Bassist Roger Kintopf zählt zu den kreativsten Innovativ-Posten des Jazz in der Stadt. Im März tritt er bei zahlreichen Konzerten in Kölner Clubs auf.
Kölner Jazz-Bassist Roger KintopfAngetreten zur musikalischen Vermessung der Welt

Seine radikale Offenheit macht den Kölner Jazz-Bassisten Roger Kintopf zu einer der innovativsten Positionen der Szene.
Copyright: Dovile Sermokas
Vor fast zehn Jahren kam Roger Kintopf nach Köln, um an der Hochschule für Musik und Tanz zu studieren. Schnell schlug der junge Kontrabassist Wurzeln, spielte erste Konzerte, vernetzte sich mit Gleichgesinnten. Heute kann man sich den innovativen Creative Jazz in Köln kaum noch ohne ihn vorstellen – und das nicht nur, weil er ein vorzüglicher Jazz-Musiker ist: Roger Kintopf ist ein flexibel denkender, empathisch agierender Kollektivspieler, der seine Ideen vornehmlich im konzentrierten Miteinander realisiert. So entstehen zwischen subtil-fragilen Harmonien und komplex-sperrigen Strukturen seine faszinierenden Klangwelten. Einige von ihnen lassen sich nun in gleich mehreren Konzerten entdecken.
Ein flexibel denkender, empathisch agierender Kollektivspieler
Wie ein roter Faden ziehen sich durch die Ensembles, in denen Kintopf spielt, schöpferische Freundschaften, getragen von emotionaler Verbundenheit und gegenseitiger Sympathie. So gründete sich während der Corona-Pandemie das Felix Ambach Trio, in dem die alten Weggefährten Kintopf und Ambach am Schlagzeug hinreißend miteinander grooven und damit die Grundlage für die Klarinetten-Improvisationen von Julius Gawlik schaffen. In der kurzzeitig coronafreien Phase entstand 2020 ein mitreißender Live-Mitschnitt, der von der gänzlich schubladenfreien Spielfreude der drei Musiker zeugt, die nahtlos zwischen Swing, Kammermusik und Moderne changieren und sich mit ihren brillanten Improvisationen gegenseitig befeuern. Das Trio, sagt Kintopf, stehe beispielhaft dafür, „wie gut wir schon während der Pandemie miteinander vernetzt waren. Das Projekt umzusetzen, war kompliziert, aber es war tatsächlich eine der ‚Corona-Bands‘, die aus der Pandemie heraus entstanden.“
Sich herausfordern zu lassen, ist heute leider bei Teilen des Publikums abhandengekommen.
Eine weitere „Corona-Band“ ist das Trio Percussion, das Pianist Felix Hauptmann mit Kintopf und Schlagzeuger Leif Berger gründete, während Kintopfs eigenes Quartett Structucture mit Victor Fox (Tenorsaxofon), Asger Nissen (Sopransaxofon) und Felix Ambach bereits 2015, damals noch als Trio, entstand. So abstrakt die Musik mitunter anmutet, so unüberhörbar ist sie stets emotional grundiert und spricht eine freundliche Einladung zum neugierigen Zuhören aus. „Sich auf etwas Unbekanntes einzulassen“, sagt Kintopf, „sich fordern und herausfordern zu lassen, das ist heute leider bei Teilen des Publikums abhandengekommen.“
Während der Pandemie entstand auch Kintopfs erstes Solo-Album
