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Kölner Ausstellung „Not Afraid of Art“Wer hat Angst vor Bunkern, Blumen und Spiralfedern?

Lesezeit 3 Minuten
Ein Kunstwerk hängt an der Wand.

Kanitha Tiths „Bright Future“ (2017), eine Arbeit aus Spiralfedern, ist im Studio der Akademie der Künste der Welt zu sehen.

Im Ausstellungsraum der Kölner Akademie der Künste der Welt dreht sich alles um Angst und Macht. Zum Fürchten ist das zum Glück nicht.

Ein Erbe der globalen britischen Militärpräsenz sind die sogenannten „Pillboxes“: kleine ebenerdige Bunker mit Schießscharten und Schlupflöchern. Erfunden hat diese etwas kuriose Kriegsarchitektur das deutsche Kaiserreich, aber die Engländer exportierten sie in alle Welt. Pillboxes gibt es in allen erdenklichen Formen: quadratisch, viereckig, rund, halbrund, hexagonal… Viele haben nur noch Denkmalcharakter, aber in „aktiven“ Kriegsgebieten werden sie weiterhin genutzt.

Woher die „Pillbox“ ihren Namen hat, ist umstritten. Als Paten kommen am ehesten die gusseisernen Briefkästen (Pillar Boxes) des britischen Königreichs infrage. Für solche Details interessiert sich Barış Doğrusöz aber weniger als für die Baustrukturen der Bunker. Der Künstler hat ihre Planskizzen gesammelt, katalogisiert und schließlich in 48 „typischen“ Drahtgerüsten nachgebaut. Wer diese Modelle jetzt im Studio der Kölner Akademie der Künste der Welt sieht, steht zunächst vor einem Rätsel. Aber genau um diesen Aha-Effekt scheint es Doğrusöz zu gehen. Wie die Bunker sind auch seine Skulpturen getarnt; die künstlerische Camouflage soll die militärische sichtbar machen.

Die abstrakten Bunkerwerke von Barış Doğrusöz scheinen wie für die „Not Afraid of Art“-Ausstellung gemacht

Die abstrakten Bunkerwerke scheinen wie für die Akademie-Ausstellung „Not Afraid of Art“ gemacht: Sie ängstigen nicht, spielen aber mit unseren Angstvorstellungen. Um das Zusammenspiel von Angst und Macht soll es im Studio gehen, die von Ala Younis kuratierte Schau ist Teil eines gleichnamigen Langzeitprojekts. Bei einer Bildergeschichte von Isaac Zavale leuchtet einem das unmittelbar ein. Sie handelt von einem jungen Mann, der aus einer südafrikanischen Armensiedlung nach Johannesburg zieht und dort auf offener Straße überfallen wird. Der Stil ist realistisch, die Gesichter sind maskenhaft (also austauschbar), doch das Ende ist optimistisch - dem Ausgeraubten wird geholfen.

Bei den Werken der litauischen Künstlerin Anastasia Sosunova muss man historisch tiefer graben. Sie hat Druckplatten aus der sowjetischen Zeit nach Köln gebracht und sie teilweise in alte Druckwalzen eingespannt. Auf den Platten wurden einst oppositionelle Inhalte vervielfältigt, jetzt setzt Sosnova dem Widerstandsgeist ein Denkmal, indem sie der Technik eine skulpturale Anmutung verleiht.

Eine gezeichnete Blume mit grünem Stängel und weiß-rosafarbenen Blüten steht vor einem braunen Hintergrund.

Eine Blume von Buket Isgören aus der Kölner Ausstellung „Not Afraid of Art“.

Bei den anderen Künstlern geht es eher um individuelle Ängste. Jedenfalls haben die mit Buntstiften gemalten Blumen der Kölner Künstlerin Buket Isgören wenig Bedrohliches. Sie wirken eher magisch in ihrem freundlichen Hyperrealismus, eine Ahnenreihe gewachsener Persönlichkeiten, denen man kein Blättchen krümmen würde. Es sind lauter bestrickende Einzelporträts: Die Blumen stehen vor monochromen Hintergründen, deren Krakelee-ähnliche Texturen sie weniger isolieren als umhegen. Anscheinend übersetzt sich der türkische Name Buket nicht zufällig mit Blumenstrauß.

Die kambodschanische Künstlerin Kanitha Tith macht zum Zeitvertreib gerne Handarbeiten, während sie Musik hört oder fernsieht. Entweder kritzelt sie dann Landschaften aufs Papier oder sie verwebt Spiralfedern, wie man sie so ähnlich aus Kugelschreibern kennt, zu netzartigen Texturen mit vielen losen Enden. Diese Objekte produziert Tith auch für den Außenraum (und in entsprechend üppigen Formaten), die Werke im Akademie-Studio besitzen hingegen noch den „ursprünglichen“ Sinn ihrer Heimarbeit. Offen bleibt, wovon sich Tith ablenken will; schlechte Nachrichten gab es in der jüngeren Geschichte ihres Heimatlandes allerdings genug.

Seine Comic-Tagebücher der letzten Monate legt Žiga Sever vor uns aus. In schwarzen Büchern hat er kleine Begebenheiten aus seinem Leben nachgezeichnet, darunter auch seine Arbeit mit dem ghanaischen Künstler Yussif Musah, der auf Einladung der Akademie ein Wandgemälde für das Rautenstrauch-Joest-Museum geschaffen hat. Das RJM wird so zur Außenstelle des Studios: Musahs riesige Kohlezeichnung trägt den Titel „Wie der Leopard seine Krallen bekam“ und verbindet zahlreiche Motive aus den fotografischen Sammlungen des RJM und des Kölner Migrationsmuseums zu einer Reflexion über Erinnerung, Kolonialismus, Angst und Macht.


„Not Afraid of Art“, Studio der Akademie der Künste der Welt, Herwarthstr. 3, Köln, Fr.-So. 15-20 Uhr, 30. August bis 1. Dezember. Der Eintritt ist frei.