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Hein Mulders zum Umzug der Oper„Jetzt bin ich zuversichtlich, dass es wirklich klappt“

Lesezeit 7 Minuten
Hein Mulders trägt einen Pulli und darunter ein Hemd. Er hat einen grau melierten Bart und dunkelgraue Haare.

Hein Mulders, Intendant der Kölner Oper

Im Interview schaut Hein Mulders auf die letzte Spielzeit zurück und erklärt, warum er optimistisch ist, was den Umzug der Oper angeht.

Herr Mulders, eine Kölner Spielzeit haben Sie hinter sich. Wie war die denn so?

Hein Mulders: Es war absolut toll. Und das, obwohl ich eine extrem kurze Vorbereitungszeit hatte. An der Kölner Oper war ja ein Jahr lang praktisch nichts mehr vorbereitend gemacht worden. Für François-Xavier Roth waren zweieinhalb Titel angedacht, aber sonst gab es da nichts. Für „Les Troyens“ hatten wir keine Besetzung. Aber ich bin ja leidenschaftlicher Casting-Direktor, und da habe ich ihm gesagt: Gib mir ein paar Wochen. Das hat dann ja auch geklappt, ich wusste halt, wo ich suchen musste. Aber es musste alles zack, zack rausgehauen werden. Von all dem hat das Publikum aber nichts gemerkt.

Zur kommenden Spielzeit: Sie offerieren ein weitgefächertes Programm vom Frühbarock bis zur Gegenwart mit dem Schwerpunkt 19. Jahrhundert. Zwei Uraufführungen sind dabei: Frank Pescis „The Strangers“ und Ondřej Adámeks „INES“ – was ja den mitunter geäußerten Verdacht, Sie gingen gern auf kulinarische Nummer Sicher, nicht bestätigt…

Mulders: Nun, meine Idee für diese Saison war eigentlich dieselbe wie für die vergangene: große Oper für ein großes Publikum und in diesem Sinne ein breitgefächertes Angebot. Die Uraufführungen hängen natürlich auch mit den spezifischen Interessen von Roth zusammen, der bekanntlich ein Faible für die aktuelle Produktion hat. Er dirigiert ja auch „INES“, eine echte Avantgarde-Musik. Harry Ogg, sein früherer Assistent, dirigiert „The Strangers“, ein historisches Migrantendrama. Ich bin aber auch selber sehr daran interessiert, jedes Jahr eine Uraufführung zu bringen, wie in meiner Amsterdamer Zeit. Das hatte in Essen etwas weniger gut geklappt.

Das Verhältnis des Oper-Intendanten zum Kölner Generalmusikdirektor Roth ist gut

Ihr Verhältnis zu Roth ist offensichtlich sehr gut – was man von dem ihrer Vorgängerin zum GMD nicht sagen konnte…

Mulders: Ja, er ist ein ganz toller Mensch, zugewandt und zugänglich, ein unglaublicher Kommunikator – und ein Star, unterwegs in der ganzen Welt, und insofern ein Glücksfall für Köln…

Nun ja, internationaler Ruhm könnte auch eine Schattenseite haben: dass er am Ort einfach nicht so präsent ist, wie das wünschenswert wäre.

Mulders: Also, wenn er da ist, ist er 200-prozentig da. Und er macht schon sein Pensum. Die Auffassung, der GMD müsse ständig am Ort sein, finde ich, ehrlich gesagt, ein bisschen veraltet: Wenn man einen Künstler von diesem Format zur Verfügung hat, dann muss man hinnehmen, dass er auch schon mal weg ist. Seine Internationalität bringt ja schließlich auch einen großartigen Input nach Köln.

Im Staatenhaus fährt die Kölner Oper einen Stagione-Betrieb mit festen Aufführungszyklen und jeweils einer festen Crew mit starker Beteiligung von Gästen. Sehr ensemblefreundlich ist das nicht, dabei hat die Oper ein gutes Ensemble. Wie sehen Sie das?

Mulders: Ich habe ja beides kennen und zuletzt in Essen ja auch das Repertoiresystem schätzen gelernt. In Köln habe ich erst mal, das ging nach Corona gar nicht anders, das komplette Ensemble übernommen. Jetzt sind ein paar weggegangen oder wurden nicht verlängert, das ist ein normaler Vorgang. Es bleibt aber bei der gleichen Größe, und die „Ensemblefamilie“, die ist schon da. Da ist es eigentlich egal, ob man Stagione oder Repertoire spielt – wichtig ist, dass die Mitglieder interessante Partien bekommen, dass sie nicht rumsitzen. Klar, das ist immer ein Balanceakt, alle Wünsche wird man nicht befriedigen können.

Hein Mulders zum Umzug der Oper zurück zum Offenbachplatz

Trotzdem noch mal gefragt: Wo liegt Ihre Präferenz – bei Stagione oder bei Repertoire?

Mulders: Stagione ist im Prinzip einfacher, weil man immer maßgeschneidert besetzen kann – wie das in der kommenden Spielzeit etwa bei der „Frau ohne Schatten“ der Fall ist.

Und was wird, wenn die Oper wieder an den Offenbachplatz zieht?

Mulders: Wir achten darauf, dass die Planung der Produktionen für Staatenhaus und Riphahn-Oper zu 80 Prozent kompatibel sind – das ist eine gewaltige logistische Herausforderung. Also: Es wird eine vorsichtige Annäherung an den Repertoire-Betrieb geben – mit mehr neuen Titeln und weniger Wiederaufnahmen. Wir werden das peu à peu aufbauen.