Auch für Kintopf war die Pandemie eine tiefe Zäsur. „Doch ich hatte unfassbar viel Glück. Mir ging es gesundheitlich gut, ich studierte, war schon mit der Kölner Jazz-Szene verknüpft, hatte meine eigene Band und konnte ohne Druck meinen Dingen nachgehen. Finanziell wurde uns unter die Arme gegriffen, was damals weit weniger bürokratisch war als es jetzt ist.“ Auch entstand die Idee zu einem ersten Solo-Album, „die kommt einem einfach, wenn man zu Hause und viel allein ist“. Darauf sowie auf dem Nachfolgealbum „Solo II“ experimentiert Kintopf eindrucksvoll mit Techniken, Strukturen und Klangwirkungen. Er streicht, schlägt und zupft, spielt mitunter zwei Themen zugleich. „Dazu hörte ich viele andere Bassisten und überlegte, ob und wie ich deren Musik umsetzen kann. Meine größte Inspiration war Barre Phillips, den ich über eine Online-Stunde, aber auch über einen Workshop der Hochschule kennenlernte. Den hatte Dieter Manderscheid organisiert – auch er eine Inspiration. Von ihm habe ich unglaublich viel mitgenommen.“ Aus seiner eigenen Generation beeindruckt Kintopf aktuell Brandon Lopez aus New York: „Er kann einen Energiestrahl über lange Zeit aufrechterhalten, das berührt mich ungemein.“
Im März ist Roger Kintopf gleich fünfmal live zu erleben
Im März ist Roger Kintopf gleich fünfmal live zu erleben. Im visionären Avantgarde-Ensemble theconsistencyofdestruction des Trompeters Pascal Klewer, dem vor allem mit dem Stück „Now I get why people kill themselves“ ein episches Meisterwerk glückte, spielt er mit Pianist Felix Hauptmann, Bassist Florian Herzog und Schlagzeuger Leif Berger. Erstmals kommt das Ensemble „Fear O’She“ zusammen, zu dem neben Cellistin Elisabeth Coudoux auch Saxofonist Jeremy Viner, Felix Hauptmann und Schlagzeuger Tancrède D. Kummer gehören. Ein Höhepunkt ist das Konzert des Emilia Gołos Quartett, in dem Kintopf mit Victor Fox (Saxofone), Jakob Görris (Schlagzeug) sowie der jungen polnischen Pianistin selbst spielt. Auch Emilia Gołos studierte an der Kölner Hochschule für Musik und Tanz, im Loft spielte sie mit dem Quartett ein hinreißendes Live-Album ein: eine freischwebende Musik von selbstvergessener Schönheit und tranceartiger Spannkraft, aus der die Improvisationen quasi aufblühen, um allmählich wieder zu verblühen: Kunststücke, die an die meditative Kraft einer Alice Coltrane erinnern.
Schließlich begleiten Roger Kintopf und Schlagzeuger Alexander Parzhuber den Pianisten Simon Nabatov, auch dies ein in Freundschaft und Respekt gewachsenes Trio. Kintopf: „Mit Simon zu spielen, ist eine besondere Herausforderung. Er ist sehr durchsetzungsfähig, und man muss ihm immer wach folgen. Man weiß nie, was passiert, aber es bringt stets eine große Klarheit mit sich.“ Noch unvorhersehbarer dürfte das Konzert des Quartetts Big Breeezy’s Mumble Jazz im JAKI werden, wenn die Saxofonisten Victor Fox (alias Big Breeezy) und Fabian Dudek mit Roger Kintopf und Schlagzeuger Joshua Knauber Avantgarde, Impro und urbane Klangfetzen aus Kölner Straßen amalgamieren.
Es ist ungemein an- und aufregend mitzuerleben, wie Roger Kintopf und alle weiteren Musizierenden voller Energie und Tatkraft zur musikalischen Vermessung der Welt antreten. Selbstbewusst erschaffen sie ihre eigene Klangmoderne, nicht als Bewegung und auch nicht als eine feste Gruppe mit Satzung und Organisationsstruktur, vielmehr als erfrischend unsystematische Mischung, radikal offen für unterschiedlichste Stile. Und immer mittendrin: Roger Kintopf.
Konzerte mit Roger Kintopf: 6.3. theconsistencyofdestruction, Loft; 10.3. Fear O’She, Loft; 13.3. Emilia Gołos Quartett, Loft; 29.3. Big Breezy’s Mumble Jazz, JAKI; 31.3. Nabatov-Kintopf-Parzlhuber, Loft; Beginn jeweils 20 Uhr.
Weitere Informationen sind auf rogerkintopf.com zu finden.