Verena Altenberger spielt im ARD-Film „Gesicht der Erinnerung“ eine Frau, die ihre verstorbene Jugendliebe in ihrem neuen Freund wiederzuerkennen glaubt.
„Gesicht der Erinnerung“Verena Altenberger glänzt in Film von Dominik Graf
Einen Anzug hat Christina (Verena Altenberger) ihrem Freund Patrick (Alessandro Schuster) gekauft. Doch der gerade 20 Jahre alte Musiker will ihn nicht anziehen – aus verständlichen Gründen. Die Physiotherapeutin, Mitte 30, in die er sich Hals über Kopf verliebt hat, macht ihm Angst. Glaubt sie doch in ihm ihre erste große Liebe Jacob (Florian Stetter) wiederzuerkennen. Nur die Haarfarbe passt noch nicht ganz. Aber das könnte man ja leicht ändern.
Hitchcocks Klassiker „Vertigo“ lässt grüßen. Doch um einen Mord geht es hier nicht. Vor 20 Jahren starb Familienvater Jacob auf dem Weg zu seiner jugendlichen Geliebten bei einem Autounfall. Christina gibt sich die Schuld an seinem Tod. Stabilität ist für sie ein Fremdwort, sie irrlichtert durch die Nächte, versucht durch Therapie und Medikamente irgendwie klarzukommen mit dem Leben.
Alles wiederholt sich
„Ich glaube, alles wiederholt sich“, sagt sie ihrem Therapeuten (Tyron Ricketts). „Was wäre, wenn der Mensch, den man liebt, immer derselbe ist?“ Der Therapeut erklärt ihr das Prinzip der Übertragung, also die Projektion vergangener Ängste und Gefühle auf einen anderen Menschen.
Für Christina klingt das wenig plausibel. Wurde doch Patrick ganz in der Nähe und kurz nach dem Unfalltod von Jacob geboren. In einer Szene sitzt sie mit Patrick im Auto. „Schau nach vorne“, fordert sie ihn auf. „Ich kann nicht, weil du so schön bist“, antwortet der Fahrer. Gegen geschnitten sind Szenen, in denen die junge Christina (Verena Altenbergers jüngere Schwester Judith) exakt diesen Dialog mit Jacob führt. Alles wiederholt sich. Oder passiert das nur in ihrem Kopf?
Regisseur Dominik Graf und Drehbuchautor Norbert Baumgarten lassen die Antwort auf diese Frage bewusst offen. Ist Christina schizophren? Oder kann es so etwas tatsächlichgeben? Eine Liebe, die die Gesetze von Raum und Zeit aus den Angeln hebt? Der Film lässt vieles lange in der Schwebe, in Rückblenden setzt sich nach und nach das Puzzle zusammen, aber ein paar Teile fehlen bis zum Schluss.
Nur die Spinnen hätte es nicht gebraucht
Das alles taucht Hendrik A. Kley in betörende, oft flirrende Bilder. Einzig die vielen Spinnen, die allzu bedeutungsschwanger über Wände und Hände krabbeln, hätte es nicht gebraucht. Die Kamera liebt das Gesicht von Verena Altenberger. Man kann es ihr nicht verübeln. Die österreichische Schauspielerin, bekannt geworden als Kommissarin im „Polizeiruf 110“ und als Buhlschaft in Salzburg, hält den Film zusammen.
„Ich denke nicht. Nie. Ich fühle nur“, schreit Christina Patrick einmal ins Gesicht. Daran zweifelt man keine Sekunde. „Christina ist eine Macht. Sie ist nur leider verrückt“, sagt Patrick irgendwann zu einem Freund. Das fasst es sehr gut zusammen.
In einem deutschen Fernsehfilm, der zur Primetime läuft, erlaubt sich Dominik Graf erstaunlich viele sehr wohltuende Leerstellen. Und am Ende fragt man sich, ob es nicht vielleicht Christina war, die von Anfang begriffen hat, wie die Dinge laufen.
Das Erste zeigt „Gesicht der Erinnerung“ am Mittwoch, 20.15 Uhr. Zudem steht der Film in der ARD-Mediathek.