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Kommentar

Hundekot-Eklat um Ballettchef
Die Oper hätte ihm sofort fristlos kündigen müssen

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Lesezeit 3 Minuten
Marco Goecke, Ballettdirektor der Staatsoper Hannover, steht im Foyer der Staatsoper. Er trägt einen hellen Trenchcoat und eine Sonnenbrille.

Marco Goecke, Ballettdirektor der Staatsoper Hannover

Ballettdirektor Marco Goecke hat eine Rezensentin mit Hundekot beschmiert. Die letzte Eskalationsstufe im Streit zwischen Kunstschaffenden und Kritikern.

Marco Goecke, Ballettdirektor am Staatsballett Hannover, hat Wiebke Hüster, einer Kritikerin der „FAZ“, auf der Premiere seines Tanzabends „Glaube – Liebe – Hoffnung“ Hundekot ins Gesicht geschmiert. Die Intendantin der Staatsoper, Laura Berman, erklärte daraufhin, intern arbeitsrechtliche Schritte gegen Goecke zu prüfen. Inzwischen hat sie ihn mit sofortiger Wirkung beurlaubt und Hausverbot erteilt. Angesichts des ungeheuerlichen Vorgangs ist freilich selbst das noch unzureichend. Berman hätte ihrem Ballettchef sofort fristlos kündigen müssen.

Es besteht keinerlei Beratungsbedarf: Diese Attacke ist unverzeihlich.

Ein Verriss von Wiebke Hüster ging Marco Goeckes Attacke voran

Aber sie hat eine Vorgeschichte, oder auch mehrere. Die „FAZ“ hatte am Tag zuvor einen saftigen Verriss Hüsters über eine Arbeit Goeckes für das Nederlands Dans Theater veröffentlicht, sie „eine Blamage und eine Frechheit“ genannt. Das ist starker Tobak, gleichwohl absolut noch im Bereich des Sagbaren.

Der so Geschmähte lauerte der Kritikerin daraufhin in der ersten Pause in Hannover auf, sprach zuerst von Hausverbot und davon, dass sie für Abonnentenkündigungen in Hannover verantwortlich sei – was lächerlich ist – bevor er zum Ekel-Angriff schritt.

Karin Beier, Intendantin des Deutschen Schauspielhauses in Hamburg und ehemals des Schauspiels Köln, hatte vor zwei Jahren in einem Interview den Satz gesagt, Kritiken seien „Scheiße am Ärmel der Kunst“. Das wird ihr dieser Tage noch häufiger vorgehalten werden.

Man kann den Ärger verstehen, aber er gehört nun mal dazu

Selbstredend haben sich Kunstschaffende seit Anbeginn der Zeit über Kunstkritiker ereifert. Das Missverhältnis zwischen einem mit (hoffentlich) viel Herzblut und Hirnschmalz erarbeiteten Abend und seinem vergleichsweise schnell geschriebenen Verriss ist offensichtlich: Man kann den Ärger verstehen. Aber der gehört nun mal dazu, solange zur darstellenden Kunst noch die Öffentlichkeit gehört.

Goecke wird seine Tat als Kurzschlusshandlung darstellen wollen. Aber es ist abseits des Gerichts gar nicht so wichtig, wie lange er zuvor über die Tat gebrütet hat. Es gab einen Punkt, an dem der Choreograf es für die angemessene Reaktion auf eine schlechte Kritik hielt.

Ganz ähnlich wie Stars heutzutage lieber direkt mit ihren Fans via Instagram oder Twitter kommunizieren und so lästigen Nachfragen entgehen, wünscht sich wohl manch Theaterschaffender, in einer geschlossenen Blase mit seiner treuesten Gefolgschaft zu verharren. Unabhängige, professionelle Betrachter stören da nur.

Die Gelegenheit war noch nie so günstig: Der Beruf des Theaterkritikers ist ein aussterbender, das klassische Feuilleton hat seine Lufthoheit längst verloren. Da fällt es umso leichter, nachzutreten.

Man musste jedenfalls nicht lange abwarten, bis aus Karin Beiers kaltschnäuziger Metapher ein justiziabler Vorgang wurde. Gleichwohl bleibt die Scheiße letztlich am Ärmel von Marco Goecke kleben, und da gehört sie auch hin: Wer wird ihn jetzt noch in leitender Funktion engagieren?