Vom 15. bis zum 25. August steht beim Kölner Shalom-Festival die jüdische Musik um Zentrum - mit insgesamt 80 Konzerten an unterschiedlichen Orten.
Kölner Shalom-FestivalWeiter Bogen über Genres und Epochen
Die Komponistin Maria Herz, geborene Bing und Tochter einer jüdischen Kölner Textilhändlerfamilie, trotzte den neuen politischen Verhältnissen und begann noch im Jahre 1934 mit der Niederschrift eines Cembalokonzerts. Aber es half nichts: Ein Jahr später zwang die Nazidiktatur sie zur Emigration nach England, wo sie die nächsten zehn Jahre überwinterte. 1945 wanderte sie in die USA aus, 1950 starb sie. Als Komponistin war sie zu diesem Zeitpunkt schon lange verstummt.
Die Frage, was aus ihr hätte werden können, wenn sie nicht vertrieben worden wäre, drängt sich auf, ist freilich nicht mehr zu beantworten. Ihre verschollene Musik endlich wieder zu spielen und zu hören – das bleibt der Nachwelt aufgegeben im Sinne eines Aktes historischer Gerechtigkeit, von dem Maria Herz persönlich allerdings nichts hat. „Wiedergutzumachen“ im engeren Sinn ist da nichts mehr.
Besagtes Cembalokonzert, ein Dokument der Wiederentdeckung des lange verschollenen Barockinstruments im frühen 20. Jahrhundert, wird in diesem Sinne am Donnerstag, 19.30 Uhr, in der Flora im Eröffnungskonzert des Kölner Shalom-Musikfestivals mit jüdischer Musik uraufgeführt. Solist ist Michael Hell, der auch das begleitende Ensemble Art House 17 leitet. Hila Biaggio und Iris Vermillion singen dazu Lieder von Maria Herz, die die Verwurzelung der Künstlerin in der deutsch-romantischen Tradition zeigen. Außerdem erklingen flottere Weisen ihrer jüdischen Zeitgenossen Friedrich Hollaender und Richard Heymann.
Das Kölner Shalom-Festival findet, unter dem (auch vor dem Hintergrund der Krieg im Nahen Osten sehr aktuellen) Motto „Together now“, nach 2021 und 2022 zum dritten Mal statt. Es dauert bis zum 25. August und umfasst insgesamt 80 Konzerte an unterschiedlichen Orten – Kirchen, Museen und anderen Locations. Die Agenda, ins Werk gesetzt unter starker Beteiligung jüdischer Künstler, schlägt einen weiten Bogen über Genres und Epochen, von Klezmer zu Klassik, von Synagogalmusik zu Jazz, von Folk zu Chanson. Ausgerichtet wird das Festival vom Kölner Forum für Kultur im Dialog und der Kölner Synagogengemeinde.
Obwohl Köln die älteste jüdische Gemeinde nördlich der Alpen hatte, sei das Bewusstsein davon vor Ort immer noch zu wenig entwickelt, so Projektleiterin Claudia Hessel anlässlich der Programmvorstellung im Ehrenfelder Zentrum für Alte Musik (Zamus) zur Hintergrundidee der Veranstaltung. Diesem Defizit suche man, in der Folge der Offenbach-Feiern rund um den Kölner Jubilar des Jahres 2019, nachhaltig entgegenzuwirken.
Kurzkonzerte bei freiem Eintritt
Höhepunkt des Festivals ist der kommende Sonntag mit zahlreichen über den Tag verteilten Kurzkonzerten bei freiem Eintritt. Da wird, um nur einige Ereignisse herauszugreifen, Olga Pashchenko im Bechstein-Zentrum Klaviermusik der Geschwister Mendelssohn spielen und Michael Alexander Willens mit dem Gitarristen Wulfin Lieske und seiner Kölner Akademie im Wallraf-Richartz-Museum Bernsteins „West Side Story“ eben in einer Gitarrenversion aufführen. Der Klarinettist Helmut Eisel entfacht im Consilium ein „Klezfire!“, und Domorganist Winfried Bönig sorgt mit der Schofar-Spielerin Yael Gat im Dom für einen stimmungsvollen Ausklang.
Zu den Interpreten des Sonntags gehört übrigens auch Felix Klein, der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung. Er betätigt sich im kammermusikalischen Trio Accento als Geiger. Eine bemerkenswerte Personalunion!