Es sind beeindruckende Bilder, die die Dokumentation "Expedition Arktis" direkt vor dem Beginn von "Hart aber Fair" zeigt: Das Forschungsschiff Polarstern lässt sich in der Arktis festfrieren und driftet, fest in einer Eisscholle zugefroren, durch die winterliche Arktis. Genau hier setzt um 22 Uhr die Talkshow an: Sie titelte mit dem - zugegeben wenig originellen - Wortspiel: „Auf dünnem Eis - Wie viel Zeit lässt uns der Klimawandel noch?“
Die Gäste
Ralph Brinkhaus, Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU im Bundestag. Seiner Auffassung nach hat die CDU bereits viel für Klimaschutz getan, Klimaschutz bedürfe zudem auch der Zustimmung der Bevölkerung.
Antje Boetius, Meeresbiologin und Direktorin des Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, hat die Polarstern Arktis-Expedition koordiniert. Sie kritisiert zeitweise die Kleinteiligkeit von einigen Vorschlägen und fordert, mehr auf Vorbilder beispielsweise in der Energiewende zu gucken.
Hannes Jaenicke, Schauspieler, Autor vieler Natur- und Umweltdokumentationen. Er wiederholt in nahezu verzweifelter Manier immer wieder, es werde nicht genug getan für den Klimaschutz.
Carla Reemtsma, Studentin, Klima-Aktivistin und Mitorganisatorin der „Fridays for Future“-Demos, findet, die Zeit für Kompromisse sei vorbei - diesen gebe es bereits mit dem Pariser Klimaabkommen. An diesen Kompromiss, sagt sie, halten sich die Länder leider nicht.
Dirk Spenner, Unternehmer, Chef des Familienunternehmens Spenner Zement, lebt von einem Wirtschaftszweig, der für sehr viel CO2-Emissionen sorgt. Er stimmt damit überein, dass der Klimawandel ein wichtiges Thema ist, dass angegangen werden muss, betont jedoch, dass Klimaschutz mit der Wirtschaft vereinbar sein muss.
Wie und zu welchem Preis bekämpfen wir den Klimawandel?
Diese Frage zog sich durch die gesamte Sendung hindurch. Immerhin war das ob in dieser Diskussion keine Option. „Wir Menschen können nicht behaupten, wir hätten es nicht gewusst – nicht gewusst, dass wir die Erde verheizen“, sagt Plasberg am Anfang der Sendung. Kein Widerspruch. Doch bei der Frage, wie weit man zur Bekämpfung des Klimawandelns gehen sollte, taten sich - wie bei der Gästeliste zu erwarten - Gräben auf.
Denn, auch wenn CDU-Politiker Brinkhaus am Anfang der Sendung betont, mit der Natur könne man nicht verhandeln, spricht er doch gerade davon: Verhandlungen. Brinkhaus will scheinbar sicher stellen, dass alle Bürger sich der Aufgabe Klimaschutz gemeinsam stellen - Nackensteakesser ebenso wie SUV-Fahrer. „Wenn wir es nicht schaffen, diese Leute auch mitzunehmen in dem Kampf gegen den Klimawandel, dann haben wir verloren“, sagt er.
Chinesischer Zement und Deutschlands Vorbildfunktion
Dirk Spenner schiebt den Kampf derweil weg vom Einzelnen auf die globale Ebene. „Klima ist ein globales Phänomen, es wäre zu kurz, wenn wir sagen, wir könnten das in Deutschland alleine retten“, sagt der Unternehmer. Dann schiebt er die Verantwortung weiter bis nach Peking: China stelle ja zum Beispiel auch Zement her und erarbeite sich dabei, ohne starken Rücksicht auf Klimaschutz zu nehmen, Wohlstand. In Deutschland solle man „klug und effizient“ den CO2-Ausstoß mindern und im Ausland als Vorbild dienen.
Wie „klug und effizient“ Deutschland derweil in die Welt hinausstrahlt, kontert Fridays-for-Future-Aktivistin Clara Reemtsma postwendend. Gerade jetzt, fünf Jahre nach dem Pariser Klimaabkommen, sei schließlich die Zeit zum reflektieren angekommen. Deutschland erreicht die Klimaziele nicht - und durch den verspäteten Kohleausstieg rücken die Reemtsma zufolge immer weiter aus dem Greifbaren weg.
„Deutschland bleibt als Land, das eigentlich Vorweggehen will, weit hinter seiner eigenen Verantwortung zurück", betont die Klimaaktivistin. Und überhaupt, findet sie, ist die Zeit der Verhandelns vorbei. Das Klimaabkommen ist schon der Kompromiss. „1,5 Grad – das kann nicht verhandelbar sein“, sagt sie.
Windräder und Korallenriffe
Bei diesen Maßnahmen fangen sich die Gäste dann doch etwas an zu streiten, auch wenn Plasberg mit einigen Fragen immer wieder in die Kiste anderer aktueller Geschehnisse greift. Beim Klimaabkommen wirft er den Namen des gewählten US-Präsidenten Joe Biden in den Raum, an Boetius gewandt springt er kurz zu Corona („Sind Sie neidisch, wenn Sie sehen, wie hier auf die Wissenschaftler gehört werden?“).
Spenner fordert schließlich mehr Windräder und mehr erneuerbare Energien als Infrastruktur für die Wirtschaft. Brinkhaus betont, dass Windräder am Dorfrand eine Belastung darstellen - Meeresbiologin Boetius wirft ein: „Es ist auch eine Belastung, wenn Korallenriffe sterben.“
Immer wieder spricht Brinkhaus von allem, was die CDU seiner Meinung nach im Klimaschutz erreichte - von CO2-Bepreisungen, Nachhaltigkeits-Tagen im Bundestag bis hin zu klimafreundlicheren Heizungen. Entnervt verschränkt Schauspieler Jaenicke bei solchen Aufzählungen die Arme. „Es passiert zu wenig und zu spät“, ruft er. „Wo bleibt zum Beispiel ein Gesetz, dass auf jedes dieser schwachsinniger Flachdächer eine Photovoltaik-Anlage kommt?“
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Doch es ist ausgerechnet Brinkhaus, der sich gegen Ende immerhin in einem Punkt auf die Seite von Klimaaktivistin Reemtsma stellt. Sie betont, dass der Klimaschutz nicht nur Arbeitsplätze „frisst“, sondern auch neue Berufschancen ermögliche. Plasberg unterbricht und sagt, mit Blick auf Autohersteller VW stimme das nicht so ganz: „Nicht innerhalb einer Wahlperiode.“ Das sieht Brinkhaus anders. Klimaschutz, findet er, könne auch ein Erfolgsrezept für Arbeitsplätze sein.