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„Hände hoch – ich bin Achselfetischist“Wie Rainer Brandt die Synchronfassung zur Dada-Kunst veredelte

Lesezeit 4 Minuten
Rainer Brandt erhält am 20.01.2014 in Berlin den Kulturpreis der Boulevardzeitung BZ in der Kategorie «Synchron-Kunst».

Rainer Brandt erhält eine Auszeichnung für seine „Synchron-Kunst“

Mit 88 Jahren starb der deutsche Synchronsprecher und Dialogregisseur Rainer Brandt. Ohne ihn wären Bud Spencer und Terence Hill keine Stars. Ein Nachruf.

In seinen ersten Einsätzen als Synchronsprecher hing Rainer Brandt den Stars, denen er seine Stimmen lieh, noch ganz eng an den Lippen. Ob als Elvis in „Tolle Nächte in Las Vegas“ oder als John Lennon in „Hi-Hi-Hilfe“: es galt das im Original gesprochene Wort und im Zweifel wurde ein Witz, der sich nicht unfallfrei ins Deutsche übertragen ließ, lieber grammatikalisch korrekt begraben. So werden Filme hierzulande bis heute synchronisiert und es ist ein Graus.

Das war mal anders: Ende der 60er Jahre, als im Zuge des Erfolgs von „Easy Rider“ eine Welle trashiger Biker-Filme den Markt flutete, probierte Brandt, Schauspiel-Absolvent der Max-Reinhardt-Schule, zusammen mit Karlheinz Brunnemann in einem Tonstudio in Kleinmachnow etwas Neues aus: Was, wenn man den kalifornischen Motorradhorden jenen Slang in den Mund legte, der in – O-Ton „Spiegel“ von 1971 – „Berlins Diskotheken, Hasch-Läden und Rocker-Treffs“ gesprochen wurde? Dem Kneipenvolk aufs Maul zu schauen, war allerdings nur der erste Schritt, von Film zu Film verselbstständigte sich das „Schnodderdeutsch“ getaufte Idiom, bald nahm es Rainer Brandt mit den Originaldrehbüchern immer weniger genau und die abgelauschten Sprüche schliff er zu kunstvoller Dada-Poesie.

Zog sich eine Szene zu lange hin, setzte Brandt sofort eine seiner Flapsereien drauf

Als das ZDF Rainer Brandt den Auftrag erteilte, die eher dröge britische Krimiserie „The Persuaders!“ mit Tony Curtis und Roger Moore zu synchronisieren, schrieb Brandt – aus Liebe zum von ihm gesprochenen Komödianten Curtis, der sich hier mit zweitklassigem Material verheizen ließ – die Dialoge kurzerhand um. Was als „Die 2“ dabei herauskam, hatte mit dem Original nicht mehr viel zu tun. Das Repertoire der Sätze, die die beiden TV-Ermittler im Englischen von sich geben, ist doch arg begrenzt. Was Brandt daraus machte, war unerhört: „9 mm – wenn man damit einen Fasanen trifft, dürfte der aussehen wie eine Fledermaus nach der Wurmkur“, ließ er Moores Lord Brett Sinclair fachmännisch feststellen.

Zog sich eine Szene zu lange spannungslos hin, oder sah man einen der Darsteller nur von hinten, ergriff Brandt sofort die Gelegenheit, noch eine seiner wild zusammengereimten Flapsereien draufzusetzen. „Du musst jetzt etwas schneller sprechen, Lordchen, sonst bist du nicht mehr synchron!“, ermahnte dann Curtis‘ Danny Wilde seinen adeligen Freund. Damit stieß Brandt beim deutschen Fernsehpublikum auf große Begeisterung. Die Frotzeleien der beiden Hobby-Detektive – „Hände hoch – ich bin Achselfetischist“ – warf man sich am Tag nach der Ausstrahlung im Schulbus an den Kopf.

Deutsche Verleiher schickten im ersten Versuch gefloppte Filme zum Aufpolieren nach Kleinmachnow, am Ende wurde das Material oft umgeschnitten, um besser zur neuen Schnodder-Fassung zu passen, harte Italo-Western verwandelten sich in Laber-Komödien. Es galt nicht nur das Primat der eingedeutschten vor der Originalfassung, sondern auch der Sprache vor dem Bild.

Auch die auf Terence Hills Initiative hin erstellten Brandt’schen Fassungen der beiden frühen Westernkomödien mit Bud Spencer und Hill, „Die rechte und die linke Hand des Teufels“ und „Vier Fäuste für ein Halleluja“ gelten heute als die wirklich gültigen. Die Dialogregie des Berliners verwandelte das italienische Prügelduo in deutsche Superstars, die nie um einen Spruch verlegen waren – „Du siehst gut aus, heute schon gekotzt?“ – und Brandt wurde nicht müde, die Anekdote zu wiederholen, der zufolge Bud Spencer einen Darsteller, der am Ende einer komplizierten Einstellung seinen Text vergessen hatte, mit den Worten beruhigte: „Ist doch scheißegal, das macht der Rainer in Berlin.“

In nur wenig geringerem Maß galt das auch für die Filme von Jean-Paul Belmondo (den Brandt selbst sprach), Louis de Funès, Adriano Celentano und Pierre Richard. In den 1980er Jahren gaben sich die coolsten Kino-Typen wortkarg, in den 70ern klopften sie Rainer-Brandt-Sprüche à la „Sachte, Merkwürden, sonst kannst du morgen früh dein Brötchen aus der Schnabeltasse lutschen“ (Peter Wyngarde in der Synchro-Fassung von „Department S“).

Am 1. August ist Rainer Brandt gestorben. Er wurde 88 Jahre alt. Nachrufen kann man ihm wohl am besten mit den eigenen Worten: „Sleep well in your Bettgestell!“