Warum Joey seinen Youtube-Kanal trotz Millionen Abonnenten aufgab und sich jetzt erstmal neu sortieren will.
Joey's JungleKölner Youtube-Star auf der Suche nach sich selbst
Joey hat die „dümmsten Sommer-Spielzeuge aller Zeiten“ getestet, er hat den „Frozen“-Song auf Sächsisch gesungen, einen XXL Schokokuss gebacken, sich schminken lassen und peinliche Songs gesungen – was man eben so macht als Youtuber. Elf Millionen Mal wurden die „dümmsten Sommer-Spielzeuge“ aufgerufen und „Joey's Jungle“, der Kanal des 28-jährigen Kölners, hat immer noch mehr als zwei Millionen Abonnenten, obwohl er das letzte Video vor fast einem Jahr veröffentlicht hat.
Kurz davor hatte er noch in einem Video Weihnachts-Fanpost ausgepackt – lustig und krawallig wie immer. Dabei muss es ihm da schon ziemlich schlecht gegangen sein. Denn im nächsten Video sehen wir Joey, die Youtube-Spaßgranate, traurig an einem grauen Strand. Während die Wellen sich brechen, erzählt er von dem tiefen Loch, in das er gefallen ist: „Ich bin nicht mehr Joey's Jungle. Ich bin schon lange jemand anderes und ich möchte herausfinden, wer dieser jemand ist.“
Ein Jahr später sitzt Joey in einem Café in Köln Nippes. Eine Antwort, sagt er, hat er noch nicht gefunden: „Weil ich immer noch mitten in diesem Prozess stecke und versuche, mir die Zeit zu nehmen.“ Endlich: Zeit. Nachdem er fast zehn Jahre lang in seinem persönlichen Hamsterrad durchgedreht ist. „Ich habe mich so verrückt gemacht und wirklich nie irgendwas ausfallen lassen. Und wenn doch, dann habe ich mir den Stress des Todes gemacht, sodass dann die Woche darauf wieder was kam, das doppelt so krass sein musste.“ Irgendwann ging nichts mehr: Nervenzusammenbrüche. Erschöpfung, Migräne- und Panikattacken. Während Millionen Kids auf das nächste lustige Joey-Video warteten.
„Das einzige, was ich sicher sagen kann, ist: Joey's Jungle, wie man ihn damals von Youtube kannte, ist vorbei“, sagt er heute. Der Plan ist erstmal Herunterfahren. Zu sich selbst finden. Höchstens mal ein paar Urlaubsbilder posten, Mexiko, Israel, Thailand. Und den Podcast aufnehmen, den er seit dem vergangenen Sommer zusammen mit Schauspielerin und Youtuberin Julia Beautx macht. „Ich wollte schön langsam und strukturiert wieder einsteigen, dass ich gar nicht die Möglichkeit habe, mich zu sehr reinzusteigern.“ Ein Podcast sei dafür ideal gewesen, schließlich habe er sowas noch nie gemacht: „Also gibt es quasi keine Erwartungen, die ich erfüllen muss.“
Ein typischer lustiger Laberpodcast ist „Die Nervigen“ – aber manchmal auch mit Tiefgang, einfach, wie es sich im Gespräch mit Julia Beautx ergibt. Die hat schon früher in vielen seiner Videos mitgemacht und ist inzwischen eine gute Freundin. „Meine nachdenkliche Seite habe ich auf Youtube nie gezeigt. Und im Podcast haben wir schon über meine Essstörung gesprochen oder darüber, wie schwierig das am Anfang war, mit meiner Homosexualität klarzukommen.“
Es hat viel mit der Geschichte von „Joey's Jungle“ zu tun, dass er so lange mit seiner Sexualität gehadert hat, glaubt er. Joey, der eigentlich Josef Buchholz heißt, kommt aus einem Dorf in Thüringen. Ein „sehr homophobes Umfeld“ sei das gewesen: „Ich habe mich so unglaublich doll dafür geschämt, dass ich schwul bin.“ 2021 dann hat er sich in einem Video geoutet. „Das war für mich der wichtigste Moment, seitdem ich angefangen habe, in der Öffentlichkeit zu stehen.“ Rückblickend wahrscheinlich sogar das heimliche Ziel seiner ganzen Youtube-Karriere.
Vor Youtube, erzählt er, sei er ganz anders gewesen: „Ich hatte wenig Freunde. Ich war sehr, sehr schüchtern und zurückhaltend und ich hatte Angst davor, wie die Leute reagieren würden, wenn sie mein wahres Ich kennenlernen.“ Sein Erfolg machte ihn selbstbewusster und offener: „Weil ich gemerkt habe: Die Leute haben gar nichts dagegen. Die finden das im Gegenteil sogar toll, dass ich so bin, wie ich bin.“
Auch deswegen bleibt „Joey's Jungle“ für ihn immer noch etwas Positives – trotz der krankmachenden Stress-Spirale, die der Kanal für ihn am Ende war. Zugrunde liegt dem ein System, das hungrig nach immer mehr Content ist. Und gerade am Anfang seiner Youtuber-Karriere schaffte Joey es nicht, diesem System Grenzen zu setzen: „Man hat den Content Creatoren eingeredet: Ihr müsst so viel rausballern wie überhaupt geht und am besten gar nicht schlafen. Inzwischen glaube ich aber, dass viele Plattformen verstanden haben, dass mentale Gesundheit auch ein Thema ist und dass das auch nicht sehr nachhaltig war.“ Kurz bevor er ausstieg habe ihm sogar jemand von Youtube gesagt, seine mentale Gesundheit sei wichtiger als die Videos abzuliefern.
Sein Kanal ist jetzt also Geschichte – sein Perfektionismus und seine Ansprüche an sich noch nicht: „Das ist immer noch eine Riesen-Sache, an der ich arbeite. Das liegt ganz, ganz tief. Es fällt mir immer noch sehr schwer, zu sagen: So, jetzt nehme ich mir Zeit für mich und ruhe mich einfach mal aus. Ich denke immer sehr viel darüber nach, was andere wollen. Und so kam es wahrscheinlich auch, dass ich mich mit Youtube so übernommen habe.“
Spielzeuge testen, verrückte Essens-Experimente oder Challenges – wenn es nach Joeys Abonnenten ginge, hätte es wahrscheinlich noch ewig so weiter gehen können. Aber mit 28 fühlt sich das nicht mehr nach ihm selbst an, sagt Joey. Als er anfing, regelmäßig Youtube-Videos hochzuladen, war er 19. „Da habe ich noch witzige Challenges mit meiner Schwester gedreht, die damals gerade so Teenager war. Natürlich hat das 'nen Haufen Spaß gemacht, aber als sich das etabliert hatte, habe ich mich so gefühlt, als wäre ich verpflichtet, diese Art von Videos weiterzumachen.“ Und so steckte er in seinem Erfolgsmodell fest, anstatt auch auf Youtube, wie im analogen Leben, erwachsen(er) zu werden.
Joey hat jetzt keine Angst mehr, über seine Ängste, seine Therapien, seine Probleme zu sprechen. Das alles hat jetzt einen Platz in seinem Leben – aber das heißt nicht, dass Lustig sein keinen Platz mehr hat: „Es macht mir immer noch sehr großen Spaß, Leute zum Lachen zu bringen.“ Und Youtube sei für ihn immer noch „die coolste Plattform – weil man so viele Möglichkeiten hat, sein ganz eigenes Ding zu kreieren. Ich würde mich sehr freuen, irgendwann wieder zurückzukommen.“ Wenn er herausgefunden hat, was das heute sein könnte – sein ganz eigenes Ding.