Kölner KunstpreisWarum Marcel Odenbach einfach mal dran war
- Der Kölner Künstler Marcel Odenbach bekommt den Wolfgang-Hahn-Preis. Es ist die wichtigste Auszeichnung, die in der Kunststadt Köln verliehen wird.
- Seit Jahren stand der international bekannte Video- und Konzeptkünstler auf der Kandidatenliste. Jetzt war er endlich mal dran, findet nicht nur die Jury.
Köln – Die bedeutendste Auszeichnung der Kunststadt Köln geht im nächsten Jahr an einen lokalen Matador: Marcel Odenbach, 1953 in Köln geboren, erhält den Wolfgang-Hahn-Preis 2021 der Gesellschaft für moderne Kunst am Museum Ludwig. Mit dem Preisgeld von 100000 Euro werden die „Schnittvorlagen“ des Künstlers für die Ludwig-Sammlung angekauft, also die vornehmlich aus Kopien von Zeitungs- und Zeitschriftenmaterial gebildeten Fotocollagen, aus denen Odenbach die Ideen für seine großformatigen, aus unzähligen einzelnen „Fetzen“ zusammengeklebten Papiercollagen zieht. Yilmaz Dziewior, Direktor des beschenkten Museums, vergleicht die „Schnittvorlagen“ mit Gerhard Richters „Atlas“, einem Bilderfundus, der, eigentlich eine Mischung aus Archiv und Ideenspeicher, vom Münchner Lenbachhaus in den Rang eines monumentalen Ausstellungsstücks erhoben wurde.
Wie Gerhard Richters Atlas
Ähnliches plant Dziewior nun offenbar auch für Odenbachs aktuell 106 „Schnittvorlagen“ im DIN-A3-Format; diese, so Dziewior, seien für den Künstler der „Grundstock für alles“, weshalb Odenbach zunächst auch reserviert auf das Ansinnen des Museums reagiert habe. Da er weiterhin mit den „Schnittvorlagen“ arbeitet, gibt Odenbach sie (sowie alle noch entstehenden) in Form eines Vorlasses ans Museum Ludwig; sobald er sich zur Ruhe gesetzt hat, darf das Haus frei über sie verfügen. Für die Dauer der mit dem Preis verbundenen Ausstellung der „Schnittvorlagen“, beginnend im November 2021, plane Odenbach, so Dziewior, ein Sabbatical.
Die Auszeichnung für Marcel Odenbach ist einerseits naheliegend, wie Mayen Beckmann, Vorstandsvorsitzende der Gesellschaft für moderne Kunst, sagte, weil er seit Jahren auf der Vorschlagsliste stehe und in der Sammlung seines Heimatmuseums zwar vertreten sei, aber nicht in dem Umfang, wie es seiner internationalen Bedeutung angemessen wäre. Andererseits steckt Odenbach, wie er selbst einmal sagte, in Köln und drumherum „in der Schublade Video drin.“ Tatsächlich begann er seiner Karriere als Videokünstler, seit den 1990er Jahren, ungefähr beginnend mit den „Schnittvorlagen“, geht er jedoch erfolgreich als Schöpfer großformatiger Papiercollagen fremd. Tritt man nah genug an diese heran, erkennt man, dass die fotorealistischen Motive aus lauter anderen, passend eingefärbten und zugeschnittenen Fotoschnipseln aufgebaut sind – und diese eine versteckte Bedeutungsebene ergeben. So legt Odenbach in seiner Serie „Deutsches Symbol“ (1994) das aus Fotografien von Politikern gebildete Zeichen der Deutschen Bank über die Artikel des Grundgesetzes, während sich unter dem „VW“ des Volkswagen-Konzerns die Fortsetzung der NS-Zeit in der Bundesrepublik abzeichnet. Auch die deutsche Kolonialzeit gehört zu Odenbachs großen Themen; er arbeitet in Köln, lebt aber zeitweilig in Ghana.
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In gewisser Hinsicht ähneln Odenbachs Collagen den Arbeiten Thomas Bayrles, auf denen ebenfalls viele kleine Bilder ein großes, oftmals mit politischer Bedeutung aufgeladenes ergeben. Doch während Bayrle einer seriellen Maschinenästhetik huldigt, ist bei Odenbach alles von Menschen handgemacht. Seine Bilder sind Ausdruck privater Erinnerungen, die sich buchstäblich mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit überlagern und eine zeitgemäße Form der Feinmalerei ergeben. Im 19. Jahrhundert drückten sich die Besucher der Kunstsalons an ungemein detailreichen Gemälden die Nasen platt. Heute an den Bildern, die in Marcel Odenbachs Collagen stecken.