Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

InterviewJulie Delpy über Humor, Sex und ihren neuen Film

Lesezeit 6 Minuten
Julie Delpy

Regisseurin und Schauspielerin Julie Delpy

  1. „Einige Männer fühlen sich angegriffen”
  2. Die französische Regisseurin Julie Delphy über Humor, Sex und ihren neuen Film

Die französische Regisseurin und Schauspielerin Julie Delpy über Humor, Sex und ihren neuen Film „Lolo - Drei ist einer zu viel”

Frau Delpy, woran liegt es, dass Sie selbst ernsten Themen immer etwas Komisches abgewinnen?

So kann ich besser damit umgehen. Immer wenn ich in meinem Leben mit einem Problem konfrontiert bin, versuche ich, es mit Humor zu lösen. In diesem Film geht es um Frauen Anfang Vierzig, die ihr Leben neu gestalten und sich wieder verlieben. Ich wollte diese Frauenfiguren unbeholfen und witzig zeigen. Sie wirken hart und schroff, benutzen die Männer wie Gebrauchsgegenstände, aber am Ende sind sie ziemlich romantisch.

Können Sie sich damit identifizieren?

Ich bin längst nicht so zynisch, reiße aber gerne Witze darüber. Es kann traurig sein, wenn eine Frau versucht, sich ein neues Leben aufzubauen und ihr Sohn ihr ständig Steine in den Weg legt. Ich wollte das komisch erzählen.

Macht es ihnen Spaß, offen über Sex zu reden?

Ja, das war schon immer der Fall. Ich finde es witzig, in einer absolut unkorrekten Weise über Sex zu sprechen. Die Art, wie die Frauen sich ausdrücken, ist sehr grob und ungehobelt. Sie bringen damit zugleich ihre Haltung zum Ausdruck. Einige Männer fühlen sich dadurch angegriffen, aber das stört mich nicht. Unser Kameramann hat sich beschwert, dass sich die Frauen im Film ständig über Schwanz-Größen unterhalten, was niemanden interessieren würde. Er konnte das nicht ertragen.

Wie reagieren die Frauen darauf? Spielen kulturelle Unterschiede dabei eine Rolle?

Durchaus. In Frankreich ist es einfacher, frei über Sex zu reden. Das heißt aber nicht zwangsläufig, dass die Franzosen häufiger als Amerikaner oder Briten ihre Partner wechseln. Meine amerikanischen und englischen Freundinnen hatten wesentlich mehr Affären als ich, aber sie haben auch früher damit angefangen. In Frankreich wird generell offener über Sex geredet. „Fifty Shades of Grey“ war in vielen Ländern erst ab 18 Jahren freigegeben, aber in Frankreich schon ab 12 Jahren. Sexualität ist in Frankreich kein Tabu-Thema.

Stoßen Sie damit in den USA leichter an die Grenzen?

Nein, in Los Angeles habe ich damit kein Problem. Aber es gibt überall Menschen, die sich aus irgendeinem Grund angegriffen fühlen. Als ich dort meinen Film „2 Tage Paris“ gezeigt habe, ist eine Frau empört aus dem Kino gestürmt und sagte, ich sollte mich schämen. Ich weiß nicht, was sie darin gesehen hat.

Wie halten Sie den Schlankheits- und Jugendwahn in Los Angeles aus?

Einigen Vertretern der Filmbranche gefällt es, dass ich keine Angst habe, mein Alter zu zeigen und mich keinen Schönheitsoperationen unterziehe. Aber ich arbeite eben auch nicht in Hollywood, sondern in der unabhängigen Filmszene. Ich bin längst nicht so dürr wie andere Schauspielerinnen. Ich glaube, ich konnte in Hollywood keine Karriere machen, weil ich ihnen nicht dünn genug war. Schlank zu sein, ist dort ein ausschlaggebender Faktor. Das war für mich immer ein Thema, denn ich war nie richtig dünn.

Möchten Sie denn gerne spindeldürr sein?

Nein, denn ich liebe Essen. Ich werde nicht damit aufhören, um abzunehmen.

Lesen Sie weiter auf der nächsten Seite

Warum sind in Hollywood schlanke Frauen so gefragt?

