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Filmemacher, Autor, KulturkritikerAlexander Kluge wird 90 Jahre alt

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Alexander Kluge     

München – Bei RTL hatte man ihn nicht erwartet, und er passte da auch nicht hin: Aber weil der Privatsender rechtlich gezwungen war, ein Kulturprogramm vorzuhalten, geschah das Unwahrscheinliche: Von 1988 bis 2018 lief im Spätprogramm die von Alexander Kluges Produktionsfirma dctp erstellte Sendung „10 vor 11“, in der Zeitgenossen ihre Auftritte hatten, die man eben mit RTL kaum assoziieren mochte: Heiner Müller, Enzensberger, Sloterdijk, Schlingensief. Als „nützlicher Maulwurf, der den schönen Rasen zerstört“ bezeichnete darob sein Freund Jürgen Habermas Kluge.

Das lässt sich verallgemeinern: Seit er in den 60er Jahren als Filmemacher, als Autor, als Kulturtheoretiker und -kritiker die intellektuelle Bühne betrat, betätigt sich Kluge als Maulwurf der Destruktion – als kritischer Aufklärer und Analytiker schlechter deutscher Befindlichkeiten. Die Großtheorie war allerdings nie seine Sache, er kommt, so Habermas, „auf leisen Sohlen und wartet, bis der Lack abblättert“. Und Kluge, der an diesem Montag in München den 90. Geburtstag feiert, verfiel auch nicht in den Negativismus eines Adorno, der ihn einst – nach dem Jura-, Geschichts- und Kirchenmusikstudium sowie erster Berufspraxis als Rechtsanwalt – zum Erlernen des Filmhandwerks an Fritz Lang verwiesen hatte.

„Es gibt immer Notausgänge“, findet er auch in diesen Tagen noch. Maßgeblich für solche Erkenntnis war ein biografischer Schlüsselmoment: Als 13-Jähriger bei einem Bombenangriff auf die Geburtsstadt Halberstadt verschüttet, habe er im Keller einen Durchgang zu den Nachbarhäusern und damit den Weg ins Freie gefunden.

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Tatsächlich war 1945 der Kairos nicht nur der deutschen, sondern auch in Kluges Lebensgeschichte. Der Zusammenbruch normativer Ordnungen bzw. die teils groteske Koexistenz einander widersprechender Systemimperative in Augenblicken fundamentalen Umbruchs ist ein Thema, das ihn von den frühen „Lebensläufen“ bis zu der Textcollage „30. April 1945“ von 2014 begleitet. Beschreibt er dort etwa den grotesken Versuch eines Berliner Kriminalrats, im Januar 1945 nahe der zusammenbrechenden deutschen Ostfront noch einen Mordfall aufzuklären, so hier besagtes Frühjahr als einen anarchischen Aufbruch mit chaotischen Ungleichzeitigkeiten kommt: Während Wehrmachtoffiziere im Harz noch Volkssturm-Einheiten zum letzten Aufgebot formieren, vergraben andere wendebewusst ihre Parteiabzeichen im Garten.

Eine enge Beziehung verbindet Kluge übrigens mit Gerhard Richter. In zwei Büchern steuerte er zu dessen Fotos Texte bei: „Was er kann, kann ich nicht, wir ergänzen uns.“ Dabei sei der Maler mit den Texten gelegentlich recht radikal umgegangen: „Er zerschnitt sie aus ästhetischen Gründen.“ Umgekehrt wäre das nicht anzuraten: „Seine Werke sind generell etwas teurer.“