Die Mezzosopranistin Anna Lucia Richter gastierte in der Kölner Philharmonie und überbrückte dabei gekonnt acht Jahrhunderte Musikgeschichte.
Kölner PhilharmonieAnna Lucia Richter sprengt die Grenzen des gepflegten Kunstgesangs
Dem Licht als Idee und poetisches Motiv gingen Anna Lucia Richter und ihr Klavierpartner Ammiel Bushakevitz im Rahmen der philharmonischen Liedreihe nach. Angesichts des geradezu ausufernd vielgestaltigen Programms ist das, was der israelische Pianist zu leisten hatte, mit Klavierpartnerschaft allerdings nur unzureichend beschrieben: Für zwei mittelalterliche Gesänge von Oswald von Wolkenstein und Walther von der Vogelweide nahm Bushakevitz eine altertümliche Drehleier auf den Schoß; zwei „Schemelli-Lieder“ von Bach und eine aufklärerisch gestimmte Naturszene von Joseph Haydn begleitete er auf dem Cembalo. Für den üppigen Rest des Programms - von Mozart über die Romantiker bis zur Avantgarde - nutzte er den modernen Flügel, dessen Klangeigenschaften er auch durchaus offensiv und mit Sinn für das charakteristisch gezeichnete Detail zum Einsatz brachte.
Anna Lucia Richter schulte von Sopran auf Mezzo um
Das Programm-Motto wurde an diesem außergewöhnlichen Kölner Abend auf vielfältige Weise reflektiert. Zur Analogie von Licht und Leben trat dabei immer wieder die Finsternis als Bild des Todes; auch Zwischenstufen wie in Fanny Hensels „Dämmrung senkte sich von oben“ und Franz Schuberts „Im Abendrot“ bezogen aus dieser Polarität ihre metaphorische Tiefenwirkung.
Die Kölnerin Anna Lucia Richter, an der hiesigen Musikhochschule zum Sopran ausgebildet und mittlerweile zum Mezzosopran mutiert, sang dieses acht Jahrhunderte überspannende Kompendium deutscher Liedkunst mit ebenso viel gestalterischer Differenzierung wie sängerischer Intuition. Der Wechsel ins Mezzo-Fach (man hörte das hier noch deutlicher als jüngst in der Oper, wo sie den Sesto in Händels „Giulio Cesare“ sang) hat der Stimme Raum und Schwere gegeben, was aber zuweilen auf Kosten klar geformter Vokale geht.
Deutlich zu hören war, dass es dem bestens eingespielten Duo nie nur um Stimmungskunst, sondern immer um den existentiellen Gehalt der Lieder ging. Schuberts „Auf dem Wasser zu singen“ trat so ganz aus seiner schimmernden Melancholie heraus; Hugo Wolfs „Feuerreiter“ wurde zu einer beklemmenden, die Komfortzone gepflegten Kunstgesangs selbstbewusst verlassenden Erzählung von Fluch und Erlösung. Besonders stark und suggestiv wirkte Anna Lucia Richter dort, wo sie, vom Zwang des Rhythmus befreit, große melodische Bögen spannen konnte - so etwa in einer unbegleiteten Celan-Vertonung von Aribert Reimann und einem gregorianischen Hymnus an die Heiligen Drei Könige, mit dem sie ihrer Jugendzeit im Kölner Domchor gedachte.