AboAbonnieren

Interview mit Madhusree Dutta„In Köln macht jeder sein eigenes Ding“

Lesezeit 4 Minuten

Aus einer Ausstellung der Akademie-Projektreihe „Perverse Decolonization“.

KölnFrau Dutta, als Sie ihre Stelle als Leiterin der Kölner Akademie der Künste der Welt antraten, behielten Sie sich vor, Ende dieses Jahres wieder zu gehen. Jetzt haben Sie Ihren Vertrag bis 2021 verlängert. Warum?

Als ich nach Köln kam, bot mir der Aufsichtsrat der Akademie einen Vertrag über zwei Jahre an. Aber ich war mir nicht sicher, ob ich leisten könnte, was man von mir erwartet. Es gab damals viele Kontroversen um die Akademie, die ganze Situation war nicht sehr angenehm. Mittlerweile kann ich jedoch sagen: Das erste Jahr war sehr gut. Unser Programm wurde akzeptiert, die Besuchszahlen sind gut und auch die Resonanz der Presse. Ich hatte zudem ermunternde Gespräche mit Politik und Verwaltung. Als ich dann das Angebot erhielt, meinen Vertrag zu verlängern, entschied ich mich dafür.

Die Stadt hatte 40 Prozent der Zuschüsse gekürzt. Wie steht es jetzt um das Budget der Akademie?

Wir haben für das Jahr 2019 einen Großteil des gekürzten Budgets zurückerhalten, es fehlen noch 15 Prozent zum alten Stand. Danach wird neu verhandelt. Das ist in Ordnung so.

Sie können damit arbeiten?

Ja, unbedingt. Geld ist immer ein großes Thema, aber nicht das einzige. Für die Arbeit braucht man auch Menschen, die an dich glauben, und man braucht Ideen. Ich bleibe also nicht, weil das Geld teilweise zurückkommt, sondern weil ich das Gefühl habe, dass ich der Stadt etwas zurückgeben kann.

Zur Person

Madhusree Dutta, geboren 1959 in Jamshepur/Jharkhand (Indien), leitet seit März 2018 die Kölner Akademie der Künste der Welt und hat ihren Vertrag kürzlich verlängert. Die Filmemacherin, Kuratorin und Autorin lebt in Köln und Mumbai. (ksta)

Wie ist Ihr Eindruck von Köln?

Es gibt hier sehr viele Energiepunkte, politische und kulturelle, aber sie sind nicht verbunden. Jeder macht sein Ding. Vielleicht kann ich helfen, die Energien zu bündeln, weil ich von außen komme. Wir sind eine Akademie, was manchmal schwierig ist, weil wir viele Dinge auf einmal sind: Schule, Kunsthalle, Gesprächsforum, politische Bewegung und anderes mehr. Deshalb ist es sehr wichtig für uns, mit vielen Menschen zu sprechen und dabei zu helfen, dass sie zusammenfinden. Das sehe ich als meine Aufgabe.

Ein Beispiel?

2019 eröffnen wir ein Traumprojekt, die „Memory Stations“. Wir laden Menschen ein, uns aus ihrem Leben oder dem Leben ihrer Verwandten zu erzählen. Es geht um Geschichten und Geschichte. Nicht die Geschichte, die mit Kriegen, Gesetzen und Bauwerken geschrieben wird. Sondern um die kleinen Begebenheiten: etwas Neues lernen, etwas verlieren, das Kochrezept, das man von der Mutter bekam, die Bilder aus dem Familienalbum. Das ist für mich Geschichte, und wir schaffen ein öffentliches Archiv dafür. Für dieses Projekt arbeiten wir mit vielen Kölner Institutionen – großen und kleinen – zusammen, die alle ihr eigenes Publikum vor Ort, in der Nachbarschaft haben. Es ist ein sehr romantisches, ein utopisches Projekt.

Wer kommt zu Ihren Veranstaltungen?

Wir haben ein sehr junges Publikum, das leicht Anschluss an unsere Ideen findet. Aber es ist schwierig für uns, mit migrantischen oder postmigrantischen Gemeinschaften in Kontakt zu kommen. Unser Academyspace liegt in einer sehr bürgerlichen Wohngegend – warum sollte jemand hierher kommen? Deswegen gehen wir mit unseren Projekten auf Wanderschaft. Aber auch dadurch werden wir niemals ein subkultureller Ort oder eine Nachbarschaftsinitiative. Wir sind nun einmal eine Akademie. Wir können höchstens Ideen und Konzepte liefern, die dann in Zusammenarbeit mit anderen etwas bewegen.

Was hoffen Sie in den nächsten zwei Jahren zu erreichen?

Ich möchte die Institution stabilisieren. Wir haben in den vergangenen Jahren viele Festivalprogramme gemacht, vielleicht sollten wir uns jetzt mehr darauf konzentrieren, ein Ort des Austausches zu sein. Ein Ort, an dem Menschen Anregungen und Unterstützung finden. Im Moment haben wir leider zwei Räume, wo wir nicht wirklich hingehören; unser Büro im Mediapark ist wie ein Fremdkörper. Ich hätte lieber Räume an Orten, die von Bedeutung sind, denn ich möchte, dass die Akademie von Bedeutung ist.

Wo wäre das denn?

Vielleicht in Kalk, vielleicht in Mülheim. Dort ist etwas in Bewegung, und ich möchte Teil dieser Bewegung sein. Aber angesichts der Lage am Immobilienmarkt ist das wohl Wunschdenken.