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Grimme Online Award in Köln verliehen„Gegengewicht zu Populismus“

Lesezeit 3 Minuten
Die Laudatorin Aline Abboud (l) steht bei der Verleihung des Grimme Online Award 2023 mit dem Team von „Schwangerschaftsabbruch in Deutschland“ mit dem Preis in der Kategorie „Information“, mit Mohamed Anvar (l-r), Miriam Lenz und Max Donheiser auf der Bühne.

Die Laudatorin Aline Abboud (l) steht bei der Verleihung des Grimme Online Award 2023 mit dem Team von „Schwangerschaftsabbruch in Deutschland“ mit dem Preis in der Kategorie „Information“, mit Mohamed Anvar (l-r), Miriam Lenz und Max Donheiser auf der Bühne.

Angebote historischer Erinnerung im Netz, tiefgehende Recherchen und ein TikTok-Kanal. So bunt und vielfältig wie das Netz sind die Preisträger.

Intelligent ist nicht, wer Wissen und Wissenschaft möglichst kompliziert und unverständlich präsentiert, sondern wem es gelingt, leicht verständlich und spannend Inhalte aufzubereiten, die uns alle angehen.

Davon zeigte sich Komikerin, Schauspielerin und Aktivistin Enissa Amani am Donnerstagabend bei der Verleihung des Grimme Online Awards in der Flora überzeugt. Und deshalb war sie auch besonders glücklich, als Laudatorin den Publikumspreis an „Doktor Whatson“ zu übergeben, denn Cedric Engels gelinge auf seinem Youtube-Kanal genau das.

Als Laudatorinnen und Laudatoren waren auch „Tagesthemen“-Moderatorin Aline Abboud, Schauspielerin Gisa Flake, die auch die musikalische Gestaltung des Abends übernahm und die Journalisten Hasnain Kazim und Gert Scobel in die Flora gekommen.

Laudatorin Enissa Amani spricht bei der Verleihung des Grimme Online Award

Laudatorin Enissa Amani spricht bei der Verleihung des Grimme Online Award 2023

Ebenfalls ausgezeichnet wurde ein „Scrollytelling“ zu dem geschlossenen Jugendwerkhof Torgau in der DDR, das von der gleichnamigen Gedenkstätte selbst entwickelt wurde. Der Jugendwerkhof war ein besonders brutales Heim, in dem „auffällige“ Kinder und Jugendliche auf Linie gebracht werden sollten. Da wurde es bei der ansonsten meist heiteren Preisverleihung, durch die Moderator Thilo Jahn führte, auch mal emotional.

Geehrt wurde auch eine vom WDR entwickelte App und Website, die auf die 16 000 Stolpersteine in NRW Bezug nimmt. Ebenfalls vom WDR betrieben wird der prämierte Instagram-Kanal „Hand drauf“ mit Information und Unterhaltung für Gehörlose.

Die Vielfalt queeren Lebens

Als drittes Angebot historischer Erinnerung im Netz wurde eine multimediale Dokumentation über queeres Leben von 1900 bis 1950 ausgezeichnet. Auch hier ist der Anbieter eine museale Institution, das NS-Dokumentationszentrum München. Die Online-Ausstellung eröffnet den Nutzerinnen und Nutzern eine verblüffende Vielfalt queeren Lebens in der Zeit des Kaiserreichs und der Weimarer Republik. So gab es in den 1920er Jahren allein in Berlin etwa 80 lesbische Bars und Treffs. Die blühenden Subkulturen wurden dann von den Nazis zerstört.

Die von Correctiv.Lokal erstellte Multimedia-Story „Schwangerschaftsabbruch in Deutschland“ wurde ebenso ausgezeichnet wie die Podcast-Serie „Teurer Wohnen“ vom RBB. Zudem prämierte die Jury zwei Social-Media-Angebote: Ein Award ging an den Tiktok-Kanal „Dein Bruder Stève“ von Stève Hiobi, der als Ein-Mann-Betrieb ohne Redaktion und technischen Support Nachrichten aus und über Afrika verbreitet.

Ebenfalls ausgezeichnet wurde eine Produktion des schweizerischen „Tages-Anzeiger“ (Zürich), die Online-Doku „Das Ende vom ewigen Eis“ über das Abschmelzen des antarktischen Thwaites-Gletschers. Nach Meinung der Jury haben es die Autoren geschafft, ein hochkomplexes naturwissenschaftliches Phänomen in einer zugänglichen Geschichte zu erzählen, die auch Nicht-Wissenschaftler verstehen: „Damit bringen sie ein brisantes und sehr aktuelles Thema aus der Nerd-Ecke in die breite Öffentlichkeit.“

Die Direktorin des Grimme-Instituts, Frauke Gerlach, bilanzierte: „Für unser kulturelles, politisches und gesellschaftliches Miteinander sind hochwertige Angebote, die ein Gegengewicht zu Polarisierung und Populismus bilden, wichtiger denn je.“ (mit dpa)