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Größer, schöner, wichtigerDie Kölner Tanzfaktur eröffnet ihre neue Halle

Lesezeit 2 Minuten

Szene aus Amos Ben-Tals Choreografie „60“

  1. Die neue Werkshalle der Kölner Tanzmanufaktur auf der Siegburger Straße in Deutz wurde jetzt eingeweiht.
  2. Die nagelneue Choreographie „60“ von Amos Ben-Tal ließ seine fünf großartigen Tänzerinnen und Tänzer glänzen.
  3. Unsere Kritik.

Köln – Beherzt trat Bürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes auf das Podium in Form einer Euro-Palette, um beste Wünsche zum fünften Geburtstag für die Tanzfaktur auszusprechen, „Entwicklung“ zu erwähnen und den Willen, dass Köln „wieder Tanzstadt“ werde, was sie ja mal war.

Aus einem Möbelmanufakturgebäude im Hinterhof der Siegburger Straße 233 in Deutz einen gastlichen Kulturort zu machen, in dem Tanz gelehrt wird, Stücke geprobt und aufgeführt werden, das ist tatsächlich eine super Leistung. Und eine Sache des Mutes von Slava Gepner und, damals, Raphael Spiegel.

Zum Jubiläum gab es, wie alle paar Monate, mal wieder eine räumliche Veränderung: Die Werkshalle nebenan, soeben leer geworden und innerhalb von Stunden noch schnell mit einer Seitentür, einem ebenerdigen Tanzboden und Gerüsten für Scheinwerfer versehen, weihten die OFFprojects aus Den Haag ein. Die nagelneue Choreographie „60“ von Amos Ben-Tal ließ seine fünf großartigen Tänzerinnen und Tänzer glänzen.

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Nicht mit showmäßiger Supervirtuosität; eher mit leisem Funkeln, in Edeldämmer getaucht. Gemäß dem Titel geht es um Zeit, 60 Minuten lang. Das einen Tick zu verfrickelte Konzept wird denn auch philosophisch-musikalisch-tänzerisch ausbuchstabiert: das Zählen, Laufen, Ablaufen oder Vorwärtsdrängen, Countdown, Kreisen wie Zeiger, Wiederholen. Was heißt es, mit der Zeit zu gehen oder nicht? In einer eindrücklichen Szene wogt ein Tänzer breitbeinig in der Mitte der Bühne, als schiebe er Wassermassen mit geöffneten Armen und Brustkorb, aber genau im Takt der Gitarrentöne vom Band, der also in Wahrheit ihn schiebt.

Ein anderes Mal tanzen alle plötzlich unisono und verbinden dabei Phrasen zu einen flüssigen Ablauf, die früher im Stück wie beziehungslose Bröckchen wirkten: Hinsetzen mit einem hochgestellten Knie, das Strecken, Heben und Falten der langen Arme und Beine, das Wenden, Pendeln, Klatschen. Im Grunde geht es ums Ordnen, von Gemeinschaft, von Tun, von Raum, von Körpergliedern und Abläufen oder Folgen.

eshalb wohl baut Ben-Tal als sein eigener Musikdesigner die Kunst der Fuge von Bach mit ein. Plus mehrmals in mechanischem Sekundentakt gesprochene englische Sätze mit „it is“ und „it is not“, alle mit demselben Muster von Aussage und Negation. Sie überfrachten „60“ mit der Aufzählung von Ende, Anfang, Angst, Scham, Wettrennen, „race“, Ziel, Stolz, Konfusion, Hoffnung. Das ist es, das ist es nicht, sondern doch etwas anderes, nächstes.

Entsprechend sieht das Tanzen mal zielstrebig aus, mal wacklig-nervös-verloren. So geht Leben. Weiter. Vorbei .

Im Rahmen ihrer Sommerakademie präsentiert die Tanzfaktur bis zum 26. Juli noch vier Gastspiele aus Belgien und Ungarn.