Nach Skandalen und dem letztjährigen Boykott sind die Golden-Globe-Awards in Hollywood wieder salonfähig. Warum eigentlich?
Golden GlobesVielleicht ist diese miese Show doch noch zu retten
Man kann nicht behaupten, dass die 80. Verleihung der Golden-Globe-Awards ein sonderlich lebendiger Abend war. Aber totzukriegen ist der seit seiner Gründung von Skandalen begleitete Film- und Fernsehpreis offenkundig auch nicht. Im letzten Jahr fiel die weltweit übertragene Zeremonie aus, nachdem bekannt geworden war, dass die Organisation hinter den Golden Globes, eine obskure, rund 80 Mitglieder zählende Vereinigung der Auslandspresse in Hollywood (HFPA), ein fast ausschließlich weißer Club ist, der es mit der Einhaltung ethischer Standards nicht gerade übertreibt. Die Ertappten gelobten Besserung, organisierten sich neu, wurden diverser und engagierten den afroamerikanischen Komiker Jerrod Carmichael als Gastgeber.
Die Globes waren in den 60er Jahren schon mal aus dem Programm verschwunden
Diese eher kosmetischen Änderungen genügten, um die Golden Globes in Hollywood wieder salonfähig und fernsehfein zu machen. Sogar Steven Spielberg war in den Ballsaal des Beverly Hilton geeilt, um den Globe für den besten dramatischen Film entgegenzunehmen. Der Hollywoodlegende und seinem Spätwerk „Die Fabelmans“ wären es zu gönnen, sollten sich die Globes tatsächlich als gutes Vorzeichen für die weit bedeutendere Oscar-Verleihung erweisen. Aber auch deren Funktion als sicheres Oscar-Omen gehört eher ins Reich der Mythen.
Wie konnten die berüchtigten Golden Globes nur so erfolgreich werden? Während der mehr als dreistündigen Zeremonie gab es ausreichend Gelegenheit, dieser Frage nachzuhängen. 1968 nahm der Fernsehsender NBC die Verleihung gleich für mehrere Jahre aus dem Programm, weil sich nicht mehr verbergen ließ, dass Nominierungen durch großzügige Lobbyarbeit zu kaufen waren; manche Preisträger sollen mit dem Hinweis auf mögliche Nachrücker zum Kommen überredet worden sein.
Auch nach der Rückkehr der Globes Mitte der 1970er Jahre änderte sich an dieser Praxis wenig. Die Vereinigung der Auslandspresse in Hollywood blieb ein exklusiver Club zum Zweck des einfachen Geldverdienens, mit Mitgliedern, von denen selbst in Fachkreisen niemand gehört hatte.
Man spottete in der Filmwelt über die Globes, ging aber gerne hin, weil es kostenlose Werbung war und die Zeremonie nicht so förmlich und steif ablief wie die Academy-Awards. Über die Branchenwitze des langjährigen Globes-Gastgebers Ricky Gervais konnten sich die angereisten Stars köstlich amüsieren, auch weil an den Saaltischen freigiebig Alkohol ausgeschenkt wurde. Beides wäre bei den Oscars bis heute undenkbar.
Bei der Comeback-Show hatten sich alle so lieb wie bei den Oscars
Bei der aktuellen Comeback-Show hatten sich hingegen alle so lieb wie ansonsten nur bei den Oscars – rechnet man Will Smiths letztjährige Ohrfeige für Chris Rock heraus. Eddie Murphy machte über diesen berühmten Oscar-Vorfall einen eher lahmen Witz, als er den Preis für sein Lebenswerk entgegennahm, und um die Bösartigkeit zu würdigen, die Jerrod Carmichael in einen Spruch über den abwesenden Tom Cruise legte, musste man ein langes Gedächtnis haben.
Er würde die drei Globes, die Cruise aus Protest gegen die mangelnde Diversität der HFPA zurückgegeben hatte, gerne gegen Shelly Miscavige eintauschen, so Carmichael – eine Anspielung auf das ungeklärte Verschwinden der Ehefrau des Scientology-Chefs David Miscavige vor 15 Jahren. Kritiker der Sekte vermuten, dass Miscavige seine Ehefrau töten ließ, das Scientology-Mitglied Cruise gilt als enger Vertrauter seines Sektenführers.
Ansonsten tat Carmichael das, was man von ihm erwarten konnte: Geißelte kurz die allzu weiße Vergangenheit der Globes und leitete dann zum rührenden Teil des Abends über. Ehrlich ergriffen wirkte etwa Ke Huy Quan, ein ehemaliger Kinderstar, der aus Mangel an asiatischen Rollen in Hollywood die Filmwelt verlassen hatte und jetzt, über 25 Jahre später, für „Everything Everywhere All at Once“ als bester Nebendarsteller ausgezeichnet wurde. Auch Angela Bassett dürfte ihre Erfahrungen mit dem „racial profiling“ Hollywoods gemacht haben; ob ausgerechnet der Golden Globe als beste Nebendarstellerin in „Black Panther: Wakanda Forever“ sie damit versöhnt?
Wie schon die letzten Oscar-Verleihungen waren auch die reformierten Golden-Globe-Awards ein kollektives Bekenntnis zu den liberalen Werten Hollywoods, verbunden mit dem Hinweis, dass diese in der Vergangenheit oft genug Minderheiten vorenthalten blieben. Der Fernsehproduzent Ryan Murphy, ein Liebling der Globes, würdigte in seiner Dankesrede einige Mitglieder der queeren Gemeinschaft innerhalb der Industrie, und wer will, kann auch in der Auszeichnung für Michelle Yeoh als beste Hauptdarstellerin (abermals „Everything Everywhere All at Once“) oder den diversen Fernsehpreisen für schwarze Darsteller Zeichen eines überfälligen Wandels erkennen. Wenn selbst die Globes zu einer moralischen Anstalt werden, können noch ganz andere Wunder geschehen.