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Neuer Spider-Man-FilmWarum „No Way Home“ alle Kassenrekorde bricht

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Zendaya (l.) und Tom Holland in „Spider-Man: No Way Home“  

Los Angeles – Am vergangenen Wochenende machte ein wenige Sekunden kurzes Video auf Twitter die Runde: Es zeigte, wie das Publikum in einem voll besetzen Saal in frenetischen Jubel ausbricht, die Arme gereckt von seinen Sitzen aufspringt, als wäre gerade der entscheidende Treffer im Tor gelandet.

Wir sind hier aber nicht im Stadion, sondern im Kino und auf der Leinwand läuft aber der neue Spider-Man-Film, „No Way Home“. Welcher Moment genau das kollektive Ausflippen ausgelöst hat, kann man nur vermuten. Der Film bietet so einige Enthüllungen, er legt es geradezu darauf an, Zuschauerreaktionen zu provozieren.

Der Jubel lässt sich nun auch beziffern: In den USA spielte „Spider-Man: No Way Home“ an den ersten drei Tagen sagenhafte 253 Millionen Dollar ein (weltweit sind es, laut „Variety“, 587 Millionen). Das ist nicht nur der drittbeste Start der Filmgeschichte, sondern toppt zudem das Gesamteinspielergebnis jedes Filmes, der in den beiden Pandemie-Jahren in den amerikanischen Kinos zu sehen war.

James Bond ist abgeschlagen

Mit anderen Worten: der freundliche Spider-Man aus der Nachbarschaft hat hier in drei Tagen mehr Geld verdient als der internationale Superspion James Bond in den vergangenen zweieinhalb Monaten.

Das ist umso erstaunlicher, als ein Kinobesuch am Herbstanfang noch ungleich sicherer erschien. Die Schlangen vor den Teststationen sind in New York derzeit um einiges länger als die vor den Kinopalästen, in denen „No Way Home“ ausschließlich läuft. Wer den Film sicher zu Hause streamen will, muss sich gedulden. Wie ist es Spider-Man gelungen, an der Kasse solche Superkräfte entwickeln?

Der schwierige dritte Teil

Zunächst einmal erschien das alles andere als selbstverständlich: Wenige Filmreihen erreichen ihren Höhepunkt mit dem dritten Teil (zwei Ausnahmen sind Herr der Ringe mit „Die Rückkehr des Königs“ und der bereits erwähnte Mister Bond mit „Goldfinger“). Und gerade für die Spider-Man-Filme dürfte Teil Drei der Angstgegner sein: Sam Raimi, Regisseur der ersten Trilogie, ließ seinen Hauptdarsteller Tobey Maguire gleich gegen drei Bösewichte antreten und musste sich vom Studio noch einen vierten aufschwatzen lassen. Die Kritiken fielen nicht gut aus und Raimi trat von einem schon geplanten vierten Teil zurück.

Regisseur Marc Webb schaffte es mit Andrew Garfield in der Titelrolle erst gar nicht so weit: „The Amazing Spider-Man 2“ blieb künstlerisch und finanziell derart unter seinen Möglichkeiten, dass sich Sony Pictures entschied, lieber noch ein drittes Mal von vorne anzufangen – diesmal mit Hilfe von Marvel Entertainment.

Disney stritt mit Sony

Diesmal sah es zu Anfang nicht viel besser aus: Die Verhandlungen zwischen Marvel, seinem Mutterunternehmen Disney und Sony über einen dritten Film mit Tom Holland als Spider-Man wurden ergebnislos abgebrochen. Erst ein Entrüstungssturm der Fans und persönliche Anrufe von Holland bei Disney-Boss Bob Iger und Sony-Pictures-Vorstand Tom Rothman brachten die Parteien zurück an einen Tisch.

Ob es an diesen Geschichten lag, dass Hollands drittes Spidey-Opus vom Thema der zweiten, beziehungsweise dritten Chance zusammengehalten wird? „No Way Home“ funktioniert als eine Art Greatest Hits der bisherigen Inkarnationen des Netzschwingers und wie es sich für eine gute Greatest-Hits-Compilation gehört, präsentiert der Film selbst frühere Flops als integralen Teil der Erfolgsstory.

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Wer selbst noch am Kinojubel teilnehmen will, der sollte spätestens an dieser Stelle weggucken. Denn wir haben ja noch nicht über den Film selbst gesprochen und so viel die Marken „Spider-Man“ und „Marvel“ auch zählen, sie sind noch kein Garant für Traumergebnisse.

Spider-Man war schon immer der nahbarste aller Superhelden, ein Junge aus einfachen Verhältnissen, elternlos und in ständigen Geldnöten. Ein Nerd, der nicht nur in der Schule gemobbt wird, sondern auch als Superheld: Die Menschen misstrauen seinem guten Herzen, er ist ein ewig Missverstandener. Ein perfektes Spiegelbild seiner jugendlichen Zielgruppe, bis hin zu dem bedenkenswerten Umstand, dass er unter Zuhilfenahme seiner Handgelenke überallhin eine weiße, klebrige Masse schießt.

Chance zur Wiedergutmachung

Die Handlung des neuen Films ist hanebüchen, aber sie stellt ihre Absurditäten mit so viel Selbstbewusstsein zur Schau, dass nur Spaßbremsen auf ihre etlichen Logiklöcher hinweisen würden. Denn im Prinzip geht es nur darum, noch einmal die besten Bösewichte der bisherigen Filme zu versammeln und auch die drei Spider-Man-Darsteller, um ihnen allen, Superschurken wie -helden, eine Chance zur Wiedergutmachung zu geben: Willem Dafoe darf den Green Goblin endlich ohne starre Maske spielen, Andrew Garfield beweisen, dass er ein fantastischer Spider-Man ist, der nur mit durchschnittlichen Filmen geschlagen war.

Es geht um jugendlichen Überschwang und spätere Erlösung. Und so schenkt „No Way Home“ dem Publikum die beiden Dinge, nach denen es sich seit bald zwei Jahren sehnt. Und vielleicht erklärt sich daraus der erstaunliche Erfolg dieses Films.