Kölner Acht-Brücken-Festival endlich wieder liveRausch mit Musik und Wein
Köln – In den beiden vergangenen Jahren fiel das Kölner Acht-Brücken-Festival als Live-Veranstaltung corona-bedingt ins Wasser. Und heuer? „Wir sind optimistisch“, verkündete Philharmonie-Intendant Louwrens Langevoort am Mittwoch anlässlich der Vorstellung des Programms für den neuerlichen Anlauf anno 2022 (29. April bis 8. Mai). Klar, etliche Acht-Brücken-Konzerte konnten 2020 und 2021 – durchaus reichweitenrelevant – digital stattfinden, aber nichts gehe doch, so Langevoort, über ein Live-Erleben von Musik.
Voraussichtlich also werden sie 1 zu 1 zu erleben sein, wenn auch mit den üblichen Vorsichtsmaßnahmen (Impfnachweis, Maske, Kapazitätsbegrenzung): rund 50 Konzerte mit über 80 Stunden Musik und 19 uraufzuführenden Werken wie stets an zahlreichen Orten der Stadt von der Philharmonie bis zum Brückenraum für Hochwasserschutzelemente. Rückkehr zur „Normalität“ also? Irgendwie schon, und das soll auch in den kommenden Jahren so sein. Kulturdezernent Stefan Charles will sich jedenfalls, wie er sagte, für eine „verlässliche Finanzierung“ seitens der Stadt einsetzen.
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„Musik Amnesie Gedächtnis“ ist das Motto der aktuellen „Acht Brücken“. Was in uns vorgeht, wenn wir mit oder durch Musik erinnern, vergessen oder unser Bewusstsein verändern – das ist die letztlich um die Beziehung von Musik und Gehirn kreisende Leitfrage des Festivals, dessen Agenda sich allerdings nicht sklavisch in diese thematische Klammer zwängen lässt.
Los geht es, am 29. April, mit der audiovisuellen Installation „Listen“ in der Zentralbibliothek, die in verlassenen Industriehallen und anderen mit Erinnerungen assoziierten Orten der Region spielt. Am Samstag, 30. April, führen im WDR-Funkhaus die Kölner Vokalsolisten und das Ensemble Ruhr unter Susanne Blumenthal erstmals die „Schreber Songs“ des Kölner Komponisten Marcus Schmickler auf, ein musikalisches Refraiming eines historischen Falls von Nervenkrankheit.
Um einen sehr aktuellen Mottoaspekt geht es am 2. und 3. Mai in der TanzFaktur in Valerij Lisacs Projekt „Unearthing Melodies“, einer Mischung aus Live-Aufführung und Videoinstallation mit dem Asasello Quartett und „EinfachMalSingen“, einem Chor für Menschen mit und ohne Demenz.
Zentralgestirn der diesjährigen „Acht Brücken“ im Sinne eines Komponistenporträts ist der US-Amerikaner Morton Feldman (1926-1987), ein Pionier der grafischen Notation und ohnehin ein radikaler Erneuerer der musikalischen Sprachen nach dem Zweiten Weltkrieg. Er ist mit zahlreichen Werkaufführungen präsent, zu denen sich illustre Interpreten einfinden: Das Klangforum Wien unter Baldur Brönnimann wartet am 30. April in der Mülheimer Stadthalle „Atlantis“ für Kammerorchester auf; das Concertgebouworchester Amsterdam spielt am 7. Mai unter David Robertson neben Werken von Ligeti, Morales und einem erstaufgeführten Stück von Beat Furrer auch Feldmans „Coptic Light“. Und der Bratscher Antoine Tamestit (Artist in Residence der Philharmonie in dieser Saison) nimmt sich in zwei Konzerten am 8. Mai mit dem Gürzenich-Orchester unter François-Xavier Roth bzw. Solisten des Orchesters den vierteiligen Zyklus „The Viola in my Life“ vor.
Zwei Konzerte der Musikfabrik
Auch das WDR Sinfonieorchester, die zweite in Köln beheimatete Großformation, macht unter Cristian Macelaru wieder mit bei „Acht Brücken“ – am 29. April in der Philharmonie mit Gubaidulina und der Uraufführung von Liza Lims „Annunciation Triptych“. Nicht fehlen darf auch die ortsansässige Musikfabrik – sie tritt in zwei Konzerten in der Philharmonie im Rahmen des traditionellen „Freihafen“ des 1. Mai (sämtliche Konzerte eintrittsfrei) auf. Auch die Formate „Acht Brücken Lunch“, die Jazz-Reihe „Acht Brücken Lounge“ im „King Georg“, der Kompositionswettbewerb, das Education-Programm und Gesprächsveranstaltungen kehren wieder.
Leicht ironisch bezieht sich das „Symposion. Ein Rausch in acht Abteilungen“ mit dem Klangforum Wien am 30. April in der Stadthalle Mülheim auf das Festivalmotto: Über fünf Stunden erklingen, moderiert vom „Symposiarchen“ Langevoort, acht Kompositionen von Mahler bis Terry Riley, zwischen die sich – nach antiker Sitte – Pausen mit Snacks und tendenziell bewusstseinserweiterndem Wein für die auf Futons gelagerten Zuhörer schieben. „Weinzwang“ besteht allerdings, wie versichert wird, nicht.
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