Kein Geraune, keine Zerstörung

Youtuber Rezo
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Natürlich geht es Rezo auch um die Klicks. Und das ist gut so. Denn ein Video mit dem Titel „Nannen-Preisträger betont Wert des seriösen Journalismus und mahnt transparenteren Umgang mit Quellen an“ würde bei Youtube vermutlich minus drei Klicks bekommen.
Also betitelt der 27-Jährige sein neues Video „Die Zerstörung der Presse“ und holt an einem Tag 1,3 Millionen Klicks. Besser kann politische Bildung nicht funktionieren. Denn darunter sind höchstwahrscheinlich sehr viele Leute, die sich mit Presse und klassischem Fernsehen schwertun. Rezo liefert in seinem atemlosen einstündigen Beitrag eine extrem wichtige Lektion in Medienkompetenz.
Seine Botschaft: Es gibt seriöse und unseriöse Journalisten, bei klassischen Medienhäusern genau wie auf Youtube. Um die einen von den anderen zu unterscheiden, sollte man ihre Quellen kennen. Da hätten auch klassische Medien durchaus etwas nachzuholen. Es geht nicht um Dünkel, sondern um Standards.
Fehlendes Vertrauen in seriöse Medien führe dazu, dass immer mehr Menschen auf unseriöse Angebote hereinfallen, auf Verschwörungsfantasten und Propagandakanäle, meist in Rezos medialer Nachbarschaft auf Youtube. Er beklagt ein „Grundmisstrauen“ gegenüber Journalisten und eine gefährliche Unkenntnis ihrer Arbeitsweise. Aber ein Grund für dieses Problem liege auch an Missständen innerhalb der „Presseszene“. Auch manche etablierten Medien nutzten „Techniken von Verschwörungsideologen“ wie laxen Umgang mit Quellen und unbelegtes Geraune.
Das Gerede von der „Zerstörung“ ist nichts als Slang. Für Nicht-Youtuber übersetzt, heißt es nichts anderes als „wirksame Kritik üben“. Rezo selbst: „Ich zerstöre in diesem Video gar nichts, ich möchte Missstände herausarbeiten, um diese zu lösen. Missstände, die, wenn wir sie ignorieren würden, genau dazu beitragen, dass Vertrauen, Respekt und Glaubwürdigkeit gegenüber der Presse abgebaut oder gar ganz zerstört wird.“
Erst arbeitet sich Rezo an den sattsam bekannten Veganköchen und Ex-Radiomoderatoren der Corona-Leugner-Szene ab, knallhart und mit Witz. Wenn hier etwas zerstört wird, dann deren Geraune. Dann beklagt er sich über die Klatschblätter, die „sogar mit ausgedachten Falschbehauptungen über Tote noch Cash machen“. Auch seriöse Medien seien vor dem Schmuddel nicht gefeit.
Das ist aber alles nur Vorgeplänkel: Ab Minute 34 seziert Rezo die seriöse Presse. Er nimmt sich ein einzelnes Thema der Berichterstattung vor: sich selbst, und scannt Hunderte Artikel über sich und sein „Zerstörung der CDU“-Video auf Falschbehauptungen. Das ist ein spannendes Experiment. Denn das vor einem Jahr veröffentlichte, inzwischen 17 Millionen Mal geklickte Video stellte die Politikredaktionen vor eine ungeahnte Herausforderung: Ein Wesen aus einer anderen Welt, jenseits der Bundespressekonferenz, war zu einer politisch spannenden Stimme geworden. Ein ihnen Unbekannter mit Pseudonym wurde zum Objekt hektischer Berichterstattung.
Da passieren Fehler. Fehler sind nicht das Problem, meint Rezo, der natürlich auch welche macht, sondern ihre Häufung und der unehrliche Umgang mit ihnen. „Wilde Behauptungen aufzustellen, ohne jeglichen Beleg, das können nicht nur Aluhutträger.“ In zwei Drittel der „FAZ“-Artikel über ihn habe er Falschbehauptungen gefunden, die „Welt“ schneidet kaum besser ab. Es ist jedoch problematisch, wenn Rezo daraus schließt, dass „FAZ“ und „Welt“ „generell“ nicht vertrauenswürdig seien. Dafür ist seine Datenbasis dann nicht breit genug. Den öffentlich-rechtlichen Rundfunk hingegen, der in der Analyse gut abschneidet, verteidigt er vehement.
Rezos Kritik bleibt eine konstruktive: Er will das Vertrauen in die Medien wiederherstellen. Ein Baustein dazu könnte sein, dass auch Medienhäuser von Youtubern wie ihm lernen: Er belegt seine Lehrstunde mit mehr als 250 Quellen. Das wird nicht bei jedem Online-Artikel möglich sein. Aber die Grundaussage bleibt richtig: Der mündige Mediennutzer will kein Geraune, sondern überprüfbare Quellen. Das ist ein selbstbewusstes und erfrischendes Fazit des konstruktivsten Stücks Medienkritik, das es zurzeit gibt.
Rezo