Der Deutsche Drehbuchverband (DDV) kämpft für bessere Arbeitsbedingungen in einer Branche im Umbruch.
„Der Boom der Streamer ist vorbei“Kölner Drehbuchautoren sind in Sorge
„Wir haben die Macht, Hollywood lahmzulegen“, sagte der amerikanische Autor und Comedian Adam Conover kürzlich der „Zeit“. Seit Anfang Mai streiken er und seine amerikanischen Kollegen. Ihre Gewerkschaft Writers Guild of America (WGA) kämpft für bessere Bezahlung und mehr Sozialleistungen für Autorinnen und Autoren. Gerade die Frage, wie sie an den Gewinnen der Streamingdienste beteiligt werden, wenn die von ihnen geschriebenen Serien große Erfolge sind, treibt sie um.
Es sind Fragen, mit denen sich auch die Kolleginnen und Kollegen in Deutschland seit langem beschäftigen. Kürzlich haben sie sich in Köln und Berlin mit den Streikenden solidarisiert. Dabei sind es eigentlich sie selbst, die Solidarität mindestens genauso dringend brauchen. Denn die WGA in den USA ist sehr mächtig, die Drohung, Hollywood lahmzulegen, keine leere Floskel.
„Das ist eine Power, die wir hierzulande leider nicht entfalten können, das muss man klar sagen“, sagt dann auch der Kölner Autor Volker A. Zahn, der mit seiner Frau Eva viele „Tatort“-Folgen geschrieben hat. Gerade haben sie für den WDR eine Serie geschrieben, in der sie vom couragierten Kampf einer Kölner Polizeieinheit zur Rettung von Kindern vor sexualisierter Gewalt erzählen.
Die beiden sind also gut im Geschäft. Und dennoch sehen sie Handlungsbedarf. Vor fünf Jahren haben sie mit Kolleginnen und Kollegen die Selbstverpflichtung „Kontrakt 18“ ins Leben gerufen. „Am Anfang haben 40, am Ende über 200 namhafte Kolleginnen und Kollegen gesagt, wenn ihr unsere Bedingungen nicht erfüllt, werden wir keine Verträge mit euch abschließen“, sagt Zahn. Das habe die Arbeitsbedingungen verbessert.
Doch das reicht den Kreativen noch nicht. Im Frühjahr dieses Jahres haben sich der Verband Deutsche Drehbuchautoren und der Verein Kontrakt 18 zum Deutschen Drehbuchverband (DDV) zusammengeschlossen. Gleich fünf Kölnerinnen und Kölner sitzen in dessen Vorstand, dazu gehört auch Volker A. Zahn. Eine Gewerkschaft mit Streikrecht sind sie nicht, das macht Verhandlungen ungleich schwieriger. Zumal, wie Marcus Seibert vom DDV betont, die USA ein geschlossener großer Markt mit sehr hohen Produktionsbudgets sind.
Deutschland sei zwar ein großer Fernsehmarkt, aber nicht annähernd vergleichbar. „Wir Autoren-Verbände versuchen zwar, uns auch europaweit besser aufzustellen, aber die Bedingungen in den einzelnen Ländern sind sehr unterschiedlich, und es ist nicht einfach, die verschiedenen Autoren-Organisationen unter einen Hut zu bekommen“, sagt Seibert. „Man kann uns deshalb auch leichter gegeneinander ausspielen, da sind wir gegenüber den US-Kollegen klar im Nachteil.“
„Für Streamer wie Netflix ist es einfacher, in Europa zu verhandeln. Die können dann sagen: Wir haben mit Spanien diesen Abschluss gemacht, warum macht ihr den nicht auch in Deutschland?“, pflichtet im Orkun Ertener bei,der auch zum DDV-Vorstand gehört und dessen Serie „Neuland“ in diesem Jahr einen Grimme-Preis gewann.
Die Autorinnen und Autoren wollen internationale Standards auch in Deutschland etablieren. Aber wie sieht eine angemessene Honorierung heutzutage aus, gerade auch vor dem Hintergrund, dass auf Streamingplattformen Inhalte für eine lange Zeit bereitgestellt werden? „Das ist die Frage der Zukunft“, sagt Seibert. „Denkbar wäre etwa eine Vergütung pro View. Das ist aber bei den Mediatheken von ARD und ZDF bislang kein Thema, die beiden Sender denken derzeit Vergütungen ganz von der linearen Nutzung her.“
Die ARD rechne damit, dass 2030 die Hälfte ihrer Zuschauer die Programme digital konsumiere. Damit einhergehen müsse aber eine komplette Umstellung des Honorar-Systems für die Autoren. „Zurzeit dürfen die Öffentlich-Rechtlichen unsere Werke nur für eine begrenzte Zeit in die Mediatheken stellen, wir Autoren bekommen für diese befristete Zurverfügungstellung einen Abschlag von gerade mal 4, 5 Prozent des Grundhonorars. Das ist eine Summe aus der TV-Steinzeit, das Honorierungssystem muss dringend an die neue Mediennutzung angepasst werden“, sagt Seibert.
