Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

GeburtstagVater, Mutter, Affe, Kind

Lesezeit 3 Minuten

Tarzan (hier gespielt von Christopher Lambert) machte im Buch, im Comic, in Hollywood und im Fernsehen Karriere.

Tarzan: Muskelprotz und Christenmensch

Allein das Wort „Lendenschurz“ genügte, um pubertierende Jungen in den 70er Jahren in schmutziges Gelächter ausbrechen zu lassen. Tarzan, das war schon in den Büchern von Edgar Rice Burroughs ein Freak, der zwar gut aussah, ein reines Herz besaß, aber im Köpfchen nicht der schnellste war – und der eben diesen bescheuerten Schurz trug und sonst höchstens noch ein Messer.

Dabei hatte ihn Burroughs zur Hochzeit des Imperialismus nach dem Muster des edlen Wilden geschaffen – und Tarzan wirkte umso edler, als er weiß war. John Clayton III., Lord Greystoke, wie der Sohn eines englischen Adligen hieß, bevor er von Meuterern an der afrikanischen Küste ausgesetzt wurde, kam als Findelkind Europas zurück zur Natur. Mit ihm nährte Afrika den Imperialismus an der eigenen Brust. Bald würde es mit Tarzan die Einführung der puritanischen Kleinfamilie erleben.

Im Film, der das Tarzan-Bild bald prägte, konnte er nur als Hybrid zwischen Muskelprotz und Christenmensch erscheinen. Voluminös im Äußeren, demütig in der Seele. Selbst wenn der Schurz in den 70ern kürzer wurde: Diese Mischung wirkte immer unzeitgemäßer.

Jane: Trautes Glück im Fetzenkleid

Im Grunde lässt sich die halbe Filmgeschichte auf eine einfache Formel bringen: „Boy meets Girl.“ Oder auch: „Ich Tarzan, du Jane.“ Erst im Spiegel der weit gereisten Jane Porter erkennt sich der Affenmann Tarzan selbst, weshalb der Beginn von „Tarzan the Ape Man“ (1932) auch ganz der von Maureen O'Sullivan gespielten jungen Frau gewidmet ist. Einerseits wirkt die grazile Jane in Afrika so fehl am Platz wie O'Sullivan im Kreise der offensichtlich einer Rückprojektion entstammenden Ureinwohner. Andererseits ist der Urwald für sie genau der richtige Ort, um erst geraubt und dann von der männlichen Wildheit Tarzans aus den Safarischuhen gekippt zu werden.

Ein wenig stand Jane Porter immer im Schatten einer anderen weißen Frau fern der Heimat: Ann Darrow, der hübsche Lockvogel für den 1933 auf die Leinwand gekletterten Riesenaffen King Kong. Ann und Kong, das ist das freudianische Traumpaar, bei dem alles auf tragische Weise zu groß geraten scheint. Jane und Tarzan sind dagegen das amerikanische Vorstadtglück in Lendenschurz und Fetzenkleid; während Fay Wray als Ann ganz Fräulein in Nöten ist, bringt Jane ihrem Tarzan ansatzweise Manieren bei. Natürlich wurde sie gerade durch diese Mischung zum beliebten Pin-up-Girl von nebenan.

Am deutlichsten wird dies in der schamlosen 80er-Jahre-Verfilmung mit Bo Derek, am witzigsten spielt Michel Gondry in „Human Nature“ (2001) mit dem Jane-Klischee.

Cheeta: Ödipus' idealer Sohn

Wenn deine Adoptivmutter eine Äffin ist, liegt es nahe, selbst einen kleinen Schimpansen an Sohnes statt anzunehmen. Tarzan-Erfinder Edgar Rice Burroughs hat freilich nicht daran gedacht. Cheeta, Tarzans befellter Kumpan, ist eine Erfindung Hollywoods, der Affe erscheint das erste Mal 1932 an der Seite Johnny Weissmüllers. Tarzans menschlicher Sohn, Korak, heißt dagegen in den Weissmüller-Filmen schlicht Boy.

Aus unserer kleinen Dschungelfamilie ist Cheeta seitdem nicht mehr wegzudenken. Seine drolligen Auftritte – gespielt von einer Reihe trainierter Tiere – sollen uns von den gefährlichen Abenteuern seines hilfsverblosen Ziehvaters („Ich Tarzan, du Jane“) entspannen. Sie dienen aber auch als stummer Verweis auf das artenübergreifende Drama Tarzans: In Burroughs erstem Dschungelbuch ist es der Affenkönig Kerchak, der Tarzans leiblichen Vater tötet. Als unser Held im Alter von zwölf Jahren die Skelette seiner menschlichen Familie entdeckt, findet er neben ihnen ein Messer. Mit dem tötet er zuerst Tublat, den Mann seiner Adoptivmutter Kala, und dann auch Kerchark. So wird man König des Dschungels.

Tarzans berühmter Schrei ist das Triumphgeheul des doppelten Vatermords. Will der Lianen-Ödipus aus diesem neurotischen Kreislauf ausbrechen, ist Cheeta – und nicht Korak – der ideale Sohn für ihn. So ein netter Kerl kann keinem gefährlich werden. Weissmüller und Co. ahnten ja noch nichts vom „Planet der Affen“.