Flyer für Ausstellungen sind oft selbst Kunstwerke. Ingrid Blom-Böer sammelt sie schon fast ihr ganzes Leben lang.
Kölner AusstellungWas Flyer über ihre Sammlerin und die Kunstwelt erzählen
Sie liegen in Museen, Galerien, manchmal auch in Cafés oder der Bibliothek: Flyer, die für aktuelle Ausstellungen werben. Viele werfen sie einfach weg, nachdem sie im Museum waren – oder mal wieder eine Ausstellung verpasst haben. Auf so eine Idee würde Ingrid Blom-Böer niemals kommen. Alles wird bei ihr säuberlich in Ordner geheftet. Und so ist nicht nur eine Art persönliches Ausstellungs-Tagebuch entstanden. Die Flyer erzählen auch davon, wie Museen und Galerien sich über die Jahrzehnte präsentiert haben: bieder, verspielt oder cool – je nach Zeitgeist. Sie erzählen von Ausstellungs-Trends und grafischen Moden, aber auch von Geld – davon, was sich Museen, Galerien, Künstler und Künstlerinnen leisten konnten oder wollten, um auf sich aufmerksam zu machen.
Ingrid Blom-Böer sammelt solche Flyer schon seit den 1980er Jahren. Damals wohnte sie noch in den Niederlanden und machte die ersten Ausflüge zu Ausstellungen nach Rotterdam oder Leiden. Schon als Jugendliche interessierte sie sich für Archäologie, später studierte sie Ägyptologie - eine Leidenschaft, von der auch ihre Sammlung erzählt. „Als 15-, 16-Jährige hatte ich natürlich kein Geld für die Kataloge. Und dann habe ich mir eben solche Einladungskarten oder Flyer mitgenommen, um zumindest irgendetwas von einer Ausstellung zu haben.“
Mehr als nur ein persönliches Ausstellungs-Tagebuch
Jetzt – viele Jahrzehnte und hunderte Museumsbesuche später – war einfach irgendwann kein Platz mehr da: „Ich habe dann gedacht, wenn die ganzen Ordner jetzt in den Keller wandern, werden sie irgendwann weggeworfen. Nämlich nach mir, wenn ich das nicht mehr selber entscheiden kann.“ Also sprach Ingrid Blom-Böer die Direktorin der Kölner Kunst- und Museumsbibliothek (KMB) an. Und Elke Purpus war sofort interessiert.
Weil es auch in der KMB schon einen großen Bestand an solchen Flyern und Einladungen seit den 1950er Jahren gibt, entstand die Idee für eine eigene Ausstellung: In 14 Vitrinen sind nun auf mehreren Stockwerken Exponate aus Ingrid Blom-Böers Ordnern zu sehen – kombiniert mit Stücken aus der KMB-Sammlung. „Gedruckt, um zu bleiben!“ heißt die Schau, die zusammen mit dem Masterstudiengang Kunstvermittlung und Kulturmanagement Universität Düsseldorf entstanden ist.
Dass Blom-Böer ihre Sammlung jetzt der KMB geschenkt hat, heißt übrigens nicht, dass sie nicht mehr weiter sammelt – schließlich ist jetzt wieder Platz im Schrank. In ihre Ordner kommt aber ausschließlich Material zu Ausstellungen, die sie auch selbst gesehen hat. Und das sind sehr viele – ob in Havanna, Oslo, New York, Kairo oder natürlich in ihrer Heimatstadt Köln: „Hier grase ich alles ab“, erzählt die 61-jährige. Ihre Jahreskarte für die Kölner Museen rentiere sich „doppelt und dreifach“ – obwohl es ihr darum gar nicht geht. Kultur, ist sie überzeugt, muss man unterstützen: „Ich finde, man geht überall reicher raus als man hineingegangen ist.“
Ihr Enthusiasmus ist ansteckend, genauso wie ihre Sammelleidenschaft: „Kunst und Kultur geht über den Alltag hinaus und gibt so viel – auch mir ganz persönlich. Wenn es mir schlecht geht, dann gehe ich ins Museum, einfach um mal rauszukommen. Und starre zum Beispiel einen der wunderbaren alten Schinken im Wallraf an.“ Jeden ersten Donnerstag im Monat haben die Kölner Museen bis 22 Uhr geöffnet, für alle, die in Köln gemeldet sind, kostet der Eintritt dann sogar nichts. Manchmal ist Ingrid Brom-Böer dann trotzdem fast die einzige Besucherin: „Ich finde das einen absoluten Luxus und würde mir wünschen, dass das mehr Menschen wahrnehmen würden. Da kann man wunderbar runterkommen. Für mich ist das ab und an wie eine Therapie – ich brauche das.“
Oft sind die Materialien zu Ausstellungen selbst schon Kunstwerke. Und längst nicht immer nur bedrucktes Papier: In den KMB-Vitrinen ist auch ein Röntgenbild, eine 3D-Brille und sogar ein Puzzle zu sehen. Vor allem Galerien fertigten für exklusivere Kreise sehr aufwändige Werbung an: Einen Tischtennisball für eine Ausstellung des britischen Künstlers Damien Hirst zum Beispiel, eine Filz-Karte für eine Joseph Beuys-Schau und ein Stück „Camouflage“-Stoff für eine gleichnamige Ausstellung von Andy-Warhol-Werken.
Zeitdokumente einer analogen Welt
Manche Materialien stammen auch aus Museen, die es längst nicht mehr gibt. Aus einem Kölner Beatles-Museum zum Beispiel oder der Josef-Haubrich-Kunsthalle in der Nähe des Neumarkts, die 2002 – unter dem Protest der Kunstszene – abgerissen wurde.
Wenn die Künstler und Künstlerinnen noch jung oder unbekannt sind und es keinen Katalog gibt, seien die Materialien rund um die Ausstellungen manchmal das einzige, was davon bleibe, sagt Elke Purpus. Insofern seien sie auch für die Forschung sehr interessant. Wer also selbst eine Sammlung zu Hause hat, könne sich damit gerne an die KMB wenden.
Im digitalen Zeitalter wandelt sich natürlich auch die Werbung und das Marketing für Kunst und Kultur. Insofern sind die Flyer auch Zeitdokumente einer analogen Welt. Für die Ausstellung in der KMB gibt es aber natürlich noch ein gedrucktes Exemplar. Und das hat Ingrid Blom-Böer auch wieder in ihrer Sammlung abgeheftet – so schließt sich der Kreis.
Die Ausstellung „Gedruckt, um zu bleiben!“ ist in Zusammenarbeit mit dem Masterstudiengang Kunstvermittlung und Kulturmanagement der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf entstanden. Kuratiert wurde die Ausstellung von Lilith Bitzer und Jessica Krämer. Sie ist noch bis zum 3. März in der Kunst- und Museumsbibliothek (Heinrich-Böll-Platz/Bischofsgartenstr. 1, Eingang Filmforum) zu sehen. Öffnungszeiten: Di.-Do. 10-21. Uhr, Fr.-So. 10-18. Uhr, Mo 14-21. Uhr. Am 18. Februar gibt es eine Führung mit den Kuratorinnen um 16 Uhr in der Ausstellung.