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Kölner Kulturpreis„Wir tun Dinge, die man bei uns nicht erwartet“

Lesezeit 5 Minuten

Hannelore Vogt

  1. Hannelore Vogt wurde zur Kulturmanagerin des Jahres 2015 gewählt.
  2. Die Direktorin der Kölner Stadtbibliothek entwickelt ihr Haus in der digitalen Welt zu einem Zentrum des vielfältigen Lernens.

Frau Vogt, eben erst wurde die Stadtbibliothek Köln als „Bibliothek des Jahres“ ausgezeichnet. Nun gibt es den Kölner Kulturpreis für Sie. Was machen Sie besser als andere?

Wir schauen weit über unseren Tellerrand hinaus, sind sehr innovativ und machen uns viele Gedanken über die Zukunft von Bibliotheken im digitalen Zeitalter. Wir sind auch mutig und probieren Dinge neu aus.

Darf man da auch scheitern?

Ja, das ist essenziell, wenn man im Kontext Innovation unterwegs ist. Wir haben unterschiedliche Innovationsteams. Die wissen, dass es selbstverständlich keine Sanktionen gibt, wenn etwas nicht klappt.

Zur Person

Hannelore Vogt, 1958 in Marktbreit in Bayern geboren, ist seit 2008 Direktorin der Stadtbibliothek Köln. Zweimal wurde eine von ihr geführte Bibliothek vom Deutschen Bibliotheksverband zur „Bibliothek des Jahres“ gewählt: 2003 Würzburg und dann 2015 Köln.

Teams im Dienste der Innovation?

Ja, weil auch bei uns das Personal knapp ist, arbeiten wir mit mobilen Teams. Die bilden wir je nach Thema. Natürlich soll das Produkt funktionieren, wenn wir damit an die Öffentlichkeit gehen. Wir lernen allerdings auch von der Öffentlichkeit. So auch als wir vor drei Jahren den ersten öffentlichen 3D-Drucker in der Stadt installiert haben.

Dass Sie die Kenntnisse des Publikums nutzen, gehört zu einem Prinzip des Hauses?

Ja, das machen wir etwa bei den Junior-Experten, wo Ältere von Jüngeren lernen. Aber auch im „Sprachraum“ der Flüchtlingsarbeit, wo wir ganz stark mit Experten von außen und mit Initiativen zusammenarbeiten. Wir bieten das Forum, wir vernetzen und sorgen für die Infrastruktur – aber ansonsten lassen wir das die Bürger machen. Wir hören zu und bekommen Vorschläge. In unseren Reihen sind auch viele Ehrenamtler tätig.

Das alles ist weit weg von der Ur-Vorstellung einer Stadtbibliothek, in der man nur Bücher ausleiht. Müssen wir einen neuen Namen für diesen Ort finden?

Nein, das sollte man nicht tun. Denn „Stadtbibliothek“ ist eine eingeführte Marke, die für Qualität und Vertrauen steht. Wir wollen das Alte bewahren und das Neue zulassen.

Es geht immer ums Lernen?

Das ist zentral. Allerdings Lernen in verschiedenen Formen – auch durch Partizipation, durch Inspiration, in Lerngruppen. Darauf muss man den Ort anpassen – wir brauchen Räume, wo es laut werden darf, aber eben auch ruhige Räume. Und es kommen immer mehr Leute, die immer länger bleiben.

Da kann man ja die Generalsanierung nutzen, die jetzt ansteht.

Ja. Ende 2017/Anfang 2018 geht es los. Bei laufendem Betrieb. Wie die Innengestaltung künftig aussehen soll, muss genau besprochen werden. Es steht noch eine Jurysitzung aus. Und dann muss der endgültige Baubeschluss in den politischen Gremien erfolgen.

Sind Sie Bauherrin?

Nein, wir sind nur Mieter im Objekt. Bauherr ist die Gebäudewirtschaft. Und es muss ein Generalunternehmer gefunden werden, der das Projekt betreut.

