Kölner MusikfestivalDas bieten die gestreamten Acht Brücken
Köln – „Man sieht etwas anderes, wenn man hört, und man hört etwas anderes, wenn man sieht.“ Auf diese griffige Formel bringt der französische Komponist und Regisseur Michel Chion die Wechselwirkung von Sehen und Hören. Auch bei Musik gibt es viel zu gucken. Im Konzert beobachten wir Instrumente, Musikerinnen, Musiker, Spielgesten, Gesichtsausdrücke, Publikum, Licht, Saal, Innenarchitektur, Programmheft. In Theater, Ballett und Film ist Musik ohnehin mit Visuellem verknüpft. Und auch im Internet begegnet sie meist mit Bildern, Fotos, Videos, Animationen.
Das Festival Acht Brücken – Musik für Köln verbindet einige Programme des im letzten Jahr pandemiebedingt ausgefallenen Festivalthemas „Kosmos“ mit dem aktuellen Thema „Comic“. Weil auch 2021 keine Veranstaltungen mit Live-Publikum stattfinden dürfen, findet nun „Kosmos/Comic“ vom 1. bis 15. Mai in Videostreams statt. Auf der Homepage „achtbruecken.de/mediathek“ werden 27 Produktionen verfügbar sein, darunter 17 Uraufführungen. Das ist beachtlich, zumal man nicht einfach Konzerte ins Internet stellt, sondern als spezielle audiovisuelle Projekte präsentiert. Denn im Zentrum stehen Kombinationen von neuer Musik mit Comics, Graphic Novels, Stumm-, Animations- und Musikfilmen, Comic-Lesungen und Live-Zeichnungen zu Musik. Das Festival verspricht vielseitig und bunt zu werden, auch schräg, popaffin und unterhaltsam.
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Gleich mehrere Konzerte werden live bebildert. Der österreichische Illustrator Lukas Kummer visualisiert Salvatore Sciarrinos Straßennotizheft „Quaderno di strada“. Die Duisburger Kommunikationsdesignerin Silvia Dierkes bringt Klänge des Sextetts „blur“ der Schweizer Komponistin Katharina Rosenberger auf die Leinwand. Und der Düsseldorfer Zeichner Jurek Malottke generiert Bilder zu Fausto Romitellis Ensemblewerk „Professor Bad Trip“, das seinerseits durch Comics inspiriert wurde. Der Wiener Komponist Bernd Richard Deutsch reagierte auf Philip K. Dicks Science-Fiction „Dr. Futurity“ mit einem gleichnamigen Ensemblewerk, das die Comic-Zeichnerin Frauke Berger nun in Gemaltes rückübersetzt. Und bei Jennifer Walshes „meanwhile, back at the ranch...“ sorgt ein Image-Controller für Visuals.
Das Kölner Ensemble Musikfabrik spielt drei Uraufführungen zum Stummfilm „Stump the Guesser“, der bei der Berlinale 2020 vorgestellt wurde und nun gleich dreimal neu „betont“ wird. Das Klangforum Wien und der Stimmperformer David Moss präsentieren im Wechsel mit Drahtseilakrobatik neue Musik zu Animationsfilmen über die Dissonanz zwischen Verantwortung und Spaßgesellschaft. Das Berliner Vokaloktett PHØNIX16 musikalisiert den Experimentalfilm „DRZAVA“. Und im Wechsel mit Musik des Kollektiv3:6 Köln generiert das französische Living Cartoon Duet mittels Stummfilmklavier und analoger Hörspieltrickkiste einen Live-Soundtrack zu Zeichentrickfilmen.
Zwei Live-Streams gibt es vom WDR-Sinfonieorchester und WDR Rundfunkchor. Der Chor singt zur Eröffnung am 1. Mai die Uraufführungen von Gordon Kampes „Gespenster und Fahnen“ und Lera Auerbachs „Galgenlieder“ nach Gedichten von Christian Morgenstern. Das niederländische Ensemble Asko|Schönberg überblendet Richard Ayresʼ halbszenische Groteske „No. 50 (The Garden)“ nach Bildern von Hieronymus Bosch mit Sequenzen der Experimentalfilmerin Martha Colburn. Und das Theater Aachen zeigt erstmalig Miroslav Srnkas Kinderoper „Jakub Flügelbunt... und Magdalena Rotenband oder: Wie tief ein Vogel singen kann“.
Im Internet überwindet das Festival spielend Zeit und Raum. Das einmalige Hier und Jetzt der Aufführungen geht dabei zwar ebenso verloren wie die lebendige Interaktion von Musikschaffenden und Publikum. Doch dafür bieten die Streams eine besondere optische Ansprache, technische Varianz und zeitliche Flexibilität. Die auswärtigen Ensembles produzieren ihre Programme selbst mit individuellen Mitteln, Ideen, Konzepten. Und nach der Erstausstrahlung werden alle Streams noch 30 Tage lang abrufbar sein, weltweit und kostenlos zu freier Einwahl. Das ist ein großartiges Angebot, von dem man reichlich Gebrauch machen sollte. Wer dann immer noch nicht hören will, der soll Acht Brücken eben sehen!
Acht Brücken - Musik für Köln, 1.-15. Mai, im Livestream auf achtbruecken.de