Fall Julian ReicheltBrisante Vorwürfe gegen Konzernspitze von Axel Springer
Der Fall Julian Reichelt bleibt auch Monate nach dem Skandal um mutmaßlichen Machtmissbrauch im Zusammenhang mit Beziehungen zu Mitarbeiterinnen brisant. Ein Bericht der „Financial Times“ (FT) erhebt nun neue Vorwürfe gegen die Konzernspitze von Axel Springer um Verlagschef Mathias Döpfner.
Die britische Tageszeitung geht darin der Frage nach, wieviel die Verlagsführung im Fall Julian Reichelt zu welchem Zeitpunkt gewusst haben muss. Tatsächlich war ein mutmaßliches Fehlverhalten Reichelts innerhalb des Konzerns – das legt der Bericht nahe – wohl länger bekannt als bisher angenommen.
Die FT beschreibt einen zeitlichen Verlauf des Verhaltens der Konzernspitze rund um die internen Ermittlungen zu den Vorwürfen gegen den ehemaligen Chefredakteur und stellt Bezüge her, ab wann die Führung etwas gewusst haben soll. Laut den Recherchen seien dem Konzern schwere Vorwürfe gegen Reichelt bereits vor der Untersuchung bekannt gewesen.
Die Konzernspitze soll mehr gewusst haben, als das Unternehmen nach außen dargestellt habe. Zudem sollen sich Springer-Chef Mathias Döpfner und Spitzenkräfte während der Ermittlungen und nach deren Abschluss für den Schutz Reichelts eingesetzt haben.
Financial Times erhebt Vorwürfe gegen Verlagschef Mathias Döpfner
Mehr noch: Der Vorstandsvorsitzende Mathias Döpfner soll sogar einen Anwalt mit einer „Gegenuntersuchung“, die sich gegen mutmaßlich Betroffene richtete, beauftragt haben, weil er laut FT mögliche Strippenzieher hinter dem Angriff wähnte.
Ein Sprecher von Springer kommentierte am Dienstag den Zeitungsbericht samt seinen Anschuldigungen nur kurz: „Der Artikel zeichnet ein irreführendes Bild der Compliance-Untersuchung, der daraus gezogenen Konsequenzen, des gesamten Unternehmens und seiner Führung.“
Bericht der „New York Times“ brachte das Fass ins Rollen
Julian Reichelt bestreitet derweil die gegen ihn erhobenen Anschuldigungen weiterhin. Der Konzern hatte ihn Mitte Oktober von seinen Aufgaben an der Spitze von Deutschlands größtem Boulevardblatt entbunden. Im Frühjahr 2021 hatte es bereits eine interne Ermittlungen – die Compliance-Untersuchung – zu Vorwürfen des Machtmissbrauchs im Zusammenhang mit einvernehmlichen Beziehungen zu Mitarbeiterinnen gegeben.
Reichelt hatte zunächst eine zweite Chance bekommen und blieb an der Redaktionsspitze. Als dann Mitte Oktober ein Bericht der „New York Times“ erschien und Presserecherchen des Investigativ-Teams der Ippen-Mediengruppe bekanntwurden, zog Springer einen Schlussstrich.
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Der Medienkonzern hatte das Ende so begründet: „Als Folge von Presserecherchen hatte das Unternehmen in den letzten Tagen neue Erkenntnisse über das aktuelle Verhalten von Julian Reichelt gewonnen. Diesen Informationen ist das Unternehmen nachgegangen. Dabei hat der Vorstand erfahren, dass Julian Reichelt auch nach Abschluss des Compliance-Verfahrens im Frühjahr 2021 Privates und Berufliches nicht klar getrennt und dem Vorstand darüber die Unwahrheit gesagt hat.“ (pst; mit dpa)