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Gehörlosen-Projekt in der Comedia„In 80 Tagen um die Welt“, aber diesmal in Gebärdensprache

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Probe zu "In 80 Tagen um die Welt" in der Comedia

Probe zu 'In 80 Tagen um die Welt' in der Comedia

Das Kölner Theater erzählt den bekannten Jules-Verne-Stoff aus der Perspektive von Gehörlosen. Eine Reise ins Unbekannte.

Jules Verne lässt Phileas Fogg bekanntlich in östlicher Richtung die Erde umkreisen, in Holger Schobers Adaption von „In 80 Tagen um die Welt“, die nun in der Kölner Comedia zu sehen ist, nimmt der englische Gentleman aber die entgegengesetzte Route. Per Heißluftballon geht es nach Calais – schon damals streikten die Eisenbahner – und von da aus weiter mit dem Transatlantik-Dampfer nach Amerika.

Für den Richtungswechsel gibt es einen guten Grund. Die Comedia hat sich vorgenommen, eine Produktion aus der Perspektive von Gehörlosen zu erzählen. Wer sich Barrierefreiheit als Ziel setzt, geht auf Abenteuerfahrt, stößt unweigerlich auf etliche Hindernisse, die man zuvor kaum wahrgenommen hat. Ein Lernprozess für alle Mitarbeitenden sei das gewesen, so kann man es auf den Seiten des Zentrums der Kultur für junges Publikum nachlesen, von der Technik über die Dramaturgie bis zur Öffentlichkeitsarbeit.

Rafael-Evitan Grombelka ist mit seinen Händen nicht weniger eloquent als David Nivens Phileas Fogg im Film

Aber die Wette ist gewonnen: Man fand nicht nur mit dem gehörlosen Schauspieler Rafael-Evitan Grombelka einen idealen Phileas Fogg, dessen Hände nicht weniger eloquent, gentlemanlike und leicht neurotisch sprechen als David Niven in der bekanntesten Verfilmung des Stoffes, sondern mit Diana Margolina auch eine weiblichen Passepartout – Angestellte, nicht Dienerin, wie sie immer wieder betont –, die langjährige Erfahrung in einem Theaterprojekt mit hörenden und tauben Menschen mitbringt. Margolinas Übersetzungen in Lautsprache klingen deshalb nie bemüht, sondern treiben die komödiantische Fahrt voran.

Adriane Große, ebenfalls gehörlos, begegnet dem Duo in zahlreichen Kleinstrollen, bis sie als Aouda schließlich zu ihm stößt. Die ist in dieser Fassung keine junge parsische Witwe, die vor dem Scheiterhaufen gerettet werden muss, sondern ein unerschrockener Gehörlosen-Aktivist.

Ach ja, die Richtung: Foggs Dampfer legt in Martha's Vineyard an, der Insel vor Massachusetts, deren eingewanderte Bevölkerung genetisch bedingt einen überdurchschnittlich hohen Anteil an Gehörlosen hatte – was dazu führte, dass hier fast alle eine (heute ausgestorbene) Form von Gebärdensprache beherrschten – was dem fingerfertigen Engländer als geradezu utopische Gesellschaft erscheint. Auf dem Rückweg gen Westen, in Richtung Londoner Club, besuchen Fogg und Passepartout auf Aoudas Anregung den zweiten internationalen Kongress der Gehörlosenpädagogen, der 1880 in Mailand stattfand.

Hier erleben sie ihre einzige Niederlage: Der Kongress stimmt dafür, die Gebärdensprache aus den europäischen Gehörlosenschulen zu verbannen, die Tauben sollen sich gefälligst der hörenden Mehrheit anpassen, ihr von den Lippen lesen und ihre Laute nachsprechen.

Die taube Regisseurin Stephanie Mündel-Möhr hat den entschlackten Roman schnörkellos inszeniert, mit wenigen Projektionen, ein bisschen Dampf und einer Universalkiste, die sich in Ballonkorb, Zugwaggon oder Elefant verwandeln kann (Bühne und Kostüme stammen von Kristina Weber). Die Protagonisten bleiben dabei stets in Bewegung und nie bremst die Botschaft das Spiel aus. Nur die Welt, die sie in 80 Tagen bereisen, ist eben eine ganz andere, still und doch sehr viel beredter.

Termine: 21., 22. Februar; 19., 20., 21., 22. März (jeweils 11 Uhr), Comedia