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Verkauf an ThaliaNachfolger für Kölner Veedels-Buchhandlungen fehlen

Lesezeit 6 Minuten
Christiane Blut gehört die Buchhandlung Blücherstraße in Nippes.

Christiane Blut gehört die Buchhandlung Blücherstraße in Nippes.

Viele kleine, inhabergeführte Buchhandlungen in Köln müssen schließen oder an den Buchhandlungsriesen Thalia verkaufen. Vor allem fehlt der Nachwuchs.

Sie kennen ihre Kunden oft schon, seit sie im Kinderwagen lagen. Haben sie mit den ersten Bilderbüchern, Flummis und Glitzerstiften versorgt, später dann mit „Bibi und Tina“, den „Drei Fragezeichen“ oder „Harry Potter“. Außerdem gibt es in den Viertels-Buchhandlungen ausgesuchte Literatur auch jenseits der Bestsellerlisten und immer eine persönliche Beratung. Diese kleinen, inhabergeführten Geschäfte sind über Jahrzehnte ganz eng mit ihren Vierteln verwachsen. Und doch müssen auch in Köln immer mehr davon schließen - oder an den Buchhandlungsriesen Thalia verkaufen.

So ging es Axel Stadtländer, der 22 Jahre lang die Bunt-Buchhandlung in Ehrenfeld führte und vergeblich nach einer Nachfolge aus dem unabhängigen Buchhandel gesucht hat. Ende vergangenen Jahres übernahm dann Thalia das Ladenlokal. Zuvor hatte schon die Mayersche einige kleine Kölner Buchhandlungen übernommen, bevor sie mit Thalia fusionierte: 2018 die Deutzer Buchhandlung „KölnBuch“ und die „Buchhandlung am Chlodwigplatz“, zwei Jahre davor die Buchhandlung Köhl in Rodenkirchen.

Kölner Buchhändler: Viel Arbeit und immer weniger Leser

„Es gibt einfach immer weniger Leser“, sagt Axel Stadtländer. Netflix, die sozialen Medien – die Konkurrenz sei groß. Und wie überall steigen die Kosten: Miete, Transport... Dass die Kundschaft zurück gehe, könne man auch an den Kassenbons ablesen - in seinem Ehrenfelder Laden hatte er zum Schluss etwa ein Drittel weniger davon als 2013/2014 - „das waren unsere besten Jahre“.

Aber auch jenseits der schwierigen wirtschaftlichen Situation sei die Suche nach Nachfolgern nicht leicht: „Sie müssen sich im Klaren sein, dass Sie zum Einzelhandelstarif bezahlt werden. Dass Sie in der Regel samstags arbeiten müssen. Und Sie sind mit den Inventurvorbereitungen und mit dem Jahresabschluss beschäftigt, wenn alle anderen Leute zwischen Weihnachten und Neujahr in den Skiurlaub fahren.“

Axel Stadtländer von der Bunt-Buchhandlung.

Axel Stadtländer von der Bunt-Buchhandlung.

„Man arbeitet einfach sehr, sehr viel“ - das sagt auch Susanne Weiß-Margis. Seit 30 Jahren führt sie die Klarenbach-Buchhandlung an der Aachener Straße in Braunsfeld. Ende März wird auch sie ihren Laden schließen - wenn sie nicht doch noch einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin findet. Ihre Eltern haben das Geschäft 1951 eröffnet, schon mit 14 Jahren begann sie dort auszuhelfen. „Es war früher verbreiteter, viel zu lesen. Die Älteren sind noch mit Büchern aufgewachsen“, erzählt sie. Mehrere Generationen hat die 68-Jährige in Braunsfeld mit Lektüre versorgt: „Das sind lange gewachsene Beziehungen. Ich kenne Opa und Oma, Kinder und Kindeskinder. Oft kommt jemand rein und sagt: Sie kennen doch auch Frau Sowieso – was soll ich denn der mal schenken?“ Dieses Vertrauen, das über Jahrzehnte gewachsen ist, das Familiäre, sagt sie, „das ist natürlich das Schöne an dem Beruf“. Und das gehe verloren, wenn die kleinen Läden von einer großen Kette übernommen werden. „So eine inhabergeführte Buchhandlung hat ja ihre eigene Handschrift im Sortiment und eben sehr enge Beziehungen ins Viertel.“

Gerade war eine Vertreterin in der Klarenbach-Buchhandlung, um das Frühjahrsprogramm ihres Verlages vorzustellen, erzählt Susanne Weiß-Margis: „Die war völlig fertig mit der Welt, weil sie in dieser kurzen Frühjahrsreise schon von fünf Schließungen erfahren hat.“

Buchhandlungen sind eng mit den Kölner Vierteln verbunden

Susanne Weiß-Margis ist die Inhaberin der Klarenbach-Buchhandlung.

