Trotz Abkehr von Sat.1Kölner Produktionsfirma glaubt an Zukunft von Scripted Reality
Köln – Regelmäßig erreicht „Auf Streife“ am Nachmittag Topquoten: Durchschnittlich etwa acht bis 10 Prozent fährt Sat.1 mit dem Scripted-Reality-Format ein, das Polizisten bei möglichst realen Fällen begleiten soll. Laien-Darsteller spielen die Verbrecher, die Zeugen, die Opfer, es gibt kein festes Skript, nur eine Rollenbeschreibung. Authentisch soll es sein – und möglichst billig. Scripted-Reality-Serien wie „Auf Streife“ sind Geldmaschinen, so sehr die Formate in der Öffentlichkeit auch zerrissen werden. Aber damit soll bald Schluss sein: Am vergangenen Donnerstag wurde nach neun Jahren die letzte Folge von „Auf Streife“ gedreht.
„Vorerst“, sagt Felix Wesseler, Chief Operating Officer bei Filmpool. Für die Kölner Produktionsfirma war es ein Paukenschlag, als Sat.1 bekannt gab, dass es sich von sämtlichen Scripted Realitys verabschieden wird.
Abschied vom Billig-Fernsehen
Wie das Medienmagazin „DWDL.de“ berichtet, hatte der Sender im Juni bei dem Branchentreff Screenforce Days angekündigt, keine neuen Folgen von Scripted-Reality-Serien mehr zu beauftragen. Scripted Realitys haben bisher einen großen Teil der Sendezeit bei Sat.1 eingenommen – tagsüber fast acht Stunden – und prägen schon seit etwa 20 Jahren das Programm. „Wir glauben aber nicht daran, dass es die Zukunft ist“, sagte Sat.1-Chef Daniel Rosemann zum Abschied des Billig-Fernsehens. Bitter für Filmpool und Constantin Entertainment, die neben ihrem Hauptsitz in München auch eine Niederlassung in Köln haben. Von den beiden Produktionsfirmen stammen alle Scripted-Reality-Formate, die jetzt Geschichte sind.
Auch RTL hatte sich 2019 von Scripted Reality verabschiedet – mit ähnlichen Worten. Überraschend folgte dieses Jahr die Rolle rückwärts: Der Privatsender holte gleich zwei Gerichtsshows zurück, darunter „Richterin Barbara Salesch", die zehn Jahre zuvor noch bei Sat.1 lief und auch beim neuen Sender wieder von Filmpool produziert wird. Ein Trostpflaster für die in Hürth ansässige Firma.
„Südklinik am Ring“ statt „Klinik am Südring“
Und RTL2 hat sich gleich das nächste Format von Filmpool gekrallt. Mit dem Ausstieg von Sat.1 aus dem Scripted-Reality-Geschäft endeten bei Filmpool neben der Produktion von „Auf Streife“ auch die Produktionen von „Auf Streife – Die Spezialisten“ und „Klinik am Südring“. Letzteres wird ab Montag bei RTL2 als „Südklinik am Ring“ ausgestrahlt. Gleiche Darsteller, gleiches Konzept, gleicher Drehort, gleicher Sendeplatz – nur ein anderer Privatsender und abgewandelter Name, weil die Markenrechte für den alten bei Sat.1 liegen.
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Filmpool produziert noch weitere Formate, etwa „Köln 50667“ oder „The Real Life“, aber trotzdem bedeutete das Absetzen mehrerer Serien gleichzeitig laut Wesseler einen Verlust im zweistelligen Millionenbereich. „Zu dem Zeitpunkt war das ein Drittel unseres Jahresumsatzes.“ Die Produktionsfirma hat sich mittlerweile gefangen, neue Produktionen gestartet, und bleibt weiter optimistisch: Wesseler ist sich sicher, dass Scripted Reality weiter eine Zukunft hat, was sich auch bei RTL jetzt zeige. „Zu denken, man könnte Scripted Reality komplett aus dem Programm streichen, ist einfach falsch.“
Außerdem sei die Entscheidung vonseiten Sat.1's keinesfalls eine Entscheidung gegen Scripted Reality, man wolle nur neue Zielgruppen erreichen. „Das war kein kompletter Abschied uns gegenüber“, meint Wesseler. Das hätte man in internen Gesprächen deutlich gemacht – entgegen den Aussagen von Sat.1-Chef Rosemann bei den Screenforce Days. „Ich könnte mir vorstellen, dass wir auch irgendwann wieder Polizisten auf Patrouille begleiten“, deutet Wesseler an, mehr will er dazu aber noch nicht sagen.