Chefdirigent Cristian Măcelaru eröffnete seine letzte Spielzeit mit dem WDR-Sinfonieorchester.
Kölner PhilharmonieWDR-Sinfoniorchester entführt in die Welt der Scheherazade
Voll in die Vollen – so gehört sich das zum Saisonauftakt. Das WDR-Sinfonieorchester unter seinem Chef Cristian Măcelaru (der in seine letzte Kölner Spielzeit geht), fuhr jetzt auf dem Podium der Philharmonie seine ganze instrumentale Pracht aus. Die erzwang freilich auch das einleitende und hier in deutscher Erstaufführung zu erlebende Werk des kanadisch-amerikanischen Komponisten Karim Al-Zand mit dem Titel „Al Hakawati“. Das heißt so viel wie „Der Geschichtenerzähler“ und entführt unter anderem in die imaginäre Welt der Scheherazade. Es handelt sich dabei um ein üppiges, vom Jazz wie von Nahöstlichem inspiriertes Stück, das, obwohl es nicht mehr direkt tonal gebunden ist, doch irgendwie süffig-spätromantisch klingt. Und zwar noch an den dissonantesten Stellen.
Klar, so wird auch Neue Musik zugänglich – wenn es denn Neue Musik wäre. Denn da erinnert vieles an Schreker und Zemlinsky, wogegen nichts einzuwenden wäre, wenn die nicht schon vor 100 Jahren komponiert hätten.
Im Orchester klapperte es zuweilen ein wenig
Im Orchester klapperte es zuweilen ein wenig, aber das tat der Sache keinen Abbruch. Genauso wenig wie das Solo der kanadischen Sopranistin Miriam Khalil, die stark zum Mezzo tendiert, aber nach oben auch ordentlich aufmachen kann. Was sie – unter anderem als Scheherazade – mitzuteilen hatte, hätte man den ausgegebenen Gesangstexten entnehmen können, wenn nicht die Dunkelheit im Saal die Lektüre hintertrieben hätte.
Scheherazade am Anfang, Scheherazade am Schluss – dann in Gestalt der unsterblichen Suite von Nikolaj Rimskij-Korsakow. Dass es dort zwischen der Prinzessin und dem Sultan ans Eingemachte geht, ließ Măcelaru in starken erzählend-dramatischen Kontrasten, quasi-balladesk, herausarbeiten. Kriegs- und Tanzszenen stellte er mit der Wucht von szenischen Bildern hin. Hier schlug auch die große Stunde der Orchestersolisten, des Fagotts zum Beispiel – und des Konzertmeisters als wunderbar einschmeichelnde Prinzessin.
Glasklare PräzisionAm Schluss der Suite kehrt deren Anfang wieder – und das Nämliche geschieht in Schostakowitschs erstem Cellokonzert. Ein gut gebautes Programm mit etlichen Wechselbezügen mithin – und dass man die russischen Komponisten Putins Krieg gegen die Ukraine nicht büßen lässt, ist selbstredend auch aller Ehren wert. Als Solisten hatte man mit dem Briten Sheku Kanneh-Mason einen echten Star eingekauft, der zugleich beim WDR sein Debüt ablieferte. Der beherrscht sein Instrument auf großartige Weise, da verrutscht kein Ton, da kommt alles mit glasklarer Präzision.
Aber das allein machte noch keine große Kunst. Die erreicht Kanneh-Mason durch eine bemerkenswerte Verschmelzung unterschiedlicher Ausdruckscharaktere: In den Rahmensätzen führt er sein Cello als einen melancholischen Kobold vor, während es im langsamen Satz schön und elegisch tönt, dabei aber durchaus unsentimental. Ungewöhnlich die Zugabe: kein Bach, sondern – Bob Marley mit einem für zweistimmiges Pizzicato transkribierten Song. Singstimme plus Begleitung auf einem Melodieinstrument – das muss man erst mal hinbekommen, und dann so stimmungsvoll-überzeugend.