Kölner BuchverlageGute Zeiten fürs Lesen – schlechte Zeiten für Newcomer
Köln – Dem Alltag voller nerviger Corona-Sorgen kurz mal „Tschüs“ sagen. Abschalten, in andere Welten entfliehen. Kein Wunder, dass viele in der Corona-Krise so gerne lesen. Einigen besonders umtriebigen Buchhandlungen hat das vergangene Jahr sogar ein ordentliches Umsatzplus beschert. Nicht nur Romane sind gefragt, auch politische Sachbücher und vor allem: Kinder und Jugendliteratur.
Die Bilanz ist nicht nur rosig
In den Kölner Verlagen freut man sich natürlich, dass das Lesen gerade so beliebt ist. Doch die Bücher-Bilanz ist trotzdem nicht nur rosig. Denn der Markt für Reiseliteratur ist völlig eingebrochen – klar. Und angesichts der Schlangen vor mancher Veedels-Buchhandlung dürfe man die leeren Innenstädte nicht vergessen, sagt Sabine Cramer, Verlegerin des DuMont Buchverlags. Dort hat in Köln zum Beispiel die Mayersche ihren Flagship-Store. „Auch die großen Ketten sind sehr wichtig für die Verlage - schon allein wegen ihres Umsatzvolumens.“
Und dann sind da ja auch noch die Lesungen. Dass die ausfallen müssen ist nicht nur für die Autoren dramatisch, sondern genauso für die Verlage: „Die Bücher haben unter den fehlenden Veranstaltungen gelitten“, sagt Kerstin Gleba. Die Verlegerin von Kiepenheuer&Witsch nennt „Zeitenwende“ von Michel Friedman und Harald Welzer als Beispiel: „Wir hatten mit dem Buch viele große Veranstaltungen in Theatern geplant, die Autoren ziehen normalerweise 600 bis 800 Besucher an. Und das brach jetzt komplett weg.“
Corona dominiert die Debatten
Ohne Lesungen gibt es auch keine Büchertische, wo das Publikum gleich zugreifen kann, um sich noch ein persönliches Autogramm abzuholen. Fast noch schwerer wiege jedoch die fehlende Aufmerksamkeit, so Kerstin Gleba: Keine Zeitung berichtet über den Abend, keine Besucher erzählen begeistert davon im Bekanntenkreis.
Überhaupt – das Reden über Bücher. Zu Buchmesse-Zeiten wird selbst in der Tagesschau über Literatur berichtet. Festivals wie die LitCologne erzeugen ein riesiges Medienecho. Doch das Virus verdrängte alle anderen Themen auf die hinteren Plätze, insbesondere in den ersten Monaten der Pandemie: „Covid 19 hat die Nachrichtenlage so stark dominiert, dass für die Diskussion über Bücher zu anderen wichtigen Themen wenig Raum blieb“, sagt Simon Decot, Vorstand Programm der Bastei Lübbe AG.
Schlechte Zeiten für Newcomer
Bestseller-Autoren konnte das nichts anhaben: Sie fanden trotzdem ihr Publikum. Aber neue Autoren oder experimentellere Titel brauchen die Öffentlichkeit und die Begleitung in der Buchhandlung. „Newcomer haben es in diesem Jahr sicherlich sehr viel schwerer gehabt als normalerweise“, ist deswegen Sabine Cramers Fazit. Schließlich sei das Gespräch mit dem Buchhändler oder der Buchhändlerin und das Stöbern im Geschäft immer noch die größte Inspiration für Buchkäufe, sagt die Verlegerin des DuMont Buchverlags.
Vielfalt und Innovation bleiben auf der Strecke
So schadet der Lockdown letztlich der Vielfalt und Innovation, meint auch Simon Decot von Bastei Lübbe: „Wir brauchen die Sichtbarkeit unserer Bücher im Handel, die Berichterstattung über Bücher, Veranstaltungen, die das Thema Lesen erlebbar machen.“
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Lesungen auf Instagram und YouTube, Verlosungen, Podcasts – die Verlage tun was sie können, um wenigstens digital auf ihre Bücher aufmerksam zu machen. Die sozialen Medien sind gerade existenziell, sagt Kiepenheuer & Witsch-Verlegerin Kerstin Gleba: „Aber damit erreichen wir dann eben auch nur ein online-affines Publikum und viele Bücher werden ja auch von Menschen gelesen, die nicht nur digital unterwegs sind.“
Taschenbücher legen zu
Dass Leserinnen und Leser sich 2020 an Altbewährtes hielten, zeigen vor allem die Taschenbücher: Mit „Alte Sorten“ von Ewald Arenz und „Was man von hier aus sehen kann“ von Mariana Leky verkauften sich im DuMont Buchverlag zwei Taschenbuch-Titel nochmal extrem gut, die auch schon als Hardcover Bestseller waren.
Das Thema Heimat hat in den Buchhandlungen ebenfalls Konjunktur – obwohl die Leser die Vorzüge der Region im vergangenen Jahr eher gezwungenermaßen entdeckten. „Unsere Regionalkrimis werden im Augenblick sehr geschätzt. Die Leute wollen das, was nah ist - und das hat glaube ich auch mit der Verunsicherung zu tun, die durch diese Pandemie entstanden ist“, sagt Verleger Hejo Emons.
Durchwachsene Bilanz
Die Bücher-Bilanz für die Corona-Zeit ist also durchwachsen. „Wir sind mit einem blauen Auge davon gekommen“ – so formuliert es Kerstin Gleba. Simon Decot von Bastei Lübbe bleibt trotzdem zuversichtlich für die kommenden Monate: „Erfreulich ist, wie das Buch auch in solchen Krisenzeiten wichtig bleibt, die Lust am Lesen ungebrochen ist, ja sogar zugenommen hat. Außerdem hat die Krise viel Innovation in unserer Branche ausgelöst, insbesondere digitalen Fortschritt, aber auch viele kreative Ideen, das Geschäft weiter aufrechtzuerhalten. Davon können wir auch künftig profitieren.“