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„Hannah Arendt“Ein nicht überzeugender Rettungsversuch

Lesezeit 3 Minuten

Barbara Arendt spielt Hannah Arendt.

In Augenblicken der Intimität nennt Hannah Arendt ihren Mann Heinrich Blücher „Stups“. Diese Momente sind rar. Meistens diskutieren die beiden über Politik, im Zwiegespräch, vor allem aber in Gesellschaft intellektueller Freunde, die in der geräumigen, gediegenen Wohnung am Riverside Drive in Manhattan aus und ein gehen: Hannah Arendt ist der Mittelpunkt dieses Zirkels, zu dem der Philosoph Hans Jonas ebenso gehört wie die Journalistin Charlotte Beradt.

Die Weltgeschichte hat sie von Deutschland und Europa aus hierher in dieses New Yorker Apartment gespült, als Emigranten, die vor dem Nationalsozialismus fliehen mussten, und nun will sich Hannah Arendt dem alten Trauma wieder stellen. Sie fährt nach Jerusalem als Beobachterin und Reporterin des Eichmann-Prozesses.

Margarethe von Trotta hat sich der extrem schwierigen Aufgabe gestellt, einen Spielfilm über eine Denkerin zu drehen, die vor allem dieses tut – laut denken. Wir begleiten Hannah Arendt zu Vorlesungen ins New Yorker Brooklyn College, wo die Studenten am Ende der Stunde einen Aschenbecher für die starke Raucherin bereithalten.

Wir wohnen den Diskussionen im Freundeskreis bei, und wir sind auch noch anwesend, wenn sich Hannah und „Stups“ spät abends bei einer letzten Zigarette gegenseitig die Welt erklären. Natürlich ist das alles sehr trocken und theoretisch, und weil sie vielleicht geahnt hat, dass „Hannah Arendt“ eine ziemlich seminaristische Veranstaltung werden könnte, lässt von Trotta ihre Hauptdarstellerin Barbara Sukowa mit großem Nachdruck sprechen. Das verleiht den Debatten einen gewissen Theatereffekt.

Kulissen gegen den Text

Vielleicht haben Intellektuelle in den 50er und frühen 60er Jahren so deklamatorisch gesprochen, vielleicht fängt Sukowa Arendts Wesen ein, und dass die Philosophin ihr Englisch in einen harten deutschen Akzent eingefroren hat, ist verbürgt. Man will Margarethe von Trotta gar nicht die historische Redlichkeit absprechen, und doch ist ihrem Film anzumerken, wie sehr er sich bemüht, der eigenen Thesenhaftigkeit beziehungsweise dem streng geistigen Charakter seiner Titelfigur zu entkommen: Sukowa, vergrübelt hingegossen auf einer Chaiselongue; die junge Arendt beim Techtelmechtel mit dem damals noch bewunderten Heidegger; die Freunde beim ausgelassenen Zuprosten – all das sind Signale, die inmitten der akkurat nachgestellten Szenerie des Arendt’schen Heims und später des Jerusalemer Gerichts fast rührend der Dominanz des Textes entgegenwirken sollen.

Romuald Kamarkar hätte aus dem Stoff vermutlich ein dramaturgisches Kältebad ohne jegliche Kulissen und historische Dekors gemacht.

Dabei vollzieht Margarethe von Trotta recht prägnant nach, welch innere Bewegung ihre Protagonisten zu Zeiten des Jerusalemer Prozesses erschüttert. Einerseits zweifelt sie nicht daran, dass der Leiter des „Judenreferats“ im Reichssicherheitshauptamt, Adolf Eichmann, vor Gericht und verurteilt gehört.

Andererseits reibt sie sich am politischen Charakter des Prozesses, so wie sie zugleich erschüttert ist, was für ein Charakter da auf der Anklagebank sitzt – ein stocksteifes Männchen, das sich stotternd hinter der Pflicht zum Gehorsam verschanzt. Kann man das schreiben, so befragt Arendt ihr Gewissen, ist das Böse banal, und verträgt die Welt ihre Erkenntnisse?

Erschlagen von der dokumentarischen Wucht

Von Trotta hat die Kernszenen des Eichmann-Prozesses nicht nachspielen lassen, sie verwendet das originale Filmmaterial. Dieses ist natürlich schwarz-weiß, und so verfällt der Film auf den Kniff, die nikotinsüchtige Arendt diese Szenen über einen Bildschirm im Raucherraum verfolgen zu lassen. Das ist vielleicht das größte Problem an von Trottas „Hannah Arendt“: Sämtliche Bilder aus dem Eichmann-Prozess entfalten eine so ungeheure dokumentarische Wucht und wecken ein derart gewaltiges historisches Interesse, dass die mit ihnen konfrontierten Spielszenen bieder und nachgestellt wirken.

Es ist unzweifelhaft ein verdienstvolles und ehrenwertes Unterfangen der Regisseurin Margarethe von Trotta und der Kölner Produzentin Bettina Brokemper, Hannah Arendt aus der Vergessenheit befreien zu wollen, in der die Philosophin seit einiger Zeit gelandet ist. Filmisch allerdings kann ihr Rettungsversuch leider nicht ganz überzeugen.