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Kölner Theater im Bauturm„Don Quijote“ als Feuerwerk ungebremster Spiellust

Lesezeit 3 Minuten

Felix Witzlau als Büchernarr Don Quijote

Köln – Wer und was ist Don Quijote? Ein Fantast, der ohne Rücksicht auf Verluste versucht, die Welt nach seinen Vorstellungen und Wünschen umzukrempeln? Oder ein Simplicissimus, der den Menschen da draußen den Spiegel vorhält und ihren Blick auf die Realität in Frage stellt?

Regisseur Kieran Joel entfacht an der Ambiguität dieser legendären literarischen Gestalt ein Feuerwerk ungebremster Spiellust. Mit schierer Freude an der Entfesselung theatraler Möglichkeiten entsteht auf der Bühne im Bauturm ein fantastischer Abenteuerspielplatz, auf dem Don Quijotes Fantasie gewaltige Flügel wachsen. Von Beginn an gelingt es Joel, das Publikum mit auf die utopische Reise zu nehmen. Die Freiheit, die sich an diesem wunderbaren Theaterabend auf der Bühne entfaltet, setzt auch bei den beiden jungen Schauspielern, die Kieran Joel von der renommierten Theaterschule Ernst Busch aus Berlin mit an den Rhein gebracht hat, ungeheure Energien frei.

Don Quijote ist Büchernarr

Mit wahren Furor steigt Felix Witzlau in die Manege, in der stapelweise Bücher den Boden bedecken. Ein Büchernarr im wahrsten Wortsinn ist dieser Don Quijote, der sich mit dem Lesen von Ritterromanen das Dasein in der trostlosen spanischen Provinz Mancha versüßt. Bis er seinen Elfenbeinturm verlässt und beschließt, selbst ein fahrender Ritter zu werden.

Um die Wirklichkeit aus den Romanen in die Realität zu überführen, braucht auch ein solcher Eigenbrötler Komplizen. So wird der einfache Bauer Sancho Pansa kurzerhand als Knappe gewonnen. Dem Mann, den Maximilian Hildebrandt mit schelmischer Weisheit auskleidet, ist zwar klar, dass sein neuer Herr nicht ganz von dieser Welt ist, dennoch lässt er sich von der Belohnung locken. Hat ihm der Ritter von der traurigen Gestalt doch eine Insel als Lohn für seine Mühen in Aussicht gestellt.

Don Quijote ist nicht zuletzt ein Meister der Manipulation, und auch das Publikum wird sogleich in das Spiel der Illusionen eingebunden: Da verwandelt sich der Saal im Handumdrehen in zwei feindliche Ritterheere, mittendrin ein männlicher Gast, der vom ungestümen Ritter zur angebeteten Dulcinea von Toboso ernannt wird.

Spielerische Souveränität

In diesen zauberhaften Zinnober schaltet sich immer wieder Kieran Joel über Voice-over ein, indem er das ganze Treiben zur wahrheitsgemäßen Abbildung der bisherigen Probenarbeiten erklärt. Mit spielerischer Souveränität wird hier die Illusion immer wieder gebrochen und von neuem beschworen; virtuos und wild werden hier die Versatzstücke aus dem Abenteuerroman zum Besten gegeben, wobei die Akteure, ihrerseits animiert vom treibenden Soundtrack der Musik Leeny Mockridges, den Saal mitreißen und immer wieder Szenenapplaus provozieren.

Wahn-witzig im besten Sinne entfaltet das Geschehen einen unwiderstehlichen Sog: Für eine kurze, fantastische Theaterzeit verwandeln sich Bühne und Saal in eine verschworene Gemeinschaft, deren emotionale Energie die Erkenntnis freisetzt, dass das Theater, so es sich keine Fesseln anlegt, der nicht mehr greifbaren Wirklichkeit eine ganz eigene Wahrheit entgegenzustellen vermag. Kein Wunder, dass der Schlussapplaus nach dieser denkwürdigen Premierenvorstellung rekordverdächtige Ausmaße annahm.

Nächste Termine: 1. ,2. 12., 20 Uhr, 3.12. , 18 Uhr; 13.-15.12., 20 Uhr; 20./21.12., 20 Uhr