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Kölner PhilharmonieOrchester ringt mit Herreweghes Einsätzen

Lesezeit 2 Minuten
Der flämische Dirigent Philippe Herreweghe. Er trägt ein weißes Hemd und darüber einen schwarzen Mantel

Der flämische Dirigent Philippe Herreweghe wurde in Gent geboren

Philippe Herreweghe kann mittlerweile ein Feldbett in der Kölner Philharmonie aufschlagen, so oft ist er hier, mit diverser Agenda zwischen Bach und Bruckner und mit unterschiedlichen Formationen von Gent bis Paris, gerade in der laufenden Spielzeit zu Gast. Die Frequenz der Auftritte hätte längst für einen „artist in residence“ gereicht.

Leider sind die Herreweghe-Konzerte nicht mehr mehr durchweg die reinste Freude – was festzustellen umso schmerzhafter ist, als die überragenden Verdienste des flämischen Dirigenten gerade um die historische Aufführungspraxis völlig unbestritten sind und jetzt schon eine bleibende Lebensleistung markieren.

Da liegt die Erwartungslatte naturgemäß hoch, und es enttäuscht umso mehr, wenn sie derart deutlich untersprungen wird wie beim Auftakt der jüngsten Vorstellung mit dem Orchestre des Champs-Élysées. Das hatte mit Brahms und Dvorák immerhin ein zugkräftig-attraktives Programm mitgebracht. Brahms’ „Tragische Ouvertüre“ widmet sich bekanntlich keinem konkreten Gegenstand, sondern musikalisiert sozusagen Tragik als Idee „an sich“, realisiert im Zusammenstoß und der wechselseitigen Zerstörung von Themen und Motiven. War davon etwas zu spüren? Kaum, es blieb bei einem weithin spannungslosen Notenreferat, garniert mit nicht unerheblichen Spieldefiziten vor allem in den Geigen.

Enttäuschung in der zweiten Konzerthälfte wiedergutgemacht

So richtig verwundern kann das angesichts der vom Pult ausgehenden Impulse nicht: Herreweghe, an die Partitur geklammert, gibt Einsätze, nach denen man eigentlich kaum spielen kann. Da gelingt dann vieles nur ungefähr, und die Ratlosigkeit bricht sich Bahn in nervösem Überdruck auf die Saiten. Diese Mängel beschädigten auch noch die Performance von Isabelle Faust, die das Dvorák-Violinkonzert gewohnt souverän absolvierte – mit feinem Bogenstrich, reichhaltigen Ausdrucksfarben und einem Stilgefühl, das nie über die Stränge schlägt, damit freilich auch im Rahmen eines nicht sonderlich aufregenden interpretatorischen Juste-Milieu bleibt. Gewinnend ihre Zugabe mit der „Fantasy“ aus den „Caprice-Variations“ des US-Komponisten George Rochberg.

Die Solistin Isabelle Faust, sie hält ihre Geige mit beiden Händen

Die Solistin Isabelle Faust

Der Eindruck besserte sich dann jedenfalls graduell bei Brahms’ zweiter Sinfonie. Gleich der versonnene Einstieg zeigte, zu welcher Klasse das Orchester findet, wenn ihm gestattet ist, sich frei zu verströmen. Die bronzenen Farben der Posaunen und Hörner – großartig, eine geradezu auratische Ensemblewirkung. Dazu trug auch die Positionierung der Kontrabässe an der Rückwand bei: Diese Aufstellung verbessert nicht nur die Intonation der Holzbläser, sondern gibt vielmehr Brahms’ romantischem Wiener Sound jene satte Basiswärme, die der in jeder Aufführungstradition unbedingt braucht. Schön gelang auch im zweiten Satz die Öffnung und Schließung des Klangs im Mit- und Gegeneinander der sich an sich selbst spiegelnden Themen. So konnte die Enttäuschung am Ende dann doch noch in Grenzen gehalten werden.