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Goebbels-Sekretärin im Film: „Nichts haben wir gewusst”

Lesezeit 3 Minuten

München – Brunhilde Pomsel ist eine der letzten Zeitzeuginnen, die das Nazi-Regime als junge Frau miterlebt haben.

Die mittlerweile 105-Jährige war ganz nah dran am Führungskreis des Terrorregimes, das den Holocaust und das Grauen des Zweiten Weltkrieges zu verantworten hat: Als Sekretärin bei NS-Propagandaminister Joseph Goebbels, der in der Vernichtungsmaschinerie der Nazis eine zentrale Rolle spielte.

Von den Grausamkeiten will Pomsel jedoch nichts mitbekommen haben. „Nichts haben wir gewusst, es ist alles schön verschwiegen worden, und das hat funktioniert”, sagt sie im Dokumentarfilm „Ein deutsches Leben”, der am Mittwochabend auf dem Filmfest München Premiere hatte. Erst nach dem Krieg sei ihr das ganze Ausmaß bewusst geworden.

Fast zwei Stunden lang berichtet Pomsel aus ihrem Leben in Berlin, schwarz-weiß vor schwarzem Hintergrund. Ihre Eltern erzogen sie dem Zeitgeist entsprechend streng, „preußisches Pflichtbewusstsein, ein bisschen auch dieses Sich-Unterordnen”. Als junge Sekretärin war sie erst bei einem jüdischen Rechtsanwalt, dann beim Rundfunk und ab 1942 im Propagandaministerium.

Dort habe sie Goebbels als gepflegten und angenehmen, aber auch arroganten Mann erlebt. Im Gegensatz dazu Auftritte wie 1943 im Sportpalast in Berlin, wo er die Masse aufpeitschte mit der Frage „Wollt ihr den totalen Krieg?”. Ein Saal voller rasender Menschen, die nach Einschätzung Pomsels „behext” waren. „Es war ein Naturereignis, die ganze Menge konnte nichts dafür und er selber wahrscheinlich auch nicht.”

Wie geht es ihr heute mit dem Wissen um die Nazi-Gräuel? „Wenn man durch so eine Zeit gegangen ist, (...) und letzten Endes doch nur an sich gedacht hat, da habe ich manchmal ein bisschen schlechtes Gewissen.” Die fünf Jahre russische Gefangenschaft nach dem Krieg empfand sie dennoch als unfair, „weil ich ja nichts getan hatte, als bei Herrn Goebbels getippt, und was dahinter steckte, wusste ich ja alles gar nicht”. Als schuldig sehe sie sich nicht an, es sei denn, man werfe dem ganzen deutschen Volk vor, Hitler zur Macht verholfen zu haben. „Das sind wir alle gewiss gewesen, auch ich.”

Die Wiener Produktionsfirma blackbox hat den Film mit vier Regisseuren realisiert und die in München lebende Pomsel zwei Wochen lang interviewt. Eingestreut sind kurze historische Filmsequenzen sowie Tonaufnahmen auch von Goebbels, die das Entsetzliche mit Bildern und Worten zum Ausdruck bringen. Produzent und Regisseur Christian Krönes sieht den Film als zeithistorisches Dokument, das er vor allem Schulen, aber auch Museen und Bildungseinrichtungen zur Verfügung stellen will - ganz im Sinne von Pomsel. Vor allem junge Menschen sollten den Film sehen, sagte sie bei dessen Premiere.

Zunächst reist „Ein deutsches Leben” zu Festivals nach Jerusalem (7. bis 17. Juli) und nach San Francisco (21. Juli bis 7. August). Voraussichtlich im Herbst soll der Film in den USA ins Kino kommen. Wann er in Deutschland zu sehen ist, steht laut Krönes noch nicht fest. Auf dem Filmfest München lief er nach der Premiere nur noch einmal am Donnerstag. (dpa)