- Recherchenetzwerke stehen für einen Trend im Journalismus.
- Jüngstes Beispiel sind die Enthüllungen rund um die "Panama Papers".
Köln – 2,6 Terabyte Daten, 11,5 Millionen Dokumente, 214 000 Briefkastenfirmen – seit Bekanntwerden der „Panama Papers“ wird die „Süddeutsche Zeitung“ nicht müde, diese Zahlen zu nennen. Eine solche Masse an Daten kann eine Zeitung allein niemals bewältigen, selbst wenn sie für das Projekt Journalisten über Monate freistellt.
Deshalb suchte die „Süddeutsche“ Partner für ihre Recherchen. Und so ist die Geschichte der „Panama Papers“ unabhängig von allen politischen und juristischen Folgen auch eine Geschichte über einen Trend im Journalismus, der an Bedeutung gewinnt. Recherchenetzwerke sind eine Reaktion auf die zunehmend vernetzte Welt und auf die Frage, wie investigativer Journalismus auch in wirtschaftlich angespannten Zeiten möglich sein kann. Wir stellen eine Auswahl vor.
Rechercheverbund NDR, WDR und „Süddeutsche Zeitung“
Diesen Rechercheverbund, geleitet vom ehemaligen „Spiegel“-Chefredakteur Georg Mascolo, gibt es seit Anfang 2014. Mit den „Panama Papers“ ist ihm sein bisher größter Scoop gelungen. Auch der Besuch bei dem ehemaligen US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden in Moskau und die sogenannten Offshore-Leaks-Berichte zu den Auslandsgeschäften der chinesischen Führung sorgten für Schlagzeilen.
Doch der Zusammenschluss der öffentlich-rechtlichen Sender und der „SZ“ steht seit Beginn in der Kritik. Zwar betonen die Beteiligten, es gebe keinen gemeinsamen Etat, keine förmliche Vereinbarung und Mascolo sei gegenüber seinen Kollegen nicht weisungsbefugt. Doch das überzeugt viele nicht. Die Kritiker, darunter der Verband Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT), sagen, der Verbund verzerrte den privaten Wettbewerb zugunsten der „SZ“. Denn auch wenn diese kein Geld von ihren durch Rundfunkbeiträge finanzierten Partnern erhält, ist etwa der Zugriff auf das große Korrespondentennetz ein wertvoller Vorteil, und die prominenten Nennung in ARD-Sendungen wie der „Tagesschau“ ist kostenlose Werbung. Wie groß die Marktmacht dieses Zusammenschlusses ist, zeigen aktuell die „Panama Papers“. Da wurde parallel zur Veröffentlichung durch die „SZ“ bei Anne Will zum Thema getalkt und auch die entsprechende Doku war schon vorbereitet.
In dem im Februar vom NRW-Landtag verabschiedeten WDR-Gesetz wird nun erstmals auch die Kooperationen des WDR mit „Dritten“ geregelt. Darin heißt es, der WDR müsse bei solchen Kooperationen den Zielen der Meinungsvielfalt Rechnung tragen und diskriminierungsfrei vorgehen. Der WDR muss dazu Richtlinien erlassen. Kritiker sagen, durch die Aufnahme ins WDR-Gesetz seien solche Zusammenschlüsse nun endgültig legitimiert.
International Consortium of Investigative Journalists
Die „SZ“ kooperierte bei ihren Recherchen mit dem „International Consortium of Investigative Journalists“ (ICIJ), das seinen Sitz in Washington hat. Das weltweit tätige ICIJ konzentriert sich auf investigativen Journalismus. Das Büro wurde 2014 bekannt durch die „Luxemburg-Leaks“ über geheime Steuerdeals von rund 350 globalen Unternehmen mit dem Staat Luxemburg. Auch bei Recherchen zu den „Swiss Leaks“ vergangenes Jahr war der Verband beteiligt. Damals ging es um Geheimkonten von Regierungsmitgliedern repressiver Staaten wie etwa Syrien bei der Schweizer HSBC Private Bank. Das war das bisher größte Datenleck. Das „ICIJ“ wurde 1997 von dem amerikanischen Journalisten Chuck Lewis ins Leben gerufen. Es versteht sich als gemeinnützige Organisation und stellt seine Rechercheergebnisse und Datenbanken kostenlos zur Verfügung. Das Projekt wird von Spenden finanziert. Unter den Großspendern sind nach Angaben des Verbandes die amerikanische Ford Stiftung, das „Pulitzer Zentrum für Krisenberichterstattung“ und der australische Internet-Unternehmer Graeme Wood.
Corrective
Bekanntestes deutsches Recherchenetzwerk ist Corrective. Es definiert sich als „gemeinnützig, unabhängig und investigativ." 2014 gegründet soll Corrective „Recherchen für die Gesellschaft“ liefern. „Wir sind unabhängig von politischen Interessen und wirtschaftlichen Einflüssen“, sagt Geschäftsführer David Schraven. Die gemeinnützige GmbH darf keine Profite machen und muss ihr ganzes Vermögen für den Aufbau von correctiv.org einsetzen. Neben einem Team aus Journalisten von Häusern wie „Spiegel“ und „FAZ“ gibt es einen Aufsichts- und einen Ethikrat. Finanziert wird das mit dem Grimme Online Award ausgezeichnete Netzwerk durch Zuwendungen gemeinnütziger Stiftungen sowie durch Mitgliedsbeiträge und Spenden der Leser. Ihre Rechercheergebnisse stellen die Journalisten auch Medienhäusern zur Verfügung. Die bisher weitreichendste Recherche betraf die Hintergründe des Absturzes der MH 17 über der Ostukraine.
European Investigative Collaboration
Im März hat der „Spiegel“ mit acht weiteren Redaktionen die European Investigative Collaboration (EIC), ein neues journalistisches Recherche-Netzwerk, gegründet. Zu den Partnern des EIC gehören „Der Falter“ (Österreich), „El Mundo“ (Spanien), „L'Espresso“ (Italien) und „Le Soir“ (Belgien). Die erste gemeinsam recherchierte Geschichte widmete sich dem internationalen Handel mit gebrauchten Schusswaffen und der Herkunft jener Waffen, die bei den islamistischen Anschlägen im vergangenen Jahr, etwa in Paris und Kopenhagen, verwendet wurden.