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Interview mit Leonardo DiCaprio„Kein einziger Tag ohne Frieren“

Lesezeit 5 Minuten

Leonardo DiCaprio als Trapper Hugh Glass in einer Szene des Films „The Revenant - Der Rückkehrer“.

Die Drehmonate für den Film „The Revenant“ waren hart, sehr hart. Wie sehr Schauspieler Leonardo DiCaprio gelitten hat und wie er nun auf die Tage zurückblickt, erzählt er im Interview.

Mister DiCaprio, woher kommt Ihr Hang zu diesen unglaublich düsteren, anstrengenden Rollen, die Sie in letzter Zeit spielen?

Wenn ich das wüsste. Es würde mich nicht wundern, wenn sich das alles auf meine deutsche Großmutter zurückführen ließe. Die war in ihrem Leben auf jeden Fall immer richtig hart im Nehmen. Aber wissen Sie was? Mit meinen früheren Rollen würde ich „The Revenant“ wirklich nicht vergleichen. Einige von denen waren hart. Aber das hier war die härteste von allen.

War das der Grund, warum Sie sie spielen wollten?

Zunächst einmal war das für mich wie ein Science-Fiction-Film. Unsere Geschichte handelt zwar von einem realen Mann und spielt im 19. Jahrhundert, aber in einer Gegend, über die es kaum historische Aufzeichnungen gibt.

Das war damals ein vollkommen unerschlossenes Gebiet, wild wie das Amazonas-Delta. Und in dieser Welt erzählen wir nun eine Geschichte darüber, wie weit der menschliche Geist gehen kann, wenn er mit aller Macht und gegen alle Widerstände ums Überleben kämpft.

Wussten Sie denn worauf Sie sich einlassen?

Na ja, mir war schon klar, dass Alejandro González Iñárritu, der Regisseur, aus der Sache kein Kinderspiel machen würde. Wenn es bei ihm um Natur geht, dann ist auch klar, dass man als Schauspieler wirklich raus muss, statt gemütlich im Studio zu bleiben. Ich wusste also, dass ich mich den Elementen aussetzen muss. Aber was mich erwartete, war doch noch mal um einiges schwieriger als das, was ich mir ausgemalt hatte.

Wieso?

Zum einen dauerten die Dreharbeiten ewig. Zwei Monate verbrachten wir allein damit, alle Szenen durchzuplanen und zu proben. Außerdem wollte Alejandro nur mit natürlichem Licht drehen – und die idealen Bedingungen gab es jeden Tag nur für zwei Stunden. So etwas hatte ich noch nie erlebt.

Ganz zu schweigen davon, dass wir meistens fernab jeglicher Zivilisation gedreht haben, weswegen immer erst einmal die gesamte Ausrüstung durch Wald und Wiesen transportiert werden musste.

Und dazu kam das Wetter, oder?

Das war auf jeden Fall das Schwierigste, in jeder Hinsicht. Manchmal war es so kalt, dass die Kameras nicht funktionierten. Aber die Dreharbeiten dauerten so lange, dass irgendwann der Frühling kam.

Es war in Kanada das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen, also fing plötzlich der Schnee an zu schmelzen. Für einige Szenen mussten wir deswegen den kompletten Dreh ans andere Ende der Welt verlegen und im verschneiten Süden von Argentinien zu Ende drehen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie sehr DiCaprio zeitweise mit sich gerungen hat...

Kann man sich überhaupt noch aufs Spielen konzentrieren, wenn man so fürchterlich friert?

Ich glaube, es gab wirklich keinen einzigen Tag, an dem ich nicht gefroren habe. Und nirgends schlimmer als an den Händen. Aber genau das sollte ja am Ende auch auf der Leinwand zu sehen sein, schließlich ging es meiner Figur nicht anders.

Überhaupt ist das meiste, was der Zuschauer zu sehen bekommt, auch so beim Dreh passiert. Die einzige Ausnahme sind ein paar CGI-Effekte, wenn es um die Tiere ging. Szenen wie die, in der mich der Bär angreift, hätte man natürlich nicht anders drehen können. Alles andere ist aber wirklich echt.

Für mich ist der Film deswegen beinahe reinster Neo-Realismus. Nur dass Alejandro gleichzeitig ein unglaubliches visuelles und stilistisches Konzept für den Film entwickelt hat. Seine Kamera ist eine gleichzeitig voyeuristische, die ganz nah an den kleinsten Details der Figuren dran ist und trotzdem auch die überwältigenden Landschaften einfängt.

Gab es Momente, in denen Sie das Gefühl hatten, Sie können nicht mehr?

Ich glaube, jeder der an dem Film Beteiligten hatte dieses Gefühl während der Dreharbeiten immer wieder mal.

Zwischen Iñárritu und Tom Hardy sollen ganz schön die Fetzen geflogen sein ...

Dazu müssen Sie ihn fragen. Aber Tom ist als Schauspieler ein unglaublich intensiver, instinktiver und animalischer Typ, der sich mit Haut und Haar auf seine Rollen einlässt. Für mich ist er einer der besten Schauspieler unserer Zeit. Ich kannte ihn von unserer gemeinsamen Arbeit bei „Inception“ und habe mich dafür eingesetzt, dass er die Rolle meines Widersachers bekommt. Das hat dann ja auch zum Glück geklappt.

Wie haben Sie selbst sich in Ihre Rolle eingefunden?

Ich selbst bin weder Vater, noch habe ich auch nur annähernd etwas so Tragisches durchgemacht wie dieser Hugh Glass. Aber ich war noch nie jemand, der zwingend eine echte Nähe zu seiner Figur spüren muss. Es reicht mir, wenn ich gewisse Bezüge herstellen kann. Und diese Geschichte über einen Vater, der seinem indianisch-stämmigen Sohn beibringt, wie man um sein Überleben kämpft, und letztlich selbst auf diese Kenntnisse angewiesen ist – wie könnte man sich davon nicht rühren lassen und mitfühlen?

Wenn man immer wieder mit Ausnahmeregisseuren wie Iñárritu oder Martin Scorsese arbeitet, bekommt man da nicht auch mal selbst Lust, Regie zu führen?

Lust schon. Aber das Problem ist einfach, dass Leute wie die beiden einfach so verdammt gut sind. Wie sollte ich da jemals mithalten können? Wenn also eine tolle Geschichte meinen Weg kreuzt, versuche ich doch lieber, einen von ihnen zu dem Job zu überreden. Film ist nun einmal das Medium des Regisseurs, und man muss wirklich gut und erfahren sein, um hinter der Kamera zu überzeugen.