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Hans Rosenthals 100. GeburtstagEr unterhielt die, die ihn vernichten wollten

Lesezeit 6 Minuten
Hans Rosenthal während einer „Dalli-Dalli“-Sendung im Juni 1978.

Hans Rosenthal während einer „Dalli-Dalli“-Sendung im Juni 1978.

Vor 100 Jahren wurde der Entertainer Hans Rosenthal geboren. Seine bewegende Lebensgeschichte wird nun in einem ZDF-Film erzählt. 

Bomberangriffe waren für die meisten Deutschen während des Zweiten Weltkriegs eine Zeit des Schreckens: Angst, Stunden im Bunker, Zerstörung, Tod. Hans Rosenthal erlebte diese Nächte anders: „Das Schönste für mich war, wenn es Luftalarm gab“, schreibt er in seiner Autobiografie „Zwei Leben in Deutschland“. Nur in diesen Stunden konnte er es wagen, sein Versteck in einer Laubenkolonie in Berlin zu verlassen. Dann lag Rosenthal im Gras, schaute in die Sterne und hoffte auf ein anderes Leben. 

Er sollte es leben, dieses andere, zweite Leben. Aber wenn er gewusst hätte, dass er sich insgesamt zwei Jahre verstecken musste, um dem Vernichtungswillen der Nationalsozialisten zu entgehen, hätte er vermutlich nicht durchgehalten, hat er später seinen Kindern erzählt.

Am 2. April ist es 100 Jahre her, dass Hans Günter Rosenthal in Berlin geboren wurde. Und obwohl er schon seit 38 Jahren tot ist, ist der Moderator und Entertainer im kollektiven Gedächtnis der Deutschen weiterhin fest verankert. „Gert, du musst nicht traurig sein, man wird mich schnell vergessen. Quizsendungen kann man, anders als Filme, nicht wiederholen“, sagte Rosenthal kurz vor seinem Krebs-Tod zu seinem Sohn.

Aus dem Schatten in das Licht

Wie sehr er irrte, beweist das Interesse an seinem runden Geburtstag. Das ZDF hat einen Film über ihn mit Florian Lukas in der Hauptrolle gedreht, seine Autobiografie wurde neu aufgelegt. Und am Sonntagabend sprachen seine Kinder Gert und Birgit in der ausverkauften Comedia im Rahmen der lit.Cologne mit Adriana Altaras über sein Leben.

Hans Rosenthal lebte zwei Leben, die unterschiedlicher kaum sein konnten. Als Kind wurde er ausgegrenzt, verfolgt, musste im Schatten leben, um nicht gesehen zu werden. In seinem zweiten Leben war er beliebt, stand im Scheinwerferlicht, wurde geliebt und umjubelt. Über sein erstes Leben wussten bis zu seiner Autobiografie die Wenigsten Bescheid, auch seine Kinder kannten die Details nicht. Und die meisten Deutschen, die er so prächtig unterhielt, wollten gar nicht hören, was er in seiner Jugend erlitten hatte.

Rosenthal wuchs am Prenzlauer Berg in einer jüdischen Familie auf, seine Kindheit war geprägt von der antisemitischen Hetze und Verfolgung der NS-Zeit. Sein Vater Kurt starb 1937 mit gerade einmal 36 Jahren an Nierenversagen, kurz nachdem er als „Nichtarier“ von der Deutschen Bank entlassen worden war. Seine Mutter Else erlag 1941 einem Krebsleiden. Hans und sein sieben Jahre jüngerer Bruder Gert kamen in ein Waisenheim. Dort durfte der Jugendliche nicht bleiben, er musste Zwangsarbeit leisten, unter anderem als Totengräber. 

Im Oktober 1942 wurde sein kleiner Bruder nach Riga deportiert und dort vermutlich sofort ermordet. Hans hatte ihm noch frankierte Postkarten mitgegeben, damit er ihm schreiben konnte. Er hörte nie wieder von ihm. Nur, weil ihm drei Frauen unter Lebensgefahr halfen und ihn in der Laube versteckten, überlebte Hans Rosenthal den Krieg. Mehrfach drohte sein Versteck enttarnt zu werden.

Nach dem Ende des Krieges begann für Rosenthal sein zweites Leben. Wie sein Sohn Gert in Köln erzählte, hatte ihn ein Detektor-Radio in seiner Isolation mit Informationen versorgt. Er hörte die Hetzreden von Goebbels, aber auch die BBC. Für den 20 Jahre alten Hans stand fest: Er geht zum Radio. So begann seine Karriere. Er arbeitete erst beim von den Russen kontrollierten Berliner Rundfunk, wechselte dann zum RIAS. Rosenthal entwickelte mit großem Ehrgeiz und Akribie Quiz- und Unterhaltungsformate, die er häufig zu Hause testete. Mit der Adaption der Hörfunkreihe „Wer fragt, gewinnt“ war er 1955 zum ersten Mal im Fernsehen zu sehen. 

