AboAbonnieren

KStA und Lingen-Stiftung„Kölner Recherchepreis“ für junge Journalistinnen und Journalisten verliehen

Lesezeit 5 Minuten
Die Preisträgerinnen und Preisträger: Lena Heising, Rebecca Singer und Andrew Müller (mit Urkunden, von links nach rechts), zusammen mit den Herausgebern des „Kölner Stadt-Anzeiger“, Christian DuMont Schütte und Isabella Neven DuMont (2. und 4. v.r.), Restrednerin Lara Fritzsche (SZ Magazin, r.) und Moderatorin Katharina Schmalenberg (Schauspiel Köln, 2.v.l.)

Die Preisträgerinnen und Preisträger: Lena Heising, Rebecca Singer und Andrew Müller (mit Urkunden, von links nach rechts), zusammen mit den Herausgebern des „Kölner Stadt-Anzeiger“, Christian DuMont Schütte und Isabella Neven DuMont (2. und 4. v.r.), Festrednerin Lara Fritzsche (SZ Magazin, r.) und Moderatorin Katharina Schmalenberg (Schauspiel Köln, 2.v.l.)

Der „Kölner Recherchepreis“ würdigt herausragende Leistungen von Journalistinnen und Journalisten bis 35.

In Köln ist erstmals der „Kölner Recherchepreis“ für junge Journalistinnen und Journalisten verliehen worden.

Den ersten Preis erhielt Rebecca Singer (Rheinpfalz / rheinpfalz.de) für einen siebenteiligen Podcast über die Flugschau-Katastrophe von Ramstein im Jahr 1988 mit 70 Toten und 500 Verletzten. Nach Ansicht der Jury ist es Singer nicht nur gelungen, die Chronologie eines bis dahin beispiellosen Unglücks detailliert nachzuzeichnen. „Sie schaffte es auch, mehr als 30 Jahre nach dem Unglück noch einmal Zeitzeugen zu finden und so für ein Gespräch aufzuschließen, dass die Katastrophe von damals noch einmal sehr ‚lebendig‘ wird.“

Siebenteiliger Podcast über die Flugschau-Katastrophe von Ramstein: Preisträgerin Rebecca Singer auf der Bühne.

Siebenteiliger Podcast über die Flugschau-Katastrophe von Ramstein: Preisträgerin Rebecca Singer auf der Bühne im Kölner Neven DuMont Haus.

Singer hole damit das Leid und das Trauma der unmittelbar Betroffenen wie auch der damals Verantwortlichen und beteiligter Rettungskräfte in die Gegenwart. „Akribisch arbeitet sie auch das Versagen von Veranstaltern und politisch Verantwortlichen auf.“ Das Besondere an Singers Arbeit sei zudem ihre Recherche zu den Lehren aus der Katastrophe von 1988 für heute.

Annette Binninger (Chefredaktion „Sächsische Zeitung“, links) übergab die Preis-Statuette für den 1. Preis an Rebecca Singer (rechts). In der Mitte Moderatorin Katharina Schmalenberg mit Singers Urkunde.

Annette Binninger (Chefredaktion „Sächsische Zeitung“, links) überreicht den 1. Preis an Rebecca Singer (rechts). In der Mitte Moderatorin Katharina Schmalenberg mit Singers Urkunde.

Mit dem zweiten Preis wurde Lena Heising (Kölner Stadt-Anzeiger) für ihre investigativen Recherchen zu einer Vergewaltigungsserie im Evangelischen Klinikum Bethel ausgezeichnet. „Die Qualität ihrer Arbeit zeigt sich nicht nur in der Menge der gesammelten Fakten, sondern vor allem auch in ihrer präzisen, informativen und empathischen Schreibweise“, heißt es in der Begründung der Jury. Heising habe „mit ihrer ebenso mutigen wie sorgfältigen Arbeit vorbildlich gezeigt, was Qualitätsjournalismus ausmacht“.