Geht es für eine Managerin, als die Sie jetzt ausgezeichnet werden, in erster Linie ums Geld?

Geld ist wichtig. Aber entscheidend ist, dass Sie die richtigen Strukturen schaffen und die Menschen mitnehmen. Wenn das Team nicht spürt, dass Sie für das Thema brennen, ist es nicht gut. Wenn Sie aber das Team im Boot haben und begeistern, schwappt die Begeisterung auch auf die Besucher über.

Ist Ihr Team im Laufe der Zeit und des Kostendrucks geschrumpft?

Es ist konstant geblieben. Wir haben zwei Stellen mehr geschaffen, weil die Mediennutzung so stark angestiegen ist – beispielsweise in der Zentralbibliothek um 60 Prozent. Aber durch die Einführung neuer Technologien haben wir Kapazitäten freigeschaufelt. All die Zusatzveranstaltungen leisten wir in der Zentralbibliothek am Neumarkt und in den elf Stadtteilbibliotheken mit dem Bestandsteam.

Wie ist denn der enorme Anstieg der Nutzung seit 2008, seit Ihrem Amtsantritt in Köln zu erklären?

Da kommt einiges zusammen: Eine veränderte Gebührenstruktur, die vielen Aktivitäten von den „Bücherbabies“ bis zur Robotik, und dann arbeiten wir stark mit den Schulen zusammen, um alle Kinder in die Bibliothek zu bekommen und nicht nur die Mittelstandskinder, deren Eltern ohnehin zu uns kommen. Und wir tun Dinge, die man bei uns nicht erwartet. Dafür haben wir unter anderem zwei junge Kollegen als Trendscouts in der Szene angesetzt. So erreichen wir mit der Reihe „Geeks@cologne“ die 20- bis 30-Jährigen – dazu gehören Twitterlesungen, Science Slam oder Cryptoparties, wo es um Computersicherheit für Laien geht.

Sie sind Diplom-Bibliothekarin und haben einen Magisterabschluss als Kulturmanagerin und dann promoviert. Zu welchem Thema?

Es ging um Besucherorientierung in Bibliotheken und um Zukunftsperspektiven. In Sachen Nonprofit-Marketing gab es damals noch nicht so viel. Ich habe diese Arbeit berufsbegleitend geschrieben. Da war es dann schön, dass kurz nach der Promotion die Stadtbibliothek Würzburg, die ich damals leitete, zur „Bibliothek des Jahres“ für besondere Kundenorientierung gewählt wurde. Ich habe also sozusagen am „lebenden Objekt“ forschen können.

Und diesen Erfolg haben Sie nun auch in Köln..

Das Schöne ist, dass wir überrannt werden von Gästen aus aller Welt. Und wir sind gefragte Referenten – gerade erst war ich in China und Japan, Kollegen sind in der Schweiz oder in Portugal. Es soll nicht arrogant klingen, aber man kann sagen: Weltweit sind wir ganz, ganz weit vorne.

Das Gespräch führte Martin Oehlen

Auszeichnung des Kölner Kulturrates

Zur Kulturmanagerin des Jahres 2015 wurde im Rahmen des Kölner Kulturpreises Hannelore Vogt gewählt. Werner Jung wird mit dem Ehrenpreis geehrt. Für das Kulturereignis 2015 wurden die Kölner Theaternacht, die lit.Cologne und die Kölner Musiknacht nominiert. Die Preisverleihung findet am 29. Juni 2016 statt. Der Kölner Kulturpreis ist eine Initiative des Kölner Kulturrates und wird von Generali Deutschland gefördert.

Der Jury gehörten an: Gerhart Baum (Vorsitzender), Peter Bach, Stephan Berg, Klaus Bittner, Hermann Hollmann, Dietmar Meister, Martin Oehlen, Olaf Wegner, Regina Wyrwoll.