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Gastspiel im DepotTanzgenie William Forsythe kehrt mit Hip-Hop zurück nach Köln

Lesezeit 3 Minuten
Kuratiert von William Forsythe und Rauf »Rubberlegz« Yasit
Choreografie und Performance Rauf »Rubberlegz« Yasit, Matt Luck, Riley Watts, Brigel Gjoka, Aidan Carberry und Jordan Johnson (Ja Collective)

Szene aus „Friends of Forsythe“ im Kölner Depot 2.

Eng verhakt, jenseits von Männlichkeitsklischees: „Friends of Forsythe“ im Depot 2.

„Die Zukunft des westlichen Kunsttanzes liegt im Breakdance“ – das soll der schlaueste Prophet unter den Ballett-Choreografen, William Forsythe, schon in den 1990ern erklärt haben. Sicher auch, weil die Polyzentrik des Breakings, dass also Achsen und Schwerpunkte überall im Körper möglich waren, einem gefallen mussten, der selbst die geometrischen Linien der Ballett-Tänzerinnen und -Tänzer ins Schlingern gebracht hatte. Es war also klar, dass die Fusion der Forsythe-Styles mit denen des Urban Dance funktionieren würde. Das neue Stück beweist es: „Friends of Forsythe“.

Klingt, als hätten da ein paar ziemlich geniale Körperpraktiker zusammen abgehangen und irgendwann angefangen zu improvisieren - und offensichtlich konnten sie nicht mehr aufhören, so inspirierend ist die Begegnung. Anfangs liegt im Arbeitslicht des leergeräumten Depot 2 ein Körperknubbel auf dem weißen Tanzteppich. Mit dem Auge ist nicht entwirrbar, welchem Körper, welches Bein, welcher Arm gehört. ‚Touchy‘ bleibt es dann unter den Jungs: In unendlichen Varianten zeigen zwei Tänzer, wo man einen anderen Körper überall anstupsen, halten, ziehen, kurz: in Bewegung bringen kann. Pirouetten an ineinander gehakten Armen wie Kettenglieder, Hebungen mit einem Griff unters Kinn. Dem folgt ein Duo ohne jede Berührung als gemeinsamer Groove durch den Raum: Seite an Seite in leichtfüßiger Forsythe-Eleganz und mit provokanten Blicken zum anderen als ironische Anspielung ans großprotzige Battling beim Hip-Hop.

Nach Frust über die deutsche Kulturpolitik war Forsythe in die USA zurückgekehrt

Die Choreografie stammt von allen Beteiligten. Der mittanzende Rauf „Rubberlegz“ Yasit wird als Kurator genannt, sein Name verortet ihn unverkennbar in der Urban-Dance-Szene. Aber da steht eben auch der klangvolle Name „William Forsythe“. Das allein sorgt für Wow-Gefühle, denn der bald 75-Jährige war nach persönlichen Krisen und wohl auch Frust über die Kulturpolitik in Deutschland in sein Heimatland gegangen, um dort eine Professur für Tanz an der University of Southern California anzutreten. Man fürchtete schon, hier keine neue Arbeit mehr vom Tanzgenie zu sehen und ist nun sehr froh um diese „Friends“, deren Körpern und Stilen er offenbar nicht widerstehen konnte.

So hat Forsythe dem Abend unübersehbar seine Prägung gegeben. Schon mit der nüchternen Arbeitsatmosphäre, in der diese Serie von lässigen, humorvollen, auch zärtlichen Männer-Duos stattfindet. Statt Musik sorgt ein eher unangenehmes Sirren für akustische Abstraktion, sodass keine emotionale Vorgabe diese Interaktionen lenkt, die immer überraschend sind und weder Männer-Klischees bedienen noch Bewegungs-Stereotype. Dafür feiern sie starke Persönlichkeiten mit unglaublicher Körpersensibilität und die Lust am Spiel: die vertrauensvolle Offenheit für einen anderen, die Neugier und so etwas Schlichtes wie Freundlichkeit statt der hysterischen Ego-Inszenierung unserer Zeit. Ein neuer Forsythe und ganz der alte. Ein Glück.

Nächste Vorstellung bei Tanz Köln: 09./10.11. „Fast, Furios & Serios - eine Gala der besonderen Art“ im Staatenhaus