Miriana Conte tritt beim ESC in Basel für Malta an. Nach einer Beschwerde der BBC muss sie ihr Lied umschreiben. Wir protestieren.
ESC zensiert MaltaNein, „Kant“ ist kein Song über deutsche Philosophen


Miriana Conte tritt für Malta beim ESC 2025 an
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Die British Broadcasting Corporation hat mit ihrer ehrpusseligen Zensurwut eine Art Negativabzug der Popgeschichte geschrieben. Betrachtet man die Liste der von der BBC verbotenen Lieder, erhält man einen nahezu vollständigen Überblick darüber, was in den vergangenen Jahrzehnten an populärer Musik relevant war. Von Cab Calloways „Minnie the Moocher“ (1931) über „Lucy in the Sky with Diamonds“ (1967) von den Beatles, bis zu Frankie Goes To Hollywoods „Relax“ (1983).
Während des ersten Golfkriegs verbannte die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt sämtliche Songs aus ihren Programmen, deren Texte oder Titel auch nur entfernt an kriegerische Handlungen hätte erinnern können, sogar Abbas grundharmloses Frühwerk „Waterloo“.
Miriana Contes ESC-Lied heißt „Gesang“, auf maltesisch „Kant“
Womit wir beim Eurovision Song Contest wären. Der findet dieses Jahr in Basel statt. Vor ein paar Tagen hat die BBC bei der Europäischen Rundfunkunion EBU – die den ESC ausrichtet – Beschwerde gegen den diesjährigen Beitrag aus Malta eingelegt. Das Lied der jungen Interpretin Miriana Conte heißt, unschuldig genug, „Gesang“, auf Maltesisch „Kant“.
Damit Sie sich jetzt nicht fragen müssen, was die Briten bloß gegen deutsche Philosophen der Aufklärung haben, zitieren wir die Deutsche Presseagentur: „Der Songtitel erinnere stark an das englische Wort ‚cunt‘, ein vulgärer Ausdruck für das weibliche Geschlechtsorgan und eine heftige Beschimpfung.“
Die EBU folgte der britischen Beschwerde: Conte muss sich einen neuen Titel für ihren Song ausdenken und auch den Text abändern. Die Sängerin teilte ihren Frust via Instagram mit ihren Fans, zeigte sich „schockiert und enttäuscht“. Ihr bleibt nur eine Woche, eine entkantete Version ihres Liedes einzureichen. Fairerweise muss man nachreichen, dass die beanstandete Doppelbedeutung kein anglozentrischer Verhörer, sondern exakt so gemeint war.
Sie ist nicht nur ein unglücklicher Zufall, wie etwa damals, als sich die Münchener Freiheit (18. Platz beim ESC 1993) kurzzeitig in „MF“ umbenannte, weil englische Radiojockeys ihren Namen unmöglich aussprechen konnten. Nicht bedenkend, dass „MF“ im anglophonen Raum als Abkürzung für Männer dient, die ihre Mütter ein wenig zu intensiv lieben.
Miriana Conte singt bereits auf Englisch, „Kant“ bleibt das einzig muttersprachliche Wort im Text. „Serving kant“ lautet die betreffende Zeile. So loben Dragqueens Kollegen (oder Kolleginnen), die sich kraftvoll unbeschreiblich weiblich geben. Von wegen heftige Beschimpfung – das ist Popmusik, wie sie sein soll. Außerdem: Die Malteserin nutzt die Mehrdeutigkeit, um auf ihre mächtige Gesangsstimme zu verweisen. Hier meint die Zote also ausnahmsweise den gesitteten Wortsinn. Das müsste doch im Sinne der Anstandsdame BBC sein?
Oder sagen wir es mit Kant, Immanuel: „Auch die Tugenden müssen ihre Grenzen haben.“