Schnell wurde er bekannt, ab 1971 mache ihn „Dalli Dalli“ endgültig zum Liebling der Deutschen. Sein legendärer Sprung zum Ausruf „Sie sind der Meinung, das war … Spitze!“ ist heute noch vielen in Erinnerung. 

Florian Lukas als Hans Rosenthal in dem ZDF-Film.

Florian Lukas als Hans Rosenthal in dem ZDF-Film.

Rosenthal war ein Quizmaster, der seine Kandidaten nie vorführte, sie gut aussehen lassen wollte. „Er war immer freundlich, auch in seiner Kritik“, erinnerte sich seine Tochter Birgit Hofmann in Köln. „Er hat die Menschen wirklich gemocht.“ Es ist erstaunlich, dass Rosenthal, der jedes Recht und allen Grund gehabt hätte, seinen Landsleuten zu misstrauen, immer noch an das Gute in ihnen glauben konnte und wollte.

Auch wenn er wusste, dass der Antisemitismus auch in der deutschen Nachkriegsgesellschaft tief verwurzelt war, machte Rosenthal aus seinem jüdischen Glauben nie ein Geheimnis. Er engagierte sich im Zentralrat der Juden in Deutschland und in der Jüdischen Gemeinde zu Berlin sowie in diversen sozialen Projekten.

1978, zum 40. Jahrestag der November-Pogrome, war in der Kölner Synagoge eine große Gedenkveranstaltung geplant, auch Bundeskanzler Helmut Schmidt sollte sprechen. Doch das ZDF hatte für diesen 9. November auch die 75. Ausgabe von „Dalli Dalli“ terminiert. Rosenthal bat um eine Verschiebung, er wollte in Köln dabei sein. Der Sender lehnte das ab.

Es ist dieser Konflikt, den der Film „Rosenthal“ in den Mittelpunkt stellt. Florian Lukas, der sich die Mimik, Gestik und Art zu sprechen, perfekt angeeignet hat, arbeitet eindrucksvoll heraus, wie sehr ihn diese Situation belastete. Er sollte am Tag des Gedenkens den fröhlichen Unterhalter für die Deutschen spielen, von denen viele 1938 zugeschaut oder mitgemacht hatten. 

Mit nur 61 Jahren starb er an Krebs

Das ZDF blieb bei seiner Entscheidung. Rosenthal protestierte auf seine Art. Er trug einen schwarzen Anzug, ließ in den Spielpausen Opernmusik statt Schlager spielen und erwähnte explizit das Datum, was er sonst nicht tat.

Selbst diese Erfahrung ließ ihn nicht verbittern, stattdessen entschied er sich, seine Lebensgeschichte öffentlich zu machen. Es ging ihm nie um Rache oder Hass, sondern immer um Verständigung und Dialog in einem Land, das er trotz allem immer noch als sein Vaterland empfand. 

Wie viel er damit erreichte, war ihm vielleicht selbst gar nicht bewusst. Adriana Altaras, die in Köln moderierte, erinnerte sich, wie sie mit ihrer Familie vor „Dalli Dalli“ saß und ihren Vater sagen hörte: „Siehst du, man kann als Jude in Deutschland leben.“ Auch deshalb seien sie geblieben.

Hans Rosenthal starb am 10. Februar 1987 im Alter von 61 Jahren an den Folgen von Magenkrebs. Seinen Kindern gab er eine Botschaft mit auf den Weg, die simpel klingt, es aber aus seinem Mund nicht war: „Man darf sich selbst nie aufgeben.“ Sohn Gert, der den Namen des toten Bruders trägt, berichtete, an Geburtstagen habe sein Vater immer eine kleine Rede gehalten, die er mit den Worten beendete: „Mir geht es gut. Ich bin ein glücklicher Mensch.“


„Rosenthal“ steht in der ZDF-Mediathek zur Ansicht bereit. Am 7. April, 20.15 Uhr, strahlt das ZDF ihn zudem aus. Seine Autobiografie „Zwei Leben in Deutschland: Eine jüdisch-deutsche Geschichte“ ist gerade in einer Neuauflage (Quadriga, 376 Seiten, 23 Euro) mit einem Vorwort von Adriana Altaras erschienen.