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Einmal wie Harry Potter fühlenEin Besuch in der berühmten Winkelgasse

Lesezeit 4 Minuten
Winkelgasse Harry Potter

Die Winkelgasse kennen alle Fans der Potter-Bücher oder Filme.

Orlando – Es ist ein magischer Moment. Ich bin durch die im Zickzack versetzte Lücke in der Backsteinmauer getreten. Jetzt stehe ich in der Winkelgasse. Gaslaternen spiegeln sich im Kopfsteinpflaster. Schmale Häuser bauschen und biegen sich vor und zurück, in ihren Butzenscheiben-Schaufenstern haben sie Wunderdinge versammelt: Schuhu rufende Schnee-Eulen und selbst strickende Pullover, gefräßige Monsterbücher und tanzende Skelette, peruanisches Instant-Finsternispulver, Eiscreme mit Butterbiergeschmack und einen Feuerblitz-Besen fürs Quidditch-Turnier. Fast wäre ich mit einem Zauberer zusammengestoßen, der zischelt etwas unter seinem dunklen Umhang. Hoffentlich keinen Fluch.

Für einen sinnesverwirrenden Augenblick ist die Illusion wirklich perfekt. Das hier ist die Winkelgasse – im Original „Diagon Alley“ –, exakt so, wie sie Joanne K. Rowling in ihren „Harry Potter“-Romanen beschrieben hat. Oder zumindest so, wie man sie sich seit den enorm erfolgreichen Hollywood-Verfilmungen vorstellt. Ich jedenfalls fühle mich, als wäre ich in ein Buch gesprungen und untergetaucht. Die totale Immersion und das ganz ohne VR-Brille oder sonstigen technischen Schnickschnack.

Zucker im Butterbier

Echt ist selbstredend gar nichts in der „Wizarding World of Harry Potter“, angefangen damit, dass sich diese Winkelgasse nicht im Hinterhof eines schäbigen alten Pubs in der Londoner Charing Cross Road befindet, sondern inmitten des Themenparks der Universal Studios in Orlando, Florida. Und ebenso im japanischen Osaka und in den Universal Studios Hollywood. Ach ja, und dann wäre da noch die Warner Bros. Studio Tour London, auch hierfür kann man zwischen Kulissen der Winkelgasse spazieren. Gemeinsam mit vielen tausend anderen Harry-Potter-Enthusiasten. 

Jeder Fan von Harry Potter würde gerne mal am Gleis 9 3/4 einsteigen und mit dem Hogwarts-Express zur Schule für Zauberei und Hexerei fahren.

Weshalb man die Gassen in Orlando und den anderen Vergnügungsparks doch eher als Fußgängerzonen beschreiben müsste, durch die sich die Massen schieben wie an einem Vorweihnachtswochenende in einer deutschen Innenstadt. Und der schäbige alte Pub, der „Tropfende Kessel“, ist hier ein riesiges Selbstbedienungsrestaurant, das selbstverständlich alle hygienischen Bestimmungen erfüllt und Gerichte anbietet, die man in Amerika für typisch englisch hält. Ach ja, und das Butterbier enthält selbstredend keinen Alkohol aber ausreichend Zucker, um den Wochenbedarf eines ausgewachsenen Muggels zu decken.

Ein magischer Moment

Meinen magischen Moment hatte ich, um hier keine allzu hohen Erwartungen zu wecken, während der feierlichen Eröffnung der Winkelgasse. Die anwesenden Stars und Geschäftsleute stürzten sich sogleich auf das üppige Buffet, doch ging man einen Schritt weiter, konnte man für kurze Zeit tatsächlich ganz allein mit den für den Abend engagierten Hexen- und Zaubererstatisten sein. Das bleibt bis auf weiteres den jungen, versenkungswilligen Leserinnen und Lesern vorbehalten. Was auch ganz beruhigend ist, handelt es sich doch um eine vergleichsweise günstige Option.

Denn hier, in Orlando, wird Geld gezaubert, beziehungsweise aus den Portemonnaies der Erziehungsberechtigten fortgezaubert, in magischen Mengen. Die Winkelgasse endet ja nicht umsonst im windschiefen Mammontempel Gringotts, bewacht von einem riesigen Drachen auf seiner Kuppel, der in regelmäßigen Abständen Feuer spuckt.

Mit ganz viel Liebe zum Detail

Aber die Sorgfalt und Detailfreude, die hier bei der besucherfreundlichen Rekonstruktion einer Autorenfantasie verwendet wurde, lohnt dann doch den Besuch. Rowling saß im ersten Stock eines Cafés in Edinburgh und schrieb auf, was sie vor ihrem geistigen Auge sah. Später agierten begabte Kinder wie Daniel Radcliffe und britische Bühnen- und Leinwandstars wie Alan Rickman gemeinsam vor grünen Wänden und mussten die Muskeln ihrer Vorstellungskraft nicht weniger anspannen als zuvor die Autorin.

hogsmeade

Das Dorf Hogsmeade

Dem Themenpark-Touristen aber eröffnet sich die ganze Welt Harry Potters in greifbarer Nähe – von der nachgebauten King’s Cross Station geht es per Hogwarts Express zum Dorf Hogsmeade und natürlich auch zur hochaufragenden Zauberschule selbst. Man kann seinen Zauberstab wählen beziehungsweise sich von diesem auswählen lassen (mit einem interaktiven Zauberstab für 50 US-Dollar lassen sich zahlreiche Schaufensterdekorationen zum Leben erwecken), man duckt sich vor Dementoren, verspeist Schokofrösche, jagt auf Besen Drachen hinterher oder entkommt auf Drachen reitend dem Zorn Voldemorts. Ein großer Spaß, hochauflösender als der neue Fernseher, eine hyperreale Welt, ein farbechter Fiebertraum.

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