Besonders hob die Jury zudem hervor, dass die betroffenen Frauen dank Heisings Arbeit endlich von den begangenen Sexualstraftaten erfahren hätten und der Fall durch die Hartnäckigkeit der Berichterstattung zum Thema im Justizausschuss des NRW-Landtags wurde.

27.11.2023, Köln: Werner Schulte überreicht den 2. Preis an Lena Heising.
Erstmalige Verleihung des „Kölner Recherchepreis“ für junge Journalistinnen und Journalisten, eine Kooperation von KStA und Lingen-Stiftung.
 Foto: Uwe Weiser

Werner Schulte, Geschäftsführer des Lingen-Verlags, überreicht den zweiten Preis an Lena Heising.

Der dritte Preis ging an Andrew Müller (freier Journalist) für seinen Report „Noah will sterben“, der zuerst im Magazin „Go“ der Reportageschule Reutlingen und später auch auf zeit.de erschien. Müllers Text über einen assistierten Suizid rekonstruiere den letzten Tag im Leben eines 23 Jahre alten querschnittsgelähmten Mannes „ungemein präzise, facettenreich, sensibel und umsichtig“, lobte die Jury.

„Andrew Müllers Report nimmt Anteil, aber nicht Partei. Das hat Größe.“ Überdies ziele der Text mitten hinein in eine aktuelle gesellschaftspolitische Debatte. „Wer glaubt, doch längst zu wissen, was von Sterbehilfe zu halten ist – der sollte Andrew Müllers Report lesen. Die Welt – oder das eigene selbstgebastelte Weltbild – sieht nach der Lektüre anders aus. Im besten Fall reicher.“

Joachim Frank vom „Kölner Stadt-Anzeiger“ (links) überreicht den dritten Preis an Andrew Müller.

Joachim Frank vom „Kölner Stadt-Anzeiger“ (links) überreicht den dritten Preis an Andrew Müller.

Der mit insgesamt 15.000 Euro dotierte „Kölner Recherchepreis“ wird gemeinsam vom „Kölner Stadt-Anzeiger“ und der Kölner Lingen-Stiftung ausgelobt. Zuvor wurde er drei Jahre lang als „Gutenberg-Preis“ von der Mainzer Mediengruppe VRM und der Lingen-Stiftung verantwortet. Prämiert werden Beiträge aus deutschen Lokal- und Regionalzeitungen oder auf redaktionell eigenständigen Online-Plattformen.

Mit insgesamt 15.000 Euro dotiert

„Wir freuen uns, dass wir als Kölner Medienunternehmen in diesem Jahr gemeinsam mit der Lingen Stiftung erstmals den ‚Kölner Recherchepreis‘ vergeben können. Die Qualität der eingereichten Beiträge war durchweg sehr hoch. Einen herzlichen Glückwunsch an die Gewinnerinnen und Gewinner“, sagte Thomas Schultz-Homberg, CEO der Kölner Stadt-Anzeiger Medien.

27.11.2023, Köln: 
Erstmalige Verleihung des „Kölner Recherchepreis“ für junge Journalistinnen und Journalisten, eine Kooperation von KStA und Lingen-Stiftung. Der komm. Chefredakteur Christian Hümmeler begrüßt die Gäste. Foto: Uwe Weiser

Christian Hümmeler, komm. Chefredakteur des „Kölner Stadt-Anzeiger “

Christian Hümmeler, kommissarischer Chefredakteur des „Kölner Stadt-Anzeiger“, ergänzte: „Wir sind stolz darauf, dass die unabhängige Jury entschieden hat, meiner Kollegin Lena Heising bei dieser Konkurrenz den zweiten Platz zuzusprechen. Dies ist Auszeichnung und Ansporn zugleich für die Redaktion. Der ‚Kölner Stadt-Anzeiger‘ steht für hochwertigen Lokaljournalismus auf allen Kanälen.“

Der gründlichen Recherche verpflichtet

Für den diesjährigen Preis wurden mehr als 40 Beiträge eingereicht. Der Preis fördert junge Journalistinnen und Journalisten, die sich auch im Zeitalter von Meinungswettstreit und Zielgruppenkommunikation dem klassischen journalistischen Grundsatz verpflichtet fühlen: Vor der Information steht die gründliche Recherche.