In Hollywood sind formatierte Menschen mit einem ganz bestimmten Aussehen, Benehmen und Verhalten erwünscht, denn in dort geht es ganz viel um Kontrolle. Wenn jemand genau ihren Vorstellungen entspricht, haben sie das Gefühl, alles unter Kontrolle zu haben. Ich glaube, ich bin dort ein richtiger Störfaktor, aber ich werde trotzdem bleiben.

Vielleicht werden Sie gerade deswegen geschätzt?

Die jungen Frauen in den Filmschulen, die Regisseurinnen werden möchten, mögen mich, weil ich mir die Freiheit nehme, das zu tun, was ich gerne will. Aber ich habe diese Freiheit nur, weil ich meine Filme in Europa finanziere. Viele meiner Freundinnen sind richtig neidisch, dass ich als Französin Geld in Europa bekomme. Sie müssen als Regisseurin mit einem Budget von 300000 Dollar auskommen. Ich weiß nicht, wie sie das anstellen. Ich hatte für „Zwei Tage in Paris“ rund eine Million Euro zur Verfügung und das war recht knapp.

Was hat Sie zu dem Drehbuch zu „Lolo – Drei ist einer zuviel“ inspiriert? Ist das eine Horrorvorstellung oder wünschen Sie sich, dass Ihr Sohn bei Ihnen bleibt?

Wahrscheinlich beides. Mein Sohn ist erst sechseinhalb Jahre alt. Ich möchte am liebsten, dass mein Sohn möglichst jeden Tages seines Lebens mit mir verbringt. Ich weiß aber auch, dass das beste Geschenk für ein Kind die Freiheit ist. Aber an diesen Punkt sind wir noch nicht gekommen, denn zur Zeit ist mein Sohn noch klein. Er schläft bei mir im Bett, wenn mein Freund nicht zuhause ist.

Wie haben Sie die passende Besetzung für Ihren Filmpartner gefunden?

Als ich mit dem Drehbuchschreiben begann, musste ich an Dany Boon denken. Ich brauchte einen Schauspieler, der ein vereinnahmendes Talent besitzt, sich sehr naiv geben kann und anziehend auf Frauen wirkt. Außerdem ist er ein großartiger Schauspieler, der ein perfektes Gespür für komödiantisches Timing besitzt, denn in diesem Film gibt es viele Szenen mit Slap-Stick Comedy-Elementen und Dialogwitz. Sein Agent hat mir abgewinkt, aber ich hatte ihn weiterhin im Kopf, als ich diesen Part ausgearbeitet habe. Er verkörpert genau das, was ich mir für diese Rolle vorgestellt habe.

War es schwierig, den richtigen Gegenspieler für Dany Boon zu finden?

Ich habe dafür nach einer gegensätzlichen Figur gesucht. Dany Boon kommt aus dem Mainstream-Bereich, während Vincent Lacoste ein cooler junger Typ aus der Independent-Szene ist. Ich bürste die Charaktere gerne gegen den Strich.

Wie konnten Sie Carl Lagerfeld für einen Cameo-Auftritt gewinnen?

Carl ist eine Ikone der Modewelt und obendrein extrem beschäftigt. Es war nicht einfach, ihn zu bekommen, zumal er sich nicht gerne in U-Bahnen aufhält, aber das Drehbuch hat ihn überzeugt. Es gibt viele Filme, die in der Modebranche spielen, aber die meisten sind völlig übertrieben.

Wie streng sind Sie als Regisseurin, wenn Sie Ihre eigene Leistung als Schauspielerin beurteilen?

Ich weiß genau, wenn ich nicht gut bin und zu weit gehe. Ich betrachte mich selbst nicht kritischer als die anderen Schauspieler, sondern ich bin eher realistisch.

Schauen Sie sich mitunter Ihre alten Filme mit Krzysztof Kielowski an?

Nein, es war zwar eine ganz großartige Zusammenarbeit mit Krzysztof Kieślowski und ich habe viel von ihm gelernt, aber die Vergangenheit interessiert mich nicht. Ich habe auch in meinem Haus keine Fotos von mir. Ich mag keine Bilder als Dekoration an den Wänden, sondern ziehe eher eine einfache Einrichtung vor. Allerdings liegt bei uns überall das Spielzeug meines Sohnes herum.

Das Gespräch führte Birgit Heidsiek