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Konzert im E-WerkRapper Rin verkörpert das Hier und Jetzt der deutschen Rapszene

Lesezeit 3 Minuten
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Der Rapper Rin sorgt momentan für viel Furore in der deutschen Rapszene. 

Köln – Bietigheim-Bissingen ist nicht Brooklyn. Und doch ist es RIN, dem zurzeit frischesten Rapstar Deutschlands, gelungen, ausgerechnet die Kleinstadt im Stuttgarter Speckgürtel, das biedere Abenteuerland der Schlagergruppe Pur, zum mythischen HipHop-Hood zu verklären.

In aller Konsequenz: Chief Keef mag von Drive-by-Shootings in Chicago berichten, RIN rappt eben vom Schwarzfahren in der Buslinie 430, von Ludwigsburg nach Poppenweiler, "kein Ticket, kein Problem". Teilt mit den Brüdern das Netflix-Abo, hängt mit seinen Jungs, Marlboro Gold rauchend, auf irgendwelchen Treppen ab, träumt von einer Million Kisten Bier und grämt sich nicht, dass die Kohle für den Club fehlt.

„Bin über achtzehn und ich mach, was ich mach“

Das Geld ist mal wieder für Klamotten der Marke Supreme draufgegangen. Jeden Donnerstagmittag sitzen Millionen Kids vorm Computer und harren auf die neueste Auslieferung von Supreme-Produkten, in Sekundenschnelle ist alles ausverkauft, und RIN fiebert mit. Er ist einer von ihnen. Er könnte jeder Typ sein, der einem Freitagnacht mit glasigen Augen im Regionalexpress gegenübersitzt. Der mit seinen Kumpels beim Basketballspielen herumalbert. Der auf die Bedenken der Altvorderen antwortet: "Bin über achtzehn und ich mach, was ich mach."

Und so machen sie es auch im ausverkauften E-Werk: Werfen sich ins Moshpit, taumeln schweißgebadet durch die Menge, ignorieren das Rauchverbot, halten ihre Smartphones mit gesplitterten Displays hoch um fünfhundert unscharfe Wackelfilme zu produzieren, baden im Scheinwerferlicht, denn die Spots sind auf sie gerichtet. Der DJ verschwindet hinter dieser wattstarken Wand, man sieht nur RIN, der in der Bühnenmitte tänzelt, ungelenke Ansagen macht ("Jetzt kommt der Höhepunkt"), die geflochtenen Haare fliegen lässt und seine schlagwortartigen und produktplazierenden Zeilen ins autogetunte Mikrofon stößt.

Rin verkörpert das Hier und Jetzt der deutschen Rapszene

Die sind grammatikalisch oft mehr als fragwürdig: "Und sie frägt, und sie frägt, kommst du heute noch zu mir nach Hause mit, Baby?"; "Sie will Gästeliste rein, ey." Ein Gestammel aus Dialekt, Szenesprache und Markennamen, könnte man meinen. Und doch malt der Schwabe mit bosnisch-kroatischen Wurzeln mit diesen malträtierten Sätzen ein viel überzeugenderes Bild des deutschen Hier und Jetzt als die Muckibuden-Rapper aus dem sozialen Wohnungsbau oder die industriegesteuerten Singer-Songwriter mit ihren Innerlichkeitsfloskeln.

Und bei aller zur Schau gestellten Ungelenkigkeit und Oberflächlichkeit, lässt RIN seine Zeilen doch mit jazzigem Feingefühl fließen (vor der Show ertönen Swing-Standards, "Take the "A" Train" und so) - und säuselt fast ebenso oft von Liebe wie vom Supreme-Shoppen. "Eros" hat er sein Debütalbum genannt, "Ich brauch's, dass du mich brauchst", heißt seine Ballade von der emotionalen Abhängigkeit, da ist mit reduziertem Wortschatz alles gesagt.

Show endet nach 45 Minuten

Nach einer guten Dreiviertelstunde ist die Show schon vorbei, mehr Tracks gibt es schlicht noch nicht und im Freestylen ist RIN laut eigener Aussage kein Meister. Wie ihn überhaupt die hehre Rap-Tradition wenig schert. Seinem jungen Publikum ist die eh egal, das ist stundenlang mit dem Regionalexpress oder Mamas Auto durch die Provinz gegondelt, "gleich nach der Schule" hat ein Mädchen in der Schlange vorm E-Werk gesagt, um hier etwas über sich zu erfahren. Um zu feiern, wie viel Gefühl drin steckt, in der Öde zwischen What's-App-Gruppe und Busbahnhof.