Susanne Weiß-Margis ist die Inhaberin der Klarenbach-Buchhandlung.

„Das Buch hat einfach nicht mehr den Stellenwert wie früher“, sagt Christiane Blut, die seit 27 Jahren die Buchhandlung Blücherstraße in Köln-Nippes führt und auch überlegt, wie es langfristig mit ihrer Buchhandlung weitergehen wird. „Heute gibt es zum Beispiel viele Leute, die gar kein Bücherregal mehr in der Wohnung haben. Die Grundeinstellung zum Buch hat sich verändert.“

Und auch der Zeitgeist ist ein anderer: Das ganze Geschäft sei viel kurzlebiger geworden – der Bestseller von gestern ist schnell vergessen. Lexika, Wörterbücher seien fast kein Thema mehr. Und selbst die Geschenkartikel verkaufen sich in der Buchhandlung Blücherstraße nicht mehr so gut wie früher. Stattdessen kauften aber viele junge Frauen aufwändig gestaltete Liebesromane, die bei TikTok beworben werden.

Die wirtschaftliche Lage sei nicht das größte Problem, sagt die Nippeser Buchhändlerin – die sei zwar nicht rosig, aber auch nicht katastrophal. „Vor allem ist es schwierig, Personal zu finden – oder eben eine Nachfolge. Wir suchen zum Beispiel gerade dringend einen Buchhändler oder eine Buchhändlerin.“ Wenn Thalia dann ein Geschäft übernehme, hieße es zwar immer: Es bleibt alles wie es ist. „Aber das System ist ja völlig anders. Das ist einfach viel mehr Mainstream. Was wir einkaufen, ist wirklich handverlesen.“

Vor allem ist es schwierig, Personal zu finden – oder eben eine Nachfolge.
Christiane Blut, Buchhandlung Blücherstraße

Axel Stadtländer von der Bunt-Buchhandlung erinnert sich an Zeiten, in denen er mit Bewerbungen überhäuft wurde: „Bis 2006 hatten wir einen Laden in der Ehrenstraße. Und da haben wir im Schnitt 30 bis 40 Bewerbungen für eine Ausbildungsstelle pro Jahr bekommen. Zuletzt war es meistens eine Handvoll. Und davon haben wir dann auch manchmal niemanden eingeladen, weil die von ihrer Qualifikation überhaupt nicht infrage kamen.“

Im Jahr 2000 wurden nach Angaben des Börsenvereins gut 1000 neue Ausbildungsverträge abgeschlossen. 2023 war es nur noch die Hälfte. Zum Glück habe sie gerade eine ganz tolle Auszubildende gefunden, sagt Christiane Blut. Aber die muss nach Düsseldorf zur Berufsschule fahren. „Früher gab es hier gleich um die Ecke an der Berufsschule eine Buchhändlerklasse, zum Teil sogar noch zwei“, erinnert sich die Buchhändlerin. Aber weil die Zahl der Auszubildenden so stark zurückging, wurde die Ausbildung für NRW inzwischen in Düsseldorf konzentriert. Und die Thalia-Azubis werden in Frankfurter am Mediacampus unterrichtet.

Kölner Buchhändlerin: „Ich mache den Beruf seit 48 Jahren“

„Ich mache den Beruf seit 48 Jahren - und ich mache ihn nach wie vor furchtbar gerne. Er ist einfach unheimlich interessant und vielseitig. Man ist mit aktuellen Themen aus der ganzen Welt beschäftigt. Und hat viele gute Gespräche mit Menschen - vor allem auch mit den Stammkunden, zu denen sich auch persönliche Verbindungen entwickelt haben“, sagt Christiane Blut. Dazu komme noch ganz viel Kreatives wie die Gestaltung von Schaufenstern oder Thementischen. Außerdem organisiert sie Veranstaltungen, engagiert sich für die Leseförderung und arbeitet eng mit Kitas und Schulen in der Nachbarschaft zusammen. „Im Laufe der 27 Jahre haben wir ein großes Netzwerk im Stadtteil aufgebaut und unterstützen uns hier alle gegenseitig. “

Und das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum in Köln nicht nur Buchhandlungen schließen oder von Thalia übernommen werden, sondern auch ab und zu sogar neue eröffnen - trotz allem. Seit 2023 gibt es Manulit im Belgischen Viertel, hier wird besonders viel Wert auf die Präsentation der Bücher gelegt. Und im vergangenen Jahr öffnete Litty in der Südstadt, wo sich die Kundschaft auch in zwei Buchclubs austauscht.

„Ich bin immer gerne in meinen Laden gekommen“, sagt Susanne Weiß-Margis von der Klarenbach-Buchhandlung: „Ich habe die Tür aufgesperrt, ich habe Bücher gerochen und war glücklich.“