Kölner IkoneWas aus Straßenmusiker „Klaus dem Geiger“ wurde
- Klaus „der Geiger“ von Wrochem ist bekannt als Kölner Straßenikone.
- Doch auf dem Asphalt ist der Musiker mit 79 Jahren nicht mehr unterwegs.
- Wir sagen, wo man ihn heute treffen kann.
Köln – In der Fußgängerzone ist er nicht mehr zu finden, zumindest nicht in seiner Eigenschaft als Straßenmusiker. „Das Alter“, sagt er und winkt ab. Im Januar hat er seinen 79. Geburtstag gefeiert, aber wer Klaus von Wrochem jemals in der Kölner Schildergasse erlebt hat, erkennt ihn sofort.
Grau geworden, aber schlaksig wie eh und je, so betritt er das Café am Römerpark. „Eierplätzchen“ nennt der echte Südstädter den Ort, wegen der ovalen Form des Platzes. Natürlich nennt ihn auch Klaus von Wrochem so, und natürlich trägt er einen Geigenkasten unterm Arm.
Fest in der kölschen Hall of Fame
Als Klaus der Geiger gehört er schon lange zum festen Personal der kölschen Hall of Fame. Nun aber kommt er auch ganz offiziell zu musealen Ehren: Im Kölnischen Stadtmuseum steht eine Vitrine mit seiner Geige samt Rundbogen, in unmittelbarer Nachbarschaft zu Exponaten, die im Rahmen einer Ausstellung über das Jahr 1968 der Band Floh de Cologne gewidmet sind – noch so ein linker Gemütswert der Stadt, der an eine Zeit erinnert, in der Protest gegen das Establishment auf der Straße und in besetzen Häusern ausgetragen wurde.
Klaus der Geiger braucht nur aus dem Fenster aufs Eierplätzchen zu schauen und lässig mit der Hand zu wedeln: Da, da und da hat er in Kommunen gelebt. Selbstverständlich war er auch bei Stollwerck dabei.
Die Aussteigerkarriere war Klaus Christian von Wrochem durchaus nicht in die Wiege gelegt. Er stammt aus großbürgerlichem Hause in Sachsen, nach Köln kam er, um an der Musikhochschule Geige zu studieren, er spielte in renommierten Orchestern und arbeitete beim WDR – Mauricio Kagel gehörte zu seinen Lehrern.
Paganini der Fußgängerzone
Was aber gab den Ausschlag, dass er die Laufbahn als Berufsmusiker aufgab und stattdessen zum Paganini der Fußgängerzone wurde, zu einem Straßenmusiker, der mit seinen aufmüpfigen Liedern zwischen Folk, Jazz, Pop und Klassik nicht allein in seiner Wahlheimat Köln, sondern in ganz Deutschland bekannt ist wie ein bunter Hund? „Das ist in Amerika passiert“, sagt er, „dort bin ich zum Hippie geworden.“
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Die Zeit der 68er-Bewegung erlebte von Wrochem in Buffalo im Bundesstaat New York und im kalifornischen San Diego. In den USA richtete sich die Revolte der Jugend in erster Linie gegen den Vietnamkrieg, aber auch gegen rassistische Diskriminierung. „Da ging es heftig zur Sache“, sagt von Wrochem. So sehr, dass er in den USA zum ersten Mal in Konflikt mit der Staatsgewalt geriet.
Hippietum und Kommune
Zurück in Deutschland, blieb er dem Hippietum treu, wurde Kommunarde und stieg auf ins Pantheon des linksalternativen, später auch ökologisch durchdrungenen Protests. Dort wusste er andere Kölner Größen wie Wolfgang Niedecken an seiner Seite, später auch Walter Herrmann, dessen „Klagemauer“ am Dom zunächst gegen Mietwucher in Köln gerichtet war, mehr und mehr aber in aggressiven Antisemitismus abdriftete – davon will Klaus der Geiger nichts gemerkt haben, auch wenn er im Rückblick sagt: „Der Walter hat alle verprellt.“
Auftritt im museum
Am 23. März 2019, 19 Uhr, steht Klaus der Geiger im Kölnischen Stadtmuseum auf der Bühne – mit einer Auswahl seiner politischen Protest-Songs
Eintritt: 5 Euro, erm. 3 Euro
Einlass: Ab 18.15 Uhr
Wenn Klaus der Geiger einen Querschnitt seiner Lieder zum Besten gibt, geht er gleichzeitig auf Zeitreise durch das westdeutsche widerständige Bewusstsein. Von Mutlangen bis Wackersdorf, vom Hambacher Forst bis zur Friedensbewegung, von der Besetzung des Stollwerck-Geländes bis zur Entrüstung über den Kölner Immobilienunternehmer Günther Kaußen stellen von Wrochems Songs ein kleines Kompendium der Reizthemen vergangener Jahrzehnte zusammen. Klaus der Geiger ist der Barde der Post-68er-Ära. Er besingt, was vom Aufstand übrig blieb. Eine ganze Menge Unzufriedenheit.
Und doch, er blicke auf ein glückliches, ein geglücktes Leben zurück: Ziemlich verrückt sei es gewesen. Wenn auch nicht mehr auf der Schildergasse, so ist er noch immer in Konzertsälen mit der Geige dabei, am liebsten im Grenzgebiet zwischen Volksmusik und Klassik. Die Weggefährten werden weniger, kein Wunder in seinem Alter – soeben kehrt er aus Oldenburg zurück, wo er auf dem Begräbnis einer Freundin spielte. Klaus der Geiger aber wirkt kein bisschen müde, auch Karneval hat er wieder gefeiert. In der Südstadt natürlich.