Die ausverkaufte Lanxess-Arena zum Kochen zu bringen, damit hat der Rostocker Rapper Marteria gar kein Problem. Trotzdem hat er sich kölsche Unterstützung dazu geholt.
Marteria in KölnVon „Kein Bock mehr“ kann keine Rede sein
Das Publikum bewegen, es mitreißen, das ist sein Spezialgebiet. Mit einer Authentizität, einem Gefühl von „am Boden geblieben“, das nicht jeder deutsche Topmusiker vermitteln kann. Schon mit dem ersten Song, den ersten Takten hat er sie scheinbar mühelos – aufwärmen oder „das Eis brechen“ muss er nicht. Die Stimmung ist einfach da.
Auch nach einem leichten Tief im melancholischen Mittelteil schafft es Marteria, dass nur wenige Momente später die ganze Arena hüpft und singt, auf der Suche nach dem Himmel (OMG!) – obwohl es unten doch gerade auch ganz schön ist.
Becher fliegen durch die Menge, Marteria springt über die Bühne und auch die Ränge verlieren endlich ihre Zurückhaltung. Die Sitzplatz-Menschen in diesem Ausmaß zu motivieren, das schafft wirklich nicht jeder.
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Auch wenn der Rostocker Rapper für sein ausverkauftes Konzert in der Lanxess-Arena („Die größte Show auf meiner Tour!“) keine Aufwärmer gebraucht hätte, hat er sich für die Kölnerinnen, Kölner und Zugereisten etwas ganz Besonderes ausgesucht: Als Support kommt nicht nur die Bonner Brassband Querbeat, sondern davor auch noch die Jungs von „Rhythmusgymnastik“. Da gibt es dann im wahrsten Sinne des Wortes Aufwärmübungen und das Publikum hüpft munter den Anweisungen folgend von links nach rechts und von rechts nach links. Querbeat treffen auf eine schon gut gefüllte Arena, die textsicher mit ihnen den Barbarossaplatz besingt und zu „Randale und Hurra“ abgeht.
Der wahre Stimmungsmeister des Abends tritt gewohnt lässig im Angleroutfit an: schwarze Cargohose, schwarzes T-Shirt, weiße Weste. Hinter ihm auf der Leinwand wahlweise sein Gesicht oder die seiner Begleitstimmen. In rot, grün, pink oder blau leuchten sie, daneben je nach Song Videos, Lyrics oder Animationen. So ist bei „Endboss“ neben Marterias Kopf ein Auto, das auf einer endlosen Straße in Richtung der Skyline einer Großstadt fährt – im Look eines Retro-Videospiels.
Seine Fans sind ihm schon lange treu, sowohl bei „Endboss“, als auch „Amys Weinhaus“, „Sekundenschlaf“ und „Marteria Girl“ sind sie textsicher dabei. Alle Songs stammen von seinem zweiten Album, das er als Marteria veröffentlicht hat. „Zum Glück in die Zukunft“ erschien 2010, also zwei Jahre vor seinem Riesenerfolg mit „Lila Wolken“.
„So viel Liebe wie in dieser Stadt habe ich sonst immer nur in Rostock bekommen“, beteuert der 40-Jährige. Zu seiner Aufzählung, wo er vor der Arena in Köln schon gespielt hat – Werkstatt, Stadtgarten, Club Bahnhof Ehrenfeld, Live Music Hall, Palladium – wird vereinzeltes Gejohle laut. Da waren wohl einige schon dabei.
Marteria kann auch anders, nicht nur harten Rap, nicht nur Party. Das zeigt er schon bei „El Presidente“, wo er in einer neuen Strophe Krieg, Klimakatastrophe und Gewalt ausruft, um dann treffend mit „Genieß‘ deine Zeit bis zur Revolution!“ zu enden. Oder mit „Wald“, seiner neuen Single, die er dieses Jahr zur Premiere seiner Dokumentation „Der Amazonas-Job“ rausgebracht hat. Die Einnahmen des Songs sollen komplett an die Organisation „Plant for Future“ gehen.
Im Mittelteil zeigt er auch seine nachdenkliche Seite, wird mit „DMT“ vom aktuellen Album „5. Dimension“ mehr zu Marten Laciny, wie Marteria bürgerlich heißt. Die Ballade endet mit der Einblendung „Für Thomas. Ruhe in Frieden“, es geht um den Tod eines Freundes. Leider hat der Rapper sein Publikum an der Stelle etwas verloren, schon vorher bei „Zug der Erkenntnis“ hängt die Stimmung durch.
Aber Marteria wäre nicht Marteria, wenn er das Rad nicht rumreißen könnte. Zu „Verstrahlt“ hat er sein Publikum wieder zurück und als er darauf direkt die beiden Megahits „OMG!“ und „Kids“ abliefert, rastet die Menge aus. „Keiner hat mehr Bock auf Kiffen, Saufen, Feiern“ heißt es da – aber die Arena hat noch Bock und auch Marteria hat längst nicht genug gefeiert. Er springt mit einem weißen Handtuch in der Hand über die Bühne, wedelt damit herum.
„Wer jetzt nicht springt, ist selber schuld“, ruft er, bevor es mit „Adrenalin“ weitergeht. Marteria hält die Stimmung zum Schluss konstant hoch, haut direkt „Lila Wolken“ raus, keine Verschnaufpause für die aufgekratzten Fans. Mit „Niemand bringt Marten um“ wird es doch nochmal ruhiger, Handytaschenlampen leuchten auf und auch ein Bengalo flammt auf den Rängen auf, der zweite an diesem Abend. Lange hält er aber nicht, Sicherheitsleute eskortieren den Feuerteufel aus der Arena.
Marteria taucht in das Publikum ein
Zu „Feuer“ und „20 Sekunden“ eskalieren die Moshpits noch ein letztes Mal, auch auf den Rängen hüpft es, und zum Schluss lässt es sich auch Marteria nicht nehmen, in sein Publikum einzutauchen. Bei der „Vollkontakt“-Tour ist der Name eben Programm. Plötzlich steht er nicht mehr auf der Bühne, sondern wird vorne von seinen Fans verschluckt. Die heben ihn aber wie aufgefordert hoch, auf Händen rollt er wieder zur Bühne. Von „Kein Bock mehr“ kann da wirklich keine Rede sein.