Miley Cyrus legt achtes Studio-Album vor

„Rose Colored Lenses“ und „You“ hingegen sind klassische Liebeslieder, in denen sie die rosarote Brille nicht absetzen, ihren Sommerurlaub nicht enden lassen, und sich der anderen Person komplett hingeben will. Sich selbst aufzugeben, kommt jedoch nicht infrage. Cyrus will chaotisch, lädiert bleiben: „Lass uns heute Abend eine Hochzeit stürmen und uns unter den Lichtern betrinken. Dann suche ich einen Streit, den ich auf dem Boden deines Zimmers wiedergutmachen kann. Aber nur, wenn es mit dir ist“ („You“).

All diese Lieder erinnern an symbolträchtige Songs der Sängerin wie „The Climb“ (2009) und „Wrecking Ball“ (2013), die bittersüß, theatralisch, reflektierend und optimistisch zugleich sind. Sie zeigen vor allem auch Cyrus Stärke in Balladen, weil ihre tiefe, kräftige Stimme dann besonders gut zur Geltung kommt.

Wild und alles andere als balladig wird es dann mit „Handstand“, dem letzten „AM“-Titel, der so gar nicht auf diese Hälfte passt. Der elektronische Pop-Song, der mit Sicherheit die Geister spalten wird, klingt außerirdisch, nicht wie von dieser Welt. Das scheint passend, angesichts Cyrus' Aussage, dass ihre Bett-Künste kaum zu fassen sind. Musikalisch grenzt der Titel sich jedoch komplett vom restlichen Album ab, setzt einen Cut, bevor mit „River“ der „PM“-Teil eingeleitet wird.

Weibliche Selbstbestimmung als roter Faden

„River“ ist dafür ein perfektes Beispiel, wahrscheinlich deshalb auch die zweite Single des Albums, denn Cyrus nimmt den 80er-Jahre-Sound wieder auf und singt über einen Fluss, der nie endet. Wie ihre Gedanken davon benebelt sind und die Bettlaken von Schweiß durchtränkt sind. „Er ist verdammt schmutzig“, sagt die Sängerin selbst. Ähnlich schmutzige Zeilen schreibt sie auch in „Violet Chemistry“, legt mit dem Bezug zur Farbe Lila, die in der Popkultur häufig für Queerness steht, noch ein Easter Egg.

Diese Hälfte stehe für „eine großartige Zeit, um sich auszuruhen, sich zu erholen oder eben auszugehen und die wilde Seite zu erleben. In L.A. hat die Nacht eine gewisse Energie, bei der man spüren kann, wie Unruhe an die Oberfläche kocht“, so Cyrus. Und so geht es vor allem um eins: sexuelle Freiheit, die wild und spaßig ist und in allen Formen und Farben kommt.

Zum Schluss zeigt Cyrus sich noch einmal mit „Wildcard“ und „Island“ komplett zerbrechlich, singt darüber, sich nicht gut genug und isoliert zu fühlen, bevor sie mit „Wonder Woman“ einen endgültigen Liebesbrief an Frauen schreibt, Szenen schildert, in denen sich viele Frauen wieder finden werden: „Wenn ihre Lieblingsplatte läuft und sie im Dunkeln tanzt, kann sie es nicht verhindern, dass ihre Augen tränen. Sie stellt sicher, dass niemand in der Nähe ist, um zu sehen, wie sie zusammenbricht“

In der herzzerreißenden Ballade singt sie von einer Frau – stellvertretend für alle Frauen – die tausend Leben gelebt und Schmerzen erfahren hat und trotzdem stark geblieben ist. Es ist ein Narrativ, das sich nicht nur durch das Album zieht, sondern auch durch Miley Cyrus' sehr öffentliche Biografie, ihre verschiedenen Transformationen.