„Und weil die Zeit in den Mediatheken begrenzt ist, leihen die Sender unsere Programme auch gern an Streamingdienste aus. Wie viel sie damit erwirtschaften – auch für diejenigen, die diese Filme hergestellt haben –, ist ihnen dabei ziemlich egal: Es geht nur um die Sichtbarkeit.“
Zwar gibt es mittlerweile ein Auskunftsrecht, Auftraggeber müssen den Autorinnen und Autoren einmal im Jahr sagen, wie und wo sie die Werke kommerziell verwertet haben und welche Erträge sie daraus erzielten. „Es gibt nicht nur das Recht, sondern sogar die Pflicht. Aber sie ist bisher von niemandem eingehalten worden“, betont Ertener. Und Volker A. Zahn ergänzt: „Selbst unsere Agenten wissen zum Teil nicht genau, welche Regelungen gelten oder wer gerade wie viel Geld mit dem Vertrieb unserer Werke verdient.“
Der neue Verband soll auch hier helfen. Durch Vernetzung und den offenen Austausch über Honorare. Die wurden nämlich über viele Jahre höchstens mal hinter vorgehaltener Hand besprochen. Ja, es gibt die Top-Honorare, wenn man etwa für eine „Tatort“-Folge 86.000 Euro bekommt. Aber erstens sei das die absolute Ausnahme, so Seibert, und zweitens müsse man das in Relation setzen. „Auf eine Entwicklungszeit von zwei bis drei Jahren bis Drehbeginn gerechnet, relativiert sich die Summe auch ganz schnell wieder.“ Das Brot- und Buttergeschäft der Autoren finde ohnehin in ganz anderen Dimensionen statt, da gebe es häufig für eine Serien-Folge, an der man mehrere Monate schreibe, gerade mal 10.000 Euro.
„Mittlerweile gibt es fast nur noch Buyout-Honorare, mit denen fast alle Werknutzungen abgegolten sind“, ergänzt Volker A. Zahn. Betrachte man den Aufwand, lande man schnell bei einem Stundensatz, der unter dem gesetzlichen Mindestlohn liege. „Von den vielen schlecht bezahlten Konzepten und Exposés erst gar nicht zu reden. Nach wie vor wird in Deutschland viel zu wenig Geld für die Stoffentwicklung ausgegeben.“
Denn es kann passieren, dass man lange an einem Projekt gearbeitet habe und dann komme es doch nicht zustande. Außerdem drohe jederzeit die Gefahr, durch einen Kollegen oder eine Kollegin ersetzt zu werden. Die Hälfte des Honorars fließt erst am Tag des Drehbeginns. „Es kann dir also durchaus passieren, dass dich deine Auftraggeber nach drei Jahren Arbeit und zehn Buchfassungen mit einem kurzen Telefonanruf oder einer knappen Mail aus dem Projekt schmeißen und dich mit der Hälfte des Honorars abservieren“, sagt Zahn.
Und auch die Frage, wie Branche künftig mit KI umgeht, treibt die Kölner Autoren um. „Sie weckt natürlich Begehrlichkeiten bei Produzenten. Das Szenario ist: Du lässt dir von einem Autor für wenig Geld eine gute Grundidee liefern, lässt danach das 'Rohmaterial' von der KI in Drehbuchform bringen und heuerst dann für ein paar Euro noch mal einen Autor zur Finalisierung an. Das spart viel Geld, ist aber urheberrechtlich höchst fragwürdig.“ Noch ist das, wie auch Orkun Ertener betont, gerade im Bereich der Highend-Serien Zukunftsmusik. Aber geklärt werden müssen diese Fragen.
Von Goldgräberstimmung kann also keine Rede mehr sein. „Der Boom der Streamer in Deutschland ist wahrscheinlich vorbei“, sagt Ertener. „In den USA werden Stoffe, die in der Entwicklung waren, abgesagt, auch wenn man schon Millionen reingepfeffert hat. Sky hat in Deutschland seine Fiction eingestellt. Die Öffentlich-Rechtlichen wiederum investieren vor allem in Serien für ihre Mediatheken. Wie sich das ausgleicht, wird sich erst noch zeigen.“
Vor ein paar Jahren seien alle auf der Suche nach innovativen Formaten gewesen, sagt ihr Kollege Don Schubert. Das sei vorbei, man setze lieber auf Altbekanntes. Dabei sei das Businessmodell der Streamer ja ohnehin nur, die Plattform zur Verfügung zu stellen. „Aber der ganze Content kommt von uns“, betont Schubert. „Der Gedanke ist nicht abwegig, wie in den 20er Jahren mit der Gründung der United Artists unseren eigenen Vertriebsweg und unsere eigene Plattform als eine weitere Option für Artists, Crews, Produzent*innen, usw. zu starten. Das ist mein Traum.“