AboAbonnieren

Kay VogesDas denken Kollegen, Konkurrenten und Kritiker vom neuen Kölner Schauspiel-Chef

Lesezeit 4 Minuten
Kay Voges, damals designierter Direktor am Volkstheater Wien, nimmt im Rahmen der Vorstellung der "Neuen Intendanz für das Volkstheater" an einer Pressekonferenz teil.

Kay Voges, designierter Intendant des Kölner Schauspiels

Ab der Spielzeit 2025/26 soll Kay Voges das Schauspiel Köln leiten. Sein Einstieg ins Theaterleben verlief eher ungewöhnlich.

Björn Gabriel ist voll des Lobes für Kay Voges. Der Kölner Schauspieler, Regisseur und künstlerische Leiter der Theatergruppe Trafique hat zehn Jahre lang als einer der wichtigsten Protagonisten des Ensembles mit dem damaligen Dortmunder Intendanten zusammengearbeitet. Für Köln sei Voges, so Gabriel, „eine unheimlich gute Wahl“.

Zur Spielzeit 2025/26 soll Kay Voges – derzeit leitet er das Volkstheater in Wien – die Intendanz des Schauspiels Köln übernehmen. Das hatte der „Kölner Stadt-Anzeiger“ am Samstag aus gut informierten Kreisen erfahren. Sein Vertrag soll vom 1. September 2025 bis zum 31. August 2030 gehen.

Am Montag muss der Kölner Hauptausschuss Kay Voges noch bestätigen

Am Montag wird der 1972 in Düsseldorf geborene und in Krefeld aufgewachsene Theater- und Opernregisseur im Hauptausschuss den Parteien als Wunschkandidat von Oberbürgermeisterin Henriette Reker und der Findungskommission vorgeschlagen, bestätigen die Ausschussmitglieder die Wahl, folgt dann am Dienstag eine Pressekonferenz, auf der Voges der Kölner Öffentlichkeit vorgestellt wird.

Voges stand wohl bereits 2019 zur Diskussion für die Nachfolge Stefan Bachmanns. Damals entschied sich die Stadt jedoch für den nahezu unbekannten Carl Philip von Maldeghem, der sich nur acht Tage später nach lautstarken Protesten aus Kulturszene und Bürgerschaft zurückzog.

Björn Gabriel beschreibt Kay Voges als einen Theatermacher, „immer über den eigenen Tellerrand hinausschaut, der den Mut hat, bekannte Pfade zu verlassen, um eine zeitgenössische Ästhetik zu entwickeln“. Das habe in Dortmund so gut funktioniert, weil Voges ein echter, uneigennütziger Teamarbeiter sei, einer, der zu wirklichen Interaktionen bereit sei, bei denen dann auch „die Funken sprühen“: „Das gemeinschaftliche Denken kann Kay unheimlich gut.“

Interaktionen, bei denen die Funken sprühen

Das zuerst kritische Dortmunder Publikum habe Voges mitgenommen, indem er in den ersten Jahren nach fast jeder Vorstellung Gespräche ansetzt hat, „bei denen nicht von der Kante gepredigt wurde“ und gründete einen Sprechchor aus Dortmunder Bürgern. Auch mit den Gewerken, sagt Gabriel, sei man eng zusammengewachsen, das ganze Haus sei „ein gesundes Biotop“ gewesen. Mit Teilen des Ensembles zog Voges 2020 als Direktor ans Wiener Volkstheater, das er 2025 in Richtung Köln verlassen wird.

Auch die Intendanten-Kollegen begrüßen die Wahl: „Ich freue mich für Kay Voges und über die Entscheidung und wünsche ihm viel Glück in Köln“, sagt Stefan Bachmann. Der langjährige Kölner Schauspiel-Chef wechselt zur Spielzeit 2024/25 an das Wiener Burgtheater. Rafael Sanchez, der das Schauspiel Köln nach Bachmanns Weggang für ein Jahr interimistisch leiten wird, ergänzt: „Das ist eine sehr gute Wahl für Köln.“

Und Wilfried Schulz, Generalintendant Düsseldorfer Schauspielhaus, fügt Gratulation und Glückwünschen eine Hoffnung an: „Bislang hatten wir eine enge und sehr produktive Zusammenarbeit mit dem Kölner Schauspiel. Ich hoffe und würde mich freuen, wenn diese sich in Zukunft fortsetzt.“

Es gab durchaus auch Kandidatinnen für das Kölner Schauspiel

Mit etwas gebremsten Enthusiasmus beurteilt die renommierte Kölner Theaterkritikerin Dorothea Marcus die Wahl: Es sei schade, dass es weder eine Frau noch ein Theaterkollektiv geworden sind. Sie wisse von einigen Mitkandidatinnen, die sie noch lieber an der Spitze des Kölner Schauspiels gesehen hätte. Unter anderem sollen die in Köln bestens bekannte Pınar Karabulut und Anna Bergmann im Gespräch gewesen sein.

Andererseits, so Marcus, sei Voges ein künstlerisch spannender Kandidat, der ziemlich gut zu Köln zu passen scheine. „Bequem und leicht zugänglich wird es allerdings nicht unbedingt. In Dortmund hat Voges eine digitale Revolution des Theaters begonnen, die durchaus auch manchen schockiert oder abgeschreckt hat.“

Allerdings denke sie immer noch gerne an Voges grandiose Inszenierung „Die Borderline Prozession“ zurück, die in ihrer Zeit als Jurorin des Theatertreffens nach Berlin eingeladen worden war: „Eine fantastische Untersuchung über das menschliche Bewusstsein mitten in der größten Umwälzung seit der Erfindung des Buchdrucks.“ In Dortmund hatte Voges die Akademie für Theater und Digitalität mitgegründet, ein weltweit einmaliges Modellprojekt.

Vielleicht rührt Voges multimediale Innovationswut von seiner eher untypischen Theaterlaufbahn her: Bevor er in den 1990ern zuerst an den Vereinigten Bühnen Krefeld/Mönchengladbach hospitierte und anschließend am Theater Oberhausen Regieassistent wurde, missionierte er für eine evangelikale Pfingstgemeinde auf der Straße, probierte sich als Rockmusiker, Maler, Fotograf und Filmer aus, brach ein Soziologiestudium ab, arbeitete als Heimerzieher, Filmvorführer und Aufnahmeleiter.

In Oberhausen stieg Voges zum Leiter der Kammerspielbühne auf, gründete die Jugendbühne „Theater im Pott“ und etablierte sich zugleich als Regisseur, inszenierte unter anderem in Bonn, Dresden, Frankfurt und Stuttgart, später am Deutschen Schauspielhaus Hamburg, an der Wiener Burg und am Berliner Ensemble. 2013 wagte er sich an seine erste Oper („Tannhäuser“) und erntete zwei Jahre später prompt den ersten Opernskandal, als die Hannoveraner CDU-Fraktion „hartes Durchgreifen“ gegen seinen radikal dekonstruierten „Freischütz“ forderte.

Ob er sich in Köln auch in der Oper versuchen wird? Die steht dann wieder nebenan, ab Herbst 2024 sollen die Kölner Bühnen am Offenbachplatz spielen. Falls auch dieser Termin platzt, bringt Kay Voges immerhin einiges an Umbauerfahrung mit: Das Dortmunder Schauspielhaus wurde von 2015 bis 2017 saniert, die Ausweichspielstätte „Megastore“ hatte den Theatermacher damals zu neuen künstlerischen Höhen inspiriert.