Sie waren, was den Umzug anbelangt, lange skeptisch. Jetzt hat die Stadt das Datum der Eröffnung festgesetzt...

Mulders: Ich war am Anfang der ersten Saison skeptisch, aber jetzt bin ich zuversichtlich, dass es wirklich klappt. Ich bin zwar ein Bau-Laie, nehme aber regelmäßig an den einschlägigen Besprechungen teil und kann das, glaube ich, inzwischen einschätzen. Trotzdem: Man muss auf alles vorbereitet sein. Der Umzug ist übrigens nicht ohne, er muss ja bei laufendem Betrieb stattfinden.

Sie haben jetzt ein Jahr Staatenhaus erlebt – also Oper in Räumen, die dafür ganz und gar nicht vorgesehen sind. So eine Erfahrung macht nicht jeder Opernintendant…

Mulders: Na ja, ich konnte mir ja klar machen, was mich in Köln erwartet. Und auf ein Team bauen, das mit der Situation bereits sieben Jahre zu Rande kommen musste. Diese Erfahrungen konnte ich abgreifen. Klar, viele Co-Produktionen gingen angesichts der Raumverhältnisse nicht, andere aber schon, das weiß man dann irgendwann.

Und es war – und ist – doch wahrscheinlich auch für Sie nicht nur eine Notlösung.

Mulders: In der Tat. Das ist ja hier sozusagen eine dauerhafte Ruhrtriennale-Situation: auf Location spielen, schon spannend und inspirierend. Und akustische Probleme verhindern ja nicht großartige Produktionen. Roth fand das hier übrigens auch immer toll, der hat da nicht drunter gelitten. Und ich sage allen, die auf die Wiedereröffnung setzen: Wir machen im Staatenhaus ein Programm, das nicht schlechter ist als das, was wir am Offenbachplatz haben werden.

Die Eröffnungspremiere am Offenbachplatz behält der Intendant für sich

Was wird denn die Eröffnungspremiere am Offenbachplatz sein?

Mulders: (lacht) Das verrate ich nicht. Wir werden übrigens zwei Premieren – am Samstag und am Sonntag – haben. Beide wird Roth machen, in sich schon spektakulär! Das ist dann seine letzte Kölner Saison.

Werden Sie am Offenbachplatz eine besondere Agenda fahren?

Mulders: Ich bin ja nach Köln berufen worden mit dem Auftrag, die internationale Strahlkraft des Opernhauses zu steigern. Das geht im Staatenhaus nur bedingt, weil dort, ich sagte es, viele Co-Produktionen nicht funktionieren. Da gibt es mittlerweile einen Stau an echten Leckerbissen. Die möchte ich in der Riphahn-Oper endlich zeigen.

Mulders, das Genie der Co-Produktion?

Mulders: Nicht unbedingt, aber ich habe halt über die Jahre ein riesiges Netzwerk aufgebaut. Und angesichts der finanziellen Restriktionen ist Co-Produktion natürlich ein Gebot der Stunde. Warum sollen Kölner Opernfreunde nicht spektakuläre Brüsseler oder Londoner Produktionen „bei sich“ sehen, also ohne nach Brüssel oder London fahren zu müssen? Immer alles selbst machen wollen – das befördert nur provinzielles Mittelmaß. So oder so will ich auch bei den jungen Regisseuren und Regisseurinnen neue Farben und Akzente setzen.

Welche?

Mulders: Warten Sie’s ab.

Oper Köln kann sich laut Mulders mit Amsterdam vergleichen lassen

Sind Sie eigentlich mit der Ausstattung Ihres Etats zufrieden? Ihr Vorvorgänger Laufenberg war es definitiv nicht, ihre Vorgängerin Meyer nannte ihn sybillinisch „auskömmlich“.

Mulders: Gut, ich könnte mich auch hinstellen und sagen: Es reicht nicht, und ich brauche dies und das. Was ich gelernt habe: Man muss nicht zu vorsichtig, sondern schon ambitioniert sein, aber auch die Grenzen kennen, kann nicht erträumen, was nicht geht.

Immerhin: für die „Frau ohne Schatten“ haben Sie eine Crew zusammengestellt, die sich mit Amsterdam und Mailand messen lassen kann.

Mulders: Ja, man muss sich das ein- oder zweimal im Jahr leisten – obwohl wir uns mit Amsterdam eigentlich die ganze Saison über vergleichen lassen können.

Wie soll denn das zusammen gehen?

Mulders: Na ja, mit guter Planung. Man muss zum Beispiel schauen, dass man Sängerstars im Aufgang ihrer Karriere bekommt. Und wo man weiß, dass man sie sich in drei, vier Jahren nicht mehr leisten kann.

Welchen Eindruck haben Sie von der Kölner Kulturpolitik mit Bezug auf die Oper? Nähe zur Sache und Unterstützungsbereitschaft oder Gleichgültigkeit und Ignoranz?

Mulders: Im Moment sind alle Repräsentanten sehr positiv und begeistert. Nach einem Jahr ist das, meinem Gefühl nach, schon viel mehr, als ich in Essen über Jahre erlebt habe. Ein Jahr ist für ein abschließendes Urteil natürlich viel zu wenig.

Ihr Spannmann am Kölner Schauspiel wird demnächst Kay Voges sein. Kennen Sie ihn?

Mulders: Vorher nicht wirklich, obwohl wir in Essen und Dortmund Nachbarn waren. Aber jetzt saßen wir zusammen beim Abendessen, und da merkte ich sofort: Auch er ist ein Mensch, der spartenübergreifend denkt und „sein“ Schauspiel nicht abschottet. Da werden wir uns bestimmt finden und Synergien entwickeln.