In „Downgrade Prometheus“ fragt sich Björn Gabriel, Autor und Regisseur der Kölner Theatergruppe Trafique, ohne die Göttergabe der Technik nicht besser dastünden.
Kölner Theatergruppe TrafiqueEndgame der Menschheit
Was ist, wenn Zeus doch recht gehabt hat? In „Downgrade Prometheus“ der Kölner Theatergruppe Trafique wird von Autor und Regisseur Björn Gabriel die geklaute Göttergabe des Prometheus an die Menschen neu verhandelt. Seine rebellische Tat, die den Menschen das Feuer und damit die Befreiung aus der Bevormundung durch die olympischen Götter brachte, erweist sich im Nachhinein als zweifelhafte Gabe. Drohen doch der wissenschaftliche und technische Fortschritt und die damit einhergehende Herrschaft des Menschen über die Natur geradewegs in die Katastrophe zu führen.
Während nun Prometheus, von Zeus für seinen Raub bestraft, im Kaukasus angekettet, tagtägliche Pein erleidet, treffen sich in einer schicken Designerwohnung zwei Paare (Nancy Pönitz, Max Ranft, Johanna Reinders und Tomasso Tessitori) zum philosophischen Tête-à-Tête. In Champagnerlaune fliegen kleine, böse Spitzen durch die Luft und Hierarchien in den Beziehungen werden festgeklopft, bis die dekadente Abendgesellschaft zum Charade-Spiel übergeht.
Jeder der Anwesenden hat Geschichten zum Besten zu geben: Beispiele aus der Historie der Menschheit, die belegen, dass der göttliche Funken, das dem Menschengeschlecht von Prometheus überbracht wurde, mehr Fluch als Segen war. Neigt die selbsternannte Krönung der Schöpfung doch dazu, sämtliche Errungenschaften über kurz oder lang dazu zu verwenden, sich selbst in den Abgrund zu stürzen.
Von Columbus zum Anthropozän
So entwickelt sich ein fröhlich groteskes Spektakel im Potpourri weltberühmter Schauplätze zwischen Alltagsbanalitäten und Apokalypse. Angefangen mit der Erfindung der ersten Waffe, hier als Zitat aus Stanley Kubricks „2001 im Weltraum“ abgebildet, über die Dynamisierung kolonialistischer Katastrophen durch die Besitznahme Amerikas durch Columbus, bis hin zur ultimativen Brandbeschleunigung im Anthropozän-Zeitalter, wo grenzenlose Industrialisierung, atomare Massenvernichtungswaffen und der entfesselte Finanzkapitalismus endgültig den Turbogang in Richtung finaler Sackgasse eingelegt haben.
Die Logik des Scheiterns kommt hier in perlenden Pointen und philosophischen Anekdoten daher. Ein wahres Fest an feingeschliffenen Dialogen und schauspielerischer Finesse, dargeboten von einem wunderbar aufeinander abgestimmten Quartett, das nicht nur perfekt untereinander, sondern auch mit dem Geschehen auf der Leinwand harmoniert. So griffig wie hier, wurde einem selten das Höhlengleichnis von Platon nahegebracht.
Selbstoptimierung durch Selbstbefriedigung
Das kluge Spiel mit Zitaten aus der (Kultur)-Geschichte der Menschheit jongliert in federleichter Grazie mit Stichtagen, Mythen und Filmschnipseln. Heiner Müller kommt zu Wort, aber auch Mark Hanna (hier kongenial verkörpert von Dominik Hertrich), der größenwahnsinnige Broker aus Martin Scorseses „Wolf of Wall Street“ mit seiner legendären Ode an die Selbstoptimierung durch Selbstbefriedung.
Viel mehr als der Rückzug auf die eigene Individualität scheint der Spezies Mensch im evolutionären Endgame auch nicht zu bleiben. Rette sich, wer kann, heißt dann auch gegen Ende das Motto, wenn jeder Gast des Abends sein Heil in der panischen Flucht sucht, um dann doch wieder, wie beim Rundlauf, am Ausgangspunkt zu landen. Kein Wunder, dass den gerade noch so souveränen Schöpfern ihrer Narrative auf der Suche nach Deutungshoheit plötzlich in der bitteren Erkenntnis des Scheiterns dicke Tränen von den Wangen rollen.
Das große Ganze wird an diesem Abend im kleinen Theater im Kölner Norden mit hohem Unterhaltungswert verhandelt und die Zuschauer dürfen sich glücklich schätzen, Zeuge eines rundum gelungenen Theaterabends geworden zu sein, bei dem das Theater Trafique zwischen Bühne, Livestream und Leinwand sein ganzes Können demonstriert.
Nächste Termine: 31.3. + 2.4. , Studio Trafique , Merheimer Straße 292