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Kölner MusikfestivalWarum die c/o pop zugleich das dienstälteste und jüngste Festival Deutschlands ist

Lesezeit 6 Minuten
Die Sängerin Domiziana und der Rapper Ski Aggu, beide aus Berlin, posieren im April 2023 auf der Bühne des Kölner Popfestivals c/o pop vor gestikulierenden Fans.

Ski Aggu und Domiziana im April 2023 auf der Jubiläums-c/o-pop

Zum 20-Jährigen gibt es bei der c/o pop Anlass zum Jubel: Nach einer Kurskorrektur eroberte das Kölner Festival das junge Publikum im Sturm.

Es war ein schöner Abschluss des Jubiläumsjahres: Im Frühjahr 2023 konnte die c/o pop ihre 20. Ausgabe feiern und im Herbst beim Preis für Popkultur in Berlin – 2016 als Gegenmodell zum kurz darauf eingestellten Echo gegründet – die Auszeichnung für das Jubiläum in der Kategorie „Gelebte Popkultur“ entgegennehmen.

Was Ralph Christoph, der die c/o pop zusammen mit Geschäftsführer Norbert Oberhaus 2003 gegründet hatte, einerseits überrascht hat, schließlich nahm man als Kölner Veranstaltung in der Berliner Blase lange nur eine Außenseiterposition ein, aber deshalb nicht weniger freute: „Es gibt uns jetzt deutlich länger als es die PopKomm gegeben hat, wir sind das dienstälteste Festival dieser Art. Und das ist jetzt endlich auch in der Branche angekommen.“ Einst war die c/o pop als eine Art Trostpflaster für die nach Berlin verzogenen PopKomm angetreten.

Tim Rummel (v.l.), Carolin Jäger und Ralph Christoph freuen sich in Berlin über den Preis für Popkultur für die c/o pop

Tim Rummel (v.l.), Carolin Jäger und Ralph Christoph freuen sich in Berlin über den Preis für Popkultur für die c/o pop

Doch seitdem hat sie sich immer wieder verändert, gehäutet oder völlig neu erfunden. Mehr als einmal stand das Fortleben der c/o pop auf der Kippe. „Von unseren 20 Jahren waren 15, 16 davon geprägt, irgendwie den Status quo zu halten“, sagt Ralph Christoph. „Mal brachen die Venues weg, mal wackelte die Förderung, wechselte das Team oder war die Ausrichtung nicht richtig fokussiert. Das ist jetzt anders. Jetzt können wir in die Zukunft investieren.“ Denn ausgerechnet jetzt, mit 20 Jahren und in einer völlig veränderten Poplandschaft, ist die c/o pop so erfolgreich und so jung – der größte Teil des Publikums ist zwischen 19 und 21 – wie nie zuvor.

Sämtliche Veranstaltungen im vergangenen April waren ausverkauft, so auch das Konzert von Ski Aggu. Den Berliner Rapper kannten damals nur Eingeweihte, anderthalb Monate später führte er in der ziemlichen irren Kollaboration mit dem niederländischen Rapper Joost Klein und dem deutschen Humor-Großvater Otto Waalkes die Single-Charts an. Nur, woher ahnte das die c/o pop? Christoph gibt unumwunden zu, kaum einen der Acts zu kennen, die in der abgelaufenen Ausgabe für volle Säle sorgten und in der kommenden für ebensolche sorgen werden.

Nach seinem c/o-pop-Auftritt wurde der Rapper Ski Aggu zum Superstar

Und auch Elke Kuhlen, verantwortlich fürs Festival-Programm, verweist zunächst auf die Leistung ihres jungen Booking-Teams: „Das hält die Nase in den Wind und entdeckt immer wieder Künstler mit einem Wahnsinnspotenzial. Heute könnten wir uns einen Ski Aggu gar nicht mehr leisten.“ Trotz des Erfolgs: die strategische Neuausrichtung auf die Generation Z war durchaus ein Risiko.

Menschen, die zu Pandemiezeiten volljährig wurden, kannten wahrscheinlich weder die c/o pop, noch ihre wechselvolle Geschichte. Und gelten zudem als schwer berechenbares Publikum. Die Verjüngung und Neustrukturierung habe durchaus Kraft gekostet, bestätigt Kuhlen, aber nun ernte man seit zwei Jahren die Früchte des gewollten Wandels. Viel schneller als gedacht, ergänzt Christoph: „Wir haben begriffen, dass die Gen Z Musik nicht ausschließlich über Konzerte wahrnimmt, sondern als Experience konsumiert.“

Elke Kuhlen, Programmleiterin c/o pop

Elke Kuhlen, Festivaldirektorin der c/o pop

Zur Musikerfahrung, zählt Kuhlen auf, kommen heute noch viele andere Bestandteile wie Beauty, Fashion, Sport, Health, Wellness oder Food dazu. „Diese ganzen Sachen muss man mit abdecken, will man das Publikum zur Musik führen. Mein Wachrufmoment fand im vergangenen Jahr statt, als wir die Ladys von „Isla Berlin“ eingeladen hatten. Die machen Nageldesign und selbst ich würde mir wünschen, so etwas gäbe es auch in Köln. Da habe ich gemerkt, wie ganz andere Menschen in der Schlange standen, um sich die Nägel machen zu lassen und sich dann sagten, okay, jetzt sind wir schon mal hier, dann lass doch mal vorne die Band angucken. Und vice versa.“