27.11.2023, Köln: Isabella Neven DuMont und Christian DuMont Schütte.
Erstmalige Verleihung des „Kölner Recherchepreises“ für junge Journalistinnen und Journalisten, eine Kooperation von KStA und Lingen-Stiftung.
 Foto: Uwe Weiser

Isabella Neven DuMont und Christian DuMont Schütte bei der erstmaligen Verleihung des „Kölner Recherchepreises“

Die bleibende Bedeutung klassischer journalistischer Grundsätze, insbesondere der hartnäckigen, akribischen Recherche betonten auch die Herausgeber des „Kölner Stadt-Anzeiger“, Isabella Neven DuMont und Christian Dumont Schütte. „Zugleich kommt den Lokal- und Regionalzeitungen auch und gerade im digitalen Zeitalter mit einer schier endlosen Fülle an Fakten, aber auch Fakenews in den Tiefen des Netzes eine wichtige Rolle für demokratische Teilhabe und für die Bewahrung der Pressefreiheit zu“, sagten sie.

Der „Kölner Recherchepreis“ solle junge Journalistinnen und Journalisten ermuntern, „in diesen ebenso schnellen wie meinungsoffensiven Zeiten die Kultur des Dicke-Bretter-Bohrens zu pflegen.“ Der Preis sei aber auch zu verstehen als „ein Merkposten, eine Mahnung explizit an Lokal- und Regionalzeitungsverlage, dass wir aufwändige Recherchen so gut es irgend geht erhalten, fördern, ja womöglich sogar ausbauen“.

Lara Fritzsche, stellvertretende Chefredakteurin des „SZ Magazins“, hielt bei der Verleihung des „Kölner Recherchepreises“ den Impulsvortrag.

Lara Fritzsche, stellvertretende Chefredakteurin des „SZ Magazins“, hielt bei der Verleihung des „Kölner Recherchepreises“ den Impulsvortrag.

In einem Impulsvortrag empfahl die stellvertretende Chefredakteurin des „SZ Magazin“, Lara Fritzsche, eine Neubestimmung des Kontakts zwischen Medien und ihrem Publikum. An die Stelle eines „Vertrauensverhältnisses“, mit dem im Zweifel die Erwartung blinder Gefolgschaft oder Ergebenheit verbunden sei, sollten der Wunsch und die Bereitschaft zu Dialog, kritischer Auseinandersetzung, Widerspruch, Perspektivenvielfalt und selbstkritischer Infragestellung treten. „Sich reiben ist eine gesunde und vielleicht einfach nur die zeitgemäße Art, Vertrauen zu haben“, sagte die 39-Jährige. „Was wir doch wollen, wenn wir sagen, dass wir das ‚Vertrauen‘ der Leserinnen und Leser gewinnen oder zurückgewinnen wollen: Dass sie auf uns zukommen, interessiert bleiben und im Austausch.“

Moderatorin des Abends war Katharina Schmalenberg vom Schauspiel Köln. Sie trug auch Auszüge aus den preisgekrönten Texten vor.

Moderatorin des Abends war Katharina Schmalenberg vom Schauspiel Köln. Sie las auch Auszüge aus den preisgekrönten Texten.

Mitglieder der Jury waren: Joachim Frank (komm. Vorsitz, Chefkorrespondent „Kölner Stadt-Anzeiger“), Annette Binninger (Chefredaktion „Sächsische Zeitung“), Carsten Fiedler (ehemaliger Chefredakteur „Kölner Stadt-Anzeiger“), Friedrich Roeingh (ehemaliger Chefredakteur „Mainzer Allgemeine“), Werner Schulte (Geschäftsführer Lingen-Verlag) und Anke Vehmeier (Leiterin des Lokaljournalistenprogramms bei der Bundeszentrale für politische Bildung).