Auch andere Festivals, sagt Kuhlen, hätten inzwischen ihr Angebot erweitert. „Aber wir waren mit der Idee, das ganz hart zu pushen, dass auf einem Festival auch andere, sehr weit gefasste popkulturelle Inhalte stattfinden sollten, wirklich die Vorreiter.“ Zugleich, sagt Ralph Christoph, schließe das Programm ältere Zielgruppen nicht aus. Auf dem popkulturellen Markt, für den Teile der Venloer Straße gesperrt werden oder zu den Umsonst-Veranstaltungen des Festivals, würden alle mitgenommen, wie sich das in Köln gehört.

Ralph Christoph, Convention Director c/o pop

Ralph Christoph, Direktor der c/o-pop-Convention

Die größere Frage, die die derzeit viele Menschen in der Musikindustrie beschäftigt, lautet sowieso, wie man mit der Jugend ins Gespräch kommt. In dem man ganz offen mit ihr redet, meint Elke Kuhlen. „Wir haben eine Gesprächsrunde innerhalb unserer Booking Gruppe eingerichtet, da reden wir mit Menschen ganz unterschiedlicher Art, die aber alle zwischen 17 und 21 sind. Da lerne nicht nur ich noch ganz viel, sondern auch unser noch verhältnismäßig junges Team. Wir arbeiten in einem Markt, der sehr viel mit Trends zu tun hat, egal, ob diese Trends jetzt musikalischer oder popkultureller Natur sind.“

Denen einfach hinterherzulaufen, bringe freilich nichts. „Du kannst den Gen-Z-Leuten nicht ein X für ein U vormachen“, sagt Christoph. „Du kannst nicht behaupten, wir sind hier total cool, divers und genderneutral, und es nicht sein, das sehen die sofort. Und dann kriegst du das gespiegelt.“ Es hilft natürlich, dass die c/o pop schon vor Jahren die 50-Prozent-Frauenquote im Programm eingeführt hat und stetig die ökologische Nachhaltigkeit der eigenen Arbeit verbessert. „Solche Dinge, die früher noch als Softkriterien galten, sind heute entscheidend. Wenn du die glaubhaft rüberbringen willst, musst du die jungen Leute involvieren.“

Das gilt laut Christoph auch für den Konferenzteil der c/o pop, der sich mit einem Musikgeschäft auseinandersetzt, dass sich nach wie vor dramatisch ändert und nun auch endlich immer weiblicher und jünger werde. Es sind dann die jungen Professionellen, die den Älteren erzählen, wie es weitergeht, und es dreht sich wie in anderen Branchen auch viel um die Frage, wie die Branche den Nachwuchs locken kann, denn auch im Popgeschäft herrscht Fachkräftemangel.

Köln hat endlich begriffen, wie Popkultur die Lebensqualität verbessern kann
Ralph Christoph, Direktor der c/o-pop-Convention

In der Stadtgesellschaft sei man inzwischen fest verankert, schätzen die c/o pop-Macher. Köln hat endlich begriffen, wie Popkultur die Lebensqualität verbessern kann. Die wesentlichen Punkte, die im Popbereich im Kulturentwicklungsplan standen, sagt Ralph Christoph, wie der Kulturraumschutz, die Einrichtung eines Kulturraummanagers und eines Pop-Preises, sind alle umgesetzt worden, wenn gleich hier nach wie vor viel Arbeit nötig sei, um die Interessen der Popkultur nachhaltig zu stärken. Die Hochkultur hinkt dagegen hinterher.

Bei der Politik vor Ort, im Land und in Berlin sei man jetzt besser vernetzt als je zuvor. Durch das ausverkaufte Festival, sagt Kuhlen, kämen aber zudem Partner auf das Festival zu, die es zuvor zum Teil gar nicht wahrgenommen hätten. „Denn natürlich will jeder genau mit dieser jungen Zielgruppe arbeiten, egal, ob wir jetzt von einer Marke reden oder von der Bundeskunsthalle, alle wollen und müssen sich verjüngen.“

Doch das Festival bleibt weiterhin von öffentlichen Geldern abhängig. Vor allem den Bund hatte man davon überzeugen können, dass man ein gutes Gespür dafür habe, wie Nachwuchsförderung in der Popkultur aktuell funktioniert. „Früher hat man vielleicht mal eine Band nach Frankreich auf Tour geschickt“, sagt Christoph, „und gedacht, dann klappt das schon. So geht das heutzutage aber nicht mehr.“ Die eigene Förderung ermöglicht nicht zuletzt die vergleichsweise günstigen Eintrittsgelder des Festivals und der Convention.

Kommenden April, zur 21. c/o pop, wird es neben viel neuer, unerhörter Musik unter anderem ein Schnaps-oder-Wahrheit-Spiel mit dem Kölner Rapperduo Lugatti & 9ine, einen Bagger-Fahrworkshop und ein Kollektiv aus Drag Kings und Queens mit Down-Syndrom geben. Dann ist die Stadt wieder jung und bunt. Gelebte Popkultur eben.


Die c/o pop 2024 findet vom 24 bis zum